Bildungs- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hat die von Sprachkritikern per offenem Brief an sie erhobene Forderung zurückgewiesen, geschlechtersensible Formulierungen etwa mit Binnen-I "aus dem Sprachgebrauch zu eliminieren". "Sprache schafft Wirklichkeit. Weibliche Formen unerwähnt zu lassen und Frauen damit auszublenden, das wäre ein völlig falsches Zeichen", so die Ministerin.

Im Wissenschaftsministerium verweist man auf die gelebte Praxis im Ministerium, wo - sofern lesbar - die "geschlechtsneutrale" Formulierung (z.B. "Studierende" statt "Studentinnen" und "Studenten") verwendet wird. "Wo das nicht möglich ist, werden - wie gesetzlich vorgesehen - durchgehend beide Geschlechter angeführt", so Ressortchef Reinhold Mitterlehner (ÖVP) in einer Stellungnahme zur APA.

FPÖ: "Genderwahn den Geldhahn abdrehen"

Die FPÖ hat Mitterlehner indes am Montag aufgefordert, er solle "dem Genderwahn den Geldhahn abdrehen" und Gender-Lehrveranstaltungen aus allen Studienplänen der Unis streichen. "Die sogenannte Genderwissenschaft entwickelt sich zu einem Korsett für unsere Sprache und unser Denken", so der Nationalratsabgeordnete Gerhard Deimek. "Reinhold Mitterlehner muss zeigen, ob der noch christlich-soziale Wurzeln in sich hat, oder ob er längst zum angepassten Klon des grün-affinen Rupprechter wurde."

ÖH: "Das 'Frauen mitmeinen' reicht nicht"

Bestürzt auf den Offenen Brief reagierte indes die Österreichische Hochschüler_innenschaft (ÖH): "Bei wichtigen Texten wie Gesetzen und Normen weibliche Bezeichnungen wegzulassen, ist mehr als bedenklich und ist absolut unzeitgemäß. Angebliches 'Frauen mitmeinen' reicht noch lange nicht", betonte der ÖH-Vizevorsitzende Florian Kraushofer (Fachschaftslisten/FLÖ). Geschlechtergerechte Sprache sei ein wichtiger Schritt für absolute Gleichstellung von Frauen und nicht mehr wegzudenken, eine Abschaffung widerspräche außerdem zahlreichen EU-Richtlinien und gültigen Gesetzen.

Offener Brief gegen Gendern

In einem "Offenen Brief" an Bildungs- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hatten Universitätsprofessoren, Lehrer sowie Journalisten und andere Sprachkritiker eine "Rückkehr zur sprachlichen Normalität" gefordert. Die Minister sollten, so die Forderung, "dem Wildwuchs durch das sprachliche 'Gendern'" Einhalt gebieten.

Das Schreiben wurde bisher von knapp 800 Personen unterzeichnet. Darunter sind u.a. die Philosophen Konrad Paul Liessmann und Peter Kampits, Mathematiker Rudolf Taschner, Verfassungsrechtler Heinz Mayer, Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, der deutsche Journalist und Sprachpfleger Bastian Sick und Schauspielerin Chris Lohner. Insgesamt ist laut Aussendung mehr als die Hälfte der Unterzeichner weiblich, außerdem sind rund 300 Schulleiter bzw. Lehrer dabei.

Vergleich mit "dikatorischen Regimen"

"Ein minimaler Prozentsatz kämpferischer Sprachfeministinnen darf nicht länger der nahezu 90-prozentigen Mehrheit der Staatsbürger ihren Willen aufzwingen", sehen die Unterzeichner einen Widerspruch zur Demokratie. "Was die Mehrheit der Sprachteilhaber als richtig empfindet, wird als Regelfall angesehen. Wo immer im Laufe der Geschichte versucht wurde, in diesen Prozess regulierend einzugreifen, hatten wir es mit diktatorischen Regimen zu tun."

Kritiker: Binnen-I aus Sprachgebrauch eliminieren

Die Briefschreiber verwehren sich gegen eine "von oben her verordnete konsequente getrenntgeschlechtliche Formulierung" in Gesetzen, Behördentexten, aber auch Schulbüchern und universitären Facharbeiten. Geschlechtersensible Sprache (mit Binnen-I, Anführung beider Geschlechter mit Schrägstrichen im Wortinneren etc.) stoße nicht nur auf sehr geringe Akzeptanz, sie "zerstört die gewachsene Struktur der deutschen Sprache bis hin zur Unlesbarkeit und Unverständlichkeit" und widerspreche "zum Teil den Grundregeln unserer Sprache". Diese Maßnahmen "sind daher wieder aus dem Sprachgebrauch zu eliminieren".

Beide Geschlechter vollständig und getrennt anführen

Als Lösung sehen die Autoren des Briefes den umstrittenen ÖNORM-Entwurf zu geschlechtergerechter Sprache, der u.a. vorschlägt "beide Geschlechter getrennt und vollständig anzuführen". Damit würden feministische Anliegen maximal berücksichtigt und eine "Rückkehr zur sprachlichen Normalität" ermöglicht. Schließlich sei die Sprache einzig und allein der problemlosen Verständigung und nicht der Durchsetzung partikularer Interessen. Es müsse gewährleistet sein, dass "die Verständlichkeit von Texten wieder den Vorrang vor dem Transport feministischer Anliegen eingeräumt bekommt".