Als die Angestellten des Hotels "Le Rose" das Zimmer in Rimini öffnen, finden sie einen verwüsteten Raum vor. Zehn verschiedene Medikamenten-Schachteln liegen auf dem Boden, darunter vier verschiedene Antidepressiva. Und sie finden an jenem 14. Februar 2004 den leblosen Körper von Marco Pantani, der an einer Überdosis Kokain starb.

Alkohol und Drogen sind keine Seltenheit in Radsportkreisen. Pharmakologe Fritz Sörgel sieht einen Zusammenhang zum mitunter exzessiven Doping in der Sportart. "Die spektakulären Fälle legen das nahe", sagte der Anti-Doping-Experte - wenngleich es keine wissenschaftlichen Studien dazu gebe, weil "überführte Dopingsünder nirgendwo medizinisch betreut werden".

Marco Pantani
Marco Pantani © AP

Mutmaßlich unter Alkohol- und Drogeneinfluss - so sagt es die Polizei - stand auch der frühere deutsche Radstar Jan Ullrich, der in der vergangenen Woche tagelang für Negativ-Schlagzeilen sorgte und schließlich am Freitag in einem Frankfurter Luxushotel festgenommen wurde. Der Tour-de-France-Sieger von 1997 soll eine Escort-Dame angegriffen und verletzt haben. Gegen Ullrich wird wegen des Verdachts des versuchten Totschlags und der gefährlichen Körperverletzung ermittelt. Ullrichs Anwaltskanzlei äußerte sich zur Festnahme bisher nicht, auch vom früheren Radstar gibt es dazu noch keine Stellungnahme.

Es habe den Anschein, dass der Radsport besonders gefährdet sei, "weil wir dort mit die höchste Zahl von Dopern hatten", sagt Anti-Doping-Experte Sörgel. "Die Radfahrer waren von jeher mit harten Dopingmitteln unterwegs und die machen auch die größten Probleme." Ein riesiges Problem seien Amphetamine. "Das kriegen wir wohl am besten mit dem Crystal Meth vor Augen geführt, ein besonders starkes Amphetamin."

Der Nürnberger Mediziner verweist auch auf Pantani: "Es sind die spektakulären Fälle, aus denen wir die Informationen ziehen", sagte Sörgel. Einige bekannte Sportler seien "einfach Drogenabhängige" gewesen.

Pantani war einst ein Rivale des ebenfalls wegen Dopings überführten Ullrich. In einer Zeit, als der Radsport großflächig Doping-verseucht war. Blutdopingmittel, Wachstumshormone oder Anabolika wurden bei vielen Fahrern festgestellt. Das Peloton hatte damals nicht umsonst den Ruf einer radelnden Apotheke.

"Viele Fahrer bekommen Antidepressiva. Während ein Fahrer das Zeug nimmt, fühlt er sich ein bisschen wie Superman. Wenn er dann auf Entzug ist, wird er apathisch, ist völlig am Boden. Einige greifen dann zu härteren Sachen. Der Radsport ist die Vorstufe zur Drogenabhängigkeit", sagte der ehemalige spanische Profi Jesus Manzano 2007 in einem "Stern"-Interview. Und es gibt weitere tragische Beispiele wie Franck Vandenbroucke. Der Belgier, ebenfalls ein langjähriger Gegner von Ullrich, galt einst als der neue Eddy Merckx. Erfolge begleiteten seine Karriere gleichermaßen wie Dopingskandale.

Franck Vandenbroucke
Franck Vandenbroucke © AP

Am Ende wird Vandenbroucke am 12. Oktober 2009 in einem Hotel im Senegal tot aufgefunden. Die Ermittler finden Antidepressiva, Insulin und starke Beruhigungsmittel. In der Nacht zuvor war er betrunken mit einer Prostituierten heimgekehrt. Als Todesursache wurde eine beidseitige Lungenembolie festgestellt.

Auch Jose Maria Jimenez fuhr in jener Zeit Radrennen. Der Spanier galt als begnadeter Bergfahrer, gewann insgesamt neun Etappen bei der Vuelta. Doch Jimenez hatte auch Probleme. Im Dezember 2003 starb er in einer Madrider Entzugsklinik an einem Herzinfarkt. Marco Pantani wollte Ende Februar 2004 noch eine Entziehungskur in Bolivien antreten, dazu kam es nicht mehr.

Bei Ullrich hoffen viele frühere Weggefährten, dass er jetzt die Kurve bekommt. "Meines Erachtens hilft nur eins: Ulle muss sofort in eine geschlossene Anstalt, damit er nicht mehr frei draußen rumläuft. Der ist so unter Strom, der weiß gar nicht mehr, was er macht, glaube ich", sagte Ex-Radstar Didi Thurau dem "Express".