Im Tennis gibt es die Möglichkeit, gegen eine Wand zu spielen. Jeder Ball kommt da zurück. Manchmal wird sich Dominic Thiem im kalten Nieselregen dieses Oktobertages in Paris gedacht haben, dass der nur 1,70 Meter große Diego Schwartzman auf der anderen Seite des Platzes eine Wand ist. Oder fast zumindest. Mitunter hatte man das Gefühl, dass der Argentinier alles zurückbrachte. Jeden Ball, auf den Thiem noch so hart drosch.
Doch die angesprochenen Bedingungen – windig, kalt, nass – ließen viel der Energie, die Thiem in die Bälle legte, verpuffen. Sie gaben Schwartzman die Chance, die Bälle zu bringen. Das tat er, wie eine Wand. Manchmal unangenehm, manchmal schnell. Gut, fehlerfrei agierte auch Schwartzman gegen den offensichtlich nach den Strapazen der vergangenen Wochen angeschlagenen Thiem auch nicht. Vor allem dann, wenn er in Führung war bröckelte die Wand mitunter im Versuch, selbst initiativ zu werden.
Doch meist hielt sie stand. Meist wieselte einer der besten Freunde des Thiems schneller über den Platz, als man es annehmen mochte. Meist stand er schon dort, wo Thiem hinknallte. Thiem musste immer an die Grenzen gehen, um die Wand zu überwinden – und ging dabei mitunter auch einen Gang zu viel. So viel Benzin war nicht mehr in dem Tank, der nach dem US-Open-Sieg und dem harten Achtelfinale gegen Hugo Gaston schon fast auf Reserve lief.
65, 71, 67, 73 – das sind keine Maße, sondern es sind die Minuten, die sich die beiden in den ersten vier Sätzen behakten. Intensive Ballwechsel, nur ein Satz, der von diesen nicht ins Tiebreak ging. Nicht immer hochklassig, zu hoch war die Fehlerquote, aber immer packend. Und nach 5:08 Stunden (!) war es soweit, Schwartman verwertete seinen ersten Matchball. Bezeichnend: Der Stopp von Thiem schaffte es fast nicht mehr ans Netz. "Es war ein besonderes Match. Es war das erste Match für mich über fünf Stunden in meiner Karriere, ziemlich brutale Bedingungen, eine richtige Achterbahn-Fahrt", erzählte ein mitgenommener Thiem.
Und doch lächelte der Österreicher, als er zum Netz ging und dem Konkurrenten-Freund gratulierte. "All good – alles gut", sagte er, als er den 28-Jährigen auf die Reise in sein erstes Grand-Slam-Halbfinale sagte. Und Thiem? Scheiterte am fünften Semifinale in Paris in Folge. Aber es war ein würdevolles Scheitern. "Natürlich", sagte er, "fühle ich mich jetzt schlecht und leer, aber auf der anderen Seite habe ich absolut alles gegeben, was gegangen ist. Ich habe mir wenig vorzuwerfen."