"Kein Mensch kennt das Ergebnis", bekräftigt die Leiterin der Wahlkommission, Michaela Grubesa, vor Beginn der Sitzung ihres Gremiums. Man zähle aus, das Ergebnis der SPÖ-Mitgliederbefragung zur künftigen Führung der Partei wird für den späten Nachmittag bzw. frühen Abend gegen 17 Uhr erwartet. Während die abgegebenen Stimmen ausgewertet werden, lohnt sich ein Blick in die mögliche Zukunft, die der oder die Erste des Dreikampfes der Partei bescheren dürfte. Ein Überblick über die möglichen Szenarien.

Rendi-Wagner bleibt Parteichefin

Geht die Abstimmung zugunsten der aktuellen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner aus, gewinnt diese freilich "nur" die Beibehaltung ihrer aktuellen Position. Für die Partei würde sich dadurch wenig ändern, die intern durchaus umstrittene Besetzung der Parteizentrale (allen voran Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch) würde beibehalten werden. Für die mitgliederstärkste Wiener Partei wäre das ein Sieg, sie unterstützt die Parteichefin. Damit würde wohl auch am erst vergangene Woche ausgegebenen Plan festgehalten werden, der türkis-grünen Regierung die rote Zustimmung für Zwei-Drittel-Materien zu entziehen. Für die regulär für Herbst 2024 geplante Nationalratswahl würde Rendi-Wagner für die SPÖ in den Wahlkampf gehen.

Ob mit ihrem Sieg die internen Debatten um Rendi-Wagner als Chefin endgültig enden, ist jedoch äußerst fraglich. Vor allem bei einem knappen Ergebnis dürfte es schwierig werden, ihre Kritikerinnen und Kritiker langfristig zu besänftigen. Sollte Rendi-Wagner nicht auf Platz eins landen, hat sie angekündigt, sich aus der Politik zurückzuziehen. Die SPÖ müsste sich dann auch einen neuen Klubchef suchen.

Parteirebell Doskozil gewinnt

Erreicht der burgenländische Landeshauptmann und Rendi-Wagners härtester interner Kritiker Hans Peter Doskozil den ersten Platz in der Befragung, hätte das – neben einem von ihm angekündigten Umbau der Wiener Parteizentrale – auch einen politischen Kurswechsel zur Folge. Zumindest im Bereich Migration, in dem der Burgenländer mehr Härte einfordert. Zudem dürfte die SPÖ bei Sozialleistungen mit noch schärferen Forderungen bzw. im Nationalratswahlkampf mit noch größeren Versprechungen auftreten. Mit Doskozil an der Spitze könnte die Partei zudem attraktiver für die ÖVP als möglicher Koalitionspartner nach der nächsten Wahl werden. Dort gilt der Rebell als roter Realo.

Freilich hätte Doskozil aber vor allem intern einiges an Arbeit vor sich. Denn auch bei einem Austausch der Parteizentrale müsste der Burgenländer viel Wiedergutmachung in der mächtigen Wiener Partei leisten, die er mit seinen Querschüssen in den letzten Jahren mehrfach verärgert hatte. Auf ihre Unterstützung wäre er im nächsten Wahlkampf angewiesen.

Überraschungssieger Babler

Macht der Traiskirchner Bürgermeister und Bundesrat Andreas Babler das Rennen, dürfte der Partei neben einer umfangreichen Neubesetzung der Bundesparteispitze (Bundesgeschäftsführer Deutsch müsste gehen) eine deutliche Kursänderung bevorstehen. Babler würde die SPÖ deutlich mehr nach links ausrichten, vor allem beim Thema Sozialleistungen. Zudem stünde er als Spitzenkandidat im Wahlkampf vor der großen Herausforderung, zuerst landesweit seine Bekanntheit zu steigern. Das hätten seine beiden Kontrahenten nicht nötig.

Zudem hat sich Babler auch im Vorfeld der Wahl bereits festgelegt, neben der FPÖ auch nicht mit der ÖVP koalieren zu wollen. Sollte sich eine Ampel-Koalition mit Grünen und Neos nicht ausgehen, dürfte Babler die Partei in ihrer aktuellen Oppositionsrolle einzementieren.

Eine Frage der Prozente

Wie bereits erwähnt, werden neben der Reihung der Stimmen auch die jeweiligen Prozentpunkte eine entscheidende Rolle spielen. Geht die Sache knapp aus, könnten Unterlegene aufbegehren und weiterhin öffentlich querschießen. Sogar Forderungen nach einer Neuauszählung wären bei einem knappen Ergebnis möglich.

Und noch eine weitere Prozentzahl wird spannend – jene für die vierte Option auf den ausgegebenen Stimmzetteln: "Keine*r der genannten Bewerber*innen." Dies wäre eine Möglichkeit für enttäuschte Genossinnen und Genossen, ihrem Ärger über den aktuellen Dreikampf Luft zu machen. Eine verhältnismäßig hohe Zustimmung für diese Option könnte für die Partei peinlich werden.

Keine Ruhe bis zum 3. Juni

Während die Mitgliederbefragung zwar für peinliche Kandidaturen – etwa eine Giraffe und ein Mitglied der Identitären – und weiteres internes Gezänke in den roten Reihen gesorgt hatte, bescherte sie der Partei auch Tausende neue Mitglieder und durch die dadurch fällig werdenden Mitgliedsbeiträge auch 700.000 Euro für die Parteikasse. Zudem reiht sich der dadurch angestoßene Mitbestimmungsprozess ein in diese international immer beliebter werdende Form der innerparteilichen Demokratisierung.

Doch egal, wer heute als Erstes aus der Abstimmung hervorgeht, richtig entspannen kann er oder sie – außer bei einem wirklich klaren Ergebnis – noch nicht. Denn das Ergebnis der Befragung ist nicht bindend, die SPÖ-Führungsfrage wird erst am bevorstehenden "Showdown"-Bundesparteitag am 3. Juni in Linz entschieden – und zwar von den 650 Delegierten, die dort abstimmen werden. Dabei sind auch Kandidaturen abseits der oder des Erstplatzierten möglich, Babler hat bereits eine solche angekündigt, sollte niemand mehr als 50 Prozent der Stimmen erreichen. Rendi-Wagner will sich abseits von Platz eins ganz zurückziehen und Doskozil hatte versprochen, auch bei einer Stimme Rückstand nicht kandidieren zu wollen. Das glauben ihm intern aber nicht alle. Es bleibt also auch nach der heutigen Ergebnisverkündung spannend in der SPÖ.