Es steht wohl außer Frage, dass Facebook das Leben vieler verändert hat. Eher zum Guten oder zum Schlechten?
MATTHIAS KARMASIN: Auch bei Facebook bestimmt der Standort den Standpunkt. Viele sagen, Facebook hätte unser Leben positiv verändert und uns durch das Eindringen von Social Media in verschiedene Lebensräume miteinander vernetzt. Die Werbewirtschaft hat Facebook sehr angenommen – zum Leidwesen etablierter Medien.

Es gibt aber auch viel Kritik an den Social-Media-Kraken.
Facebook ist für sehr viele Menschen eine Quelle für Information zu vielen Sachverhalten geworden. Eine redaktionelle Vorsorge, dass die konsumierten Informationen eine entsprechende Qualität haben, trifft Facebook nicht.

Facebook sieht sich ja auch nicht als Medium, sondern lediglich als Plattform.
Facebook versteht sich als Intermediär, als Vermittler. Das Geschäftsmodell von Facebook ist auch nichts Verwerfliches: Es ist der Verkauf von Werbung. Werbung funktioniert besonders gut in einem möglichst angenehmen Umfeld: mit viel Resonanz und fast ohne abweichende alternative Sichtweisen. Problematisch wird es, wenn man Facebook mit einer Quelle für journalistische Information verwechselt. Doch Social Media ist für viele Menschen ein ganz wichtiger Zugangsort zu Informationen.

Wo lauern dabei die Gefahren?
Die Gefahr ist, dass Informationen nicht in der gesamten Breite gebracht werden. Ich werde nur mit Informationen, die meiner Auswahl und meinem Verhalten entsprechen, konfrontiert. Nicht, dass Journalismus keine Fehler machen würde – die gibt es so wie in jedem anderen Beruf. Aber bei Facebook gibt es, anders als im Journalismus, kein Qualitätssicherungssystem. Ein weiterer kritischer Punkt: Die Manipulationsanfälligkeit durch Social Bots und automatisierte Software. Das bietet die Möglichkeit zur Beeinflussung dessen, was in der Timeline sichtbar wird und ermöglicht das Simulieren von Zustimmung – es ist nicht sehr teuer, sich 1000 Facebook-User zu kaufen. Damit können Sie vorspielen, dass eine sehr radikale Einzelmeinung im Mainstream wäre.

Facebook gelobt auch hier Verbesserung.
Facebook versichert immer, „man arbeite daran“ – aber Debatten um Cambridge Analytica, Trump, russische Troll-Fabriken und Brexit zeigen: manipulationssicher ist es nicht.

Sind Sie auf Facebook?
Ich bin es nicht mehr. Mein Problem war die Distanzlosigkeit. Mein Kommunikationsverhalten ist dadurch geprägt, vorsichtig umzugehen. Ich beobachte Facebook unter einem Account, bei dem man nicht weiß, dass ich es tue.