Es war Liebe auf den ersten Blick: So beschrieb Thomas Stipsits in einem Interview mit der Kleinen Zeitung sein erstes Ankommen auf Karpathos. Die Dodekanes-Insel wurde für den Allround-Künstler zum Sehnsuchtsort, an den er immer wieder zurückkehrt – und nicht nur ihn hat diese Insel in ihren Bann gezogen. Doch auf den ersten Blick hat es bei uns nicht gefunkt – vielmehr ist die Insel für uns eine raue Diva, die ihre wahre Schönheit erst auf den zweiten Blick offenbart.
Denn schon die Ankunft ist nichts für Zartbesaitete: Unbarmherzig peitscht der Ägäis-Wind Meltemi einen durch, sobald man das Flugzeug verlässt. Kein Wunder, dass man schon vom Flughafen aus die ersten Kites über den blauen Himmel und die Windsurfer über das Meer zischen sieht - Karpathos ist eine Surferinsel, in der Wettervorhersage gibt es meist nur zwei Variablen: Wind oder starker Wind. Und auch die Insel selbst zeigt sich auf den ersten Blick eher als Mondlandschaft, denn als Inselparadies.
Frischer Fisch aus dem Kofferraum
Aber dann der zweite Blick: Der erste Sonnenuntergang am „Hausstrand“, genossen mit einem griechischen Bier in der Hand und dem feinen Sand zwischen den Zehen. Der erste griechische Salat im Stiegenlokal „To steki tou markou“, dessen Platzangebot mit dem Besucherandrang mitwächst. Denn dann holt Georgios einfach einen weiteren Tisch aus dem Lokal und stellt ihn auf den abfallenden Stiegen in der Seitengasse auf. Speisekarte gibt es keine, dafür darf man in die Töpfe schauen und zwischen Klassikern wie Stifado, Moussaka oder Briam wählen, die einfach immer wunderbar schmecken, egal, wie oft man sie schon gegessen hat.
Das erste Mal Eintauchen ins türkisblaue Wasser der winzigen Bucht, die angeblich die Hühnerleiter-Bucht heißt, weil man sie nur über eine wackelige Leiter und nach einem 15-minütigen Fußmarsch durch die sengende Sonne erreicht. Das erste Frühstückssandwich am Hauptplatz in Arkasa, wo sich die Einheimischen nicht nur picksüßen Kaffee, sondern auch den Klatsch des Tages holen. Und jeden zweiten Tag kommt Fischer Dimitros aus dem Nachbarort Finiki mit seinem Lieferwagen, parkt mitten am Platz, macht den Kofferraum auf und verkauft von dort den frischen Fang der Nacht. Das erste Mal mit noch meer-nassen Haaren vom Strand-Ausflug zurück nach Hause fahren und die Hügel rund um den Kali Limni im Inselinneren vom warmen Licht der Spätnachmittagssonne weichgezeichnet sehen.
Einmal infiziert . . .
Natürlich gibt es auch die ganz offensichtlichen Highlights, die mit ihrer Postkarten-Idylle geradezu protzen: Der weiße Strand Apella, an dem sich immer ein schattiges Plätzchen findet. Die berühmte Bucht Panagia, wo sich mit weißer Kapelle, bunten Booten und azurblauem Wasser alle Griechenland-Klischees auf einem Foto vereinen lassen. Oder das traditionelle Dörfchen Mesochori, das sich auf engen, verwinkelten Gässchen zwischen gekalkten Häusern erkunden lässt und umgeben ist von Olivenhainen und Weinhecken.
Wir kennen viele, die – einmal mit dem Karpathos-Virus infiziert –, immer wieder von dieser rauen, wilden Schönheit angezogen werden. Und zum Glück kommen neue Familienmitglieder dazu, denen man diese Insel zeigen kann. Und zum Glück gibt es so viele Plätze auf der Insel, an denen man sich an die erinnern kann, die leider nie mehr ankommen werden, auf dieser Insel für den zweiten Blick.