Peter Konwitschnys Inszenierung, die den Fokus komplett auf Verdis Titelfigur richtet und den zweiten Akt deshalb brutal zusammenkürzt, offenbart elf Jahre nach der Premiere auch ihre Schwächen. Wenn die Personenführung nicht präzise ist, verkümmert das Spiel schnell zum leicht täppischen Arrangement. Ab dem Bild bei Violettas Freundin Flora bis hin zum großartigen Schluss gewinnt die Passionsgeschichte der sogenannten Edelkurtisane enorm an Spannung hinzu: Es ist eine spartanisch, fast nur mit Vorhängen ausgestattete, aber umso reicher gedachte Arbeit.

Alexey Neklyudovs Tenor fehlt es an romantischem Brio, was aber beim Bücherwurm-Alfredo dieser Inszenierung weniger ins Gewicht fällt, Schmelz und Sicherheit sind meist da, in der Stretta gibt es den (historisch korrekten) Schluss ohne Spitzenton. James Rutherfords Rückkehr als Germont beeindruckt: Er ist der Einzige an diesem Abend, der seine Stimme wirklich betörend strömen lassen kann, selbst wenn die Partie für ihn recht hoch liegt. Heather Engebretson als Violetta gefällt. Zwischen fragilem Frauengespenst und resoluter Diva hat man in der Partie schon alles gesehen. Die Amerikanerin singt eher eine zornige junge Frau, die vom Leben Vergnügen einfordert, ohne solches fühlen zu können. In der tieferen Region gewinnt die nicht große, aber volle Stimme eine braunrote Färbung, bisweilen enthält sie etwas Schärfe. Auf die Dauer tendiert Engebretson zur Eintönigkeit, spätestens im Finale lässt sie jedoch enormen Ausdruck hören.

Die Grazer Philharmoniker klingen exzellent, der ausgezeichnete Dirigent Matteo Beltrami modelliert einen feinen Klang und sorgt sich um die Details und Schönheiten des Werks. Dass alle vier weiteren Aufführungen bis 19. November in gleichbleibender Besetzung zu hören sind, ist die beste Nachricht.