Zur chaotischen SPÖ-Mitgliederbefragung wollen Sie sich nicht äußern. Welches Bild gibt die Partei ab?

Andreas Babler: Es ist gut, dass es einen Klärungsprozess gibt. Aber die machttaktischen Spielchen dahinter kann man nicht verbergen. Die stundenlange Vorstandssitzung zu Detailfragen und der Dilettantismus in der Durchführung, der alles ins Lächerliche zieht – das ist alles schade. Ich nehme das zur Kenntnis.

Warum sind Sie so spät ins Rennen eingestiegen? Sie wurden intern lange bekniet.

Ich habe das ausführlich mit meiner Familie und meinem Team besprochen. Am Ende war es eine persönliche Entscheidung.

Sie wollen die Partei "grundlegend aufrichten". Seit wann liegt sie für Sie am Boden?

Der Abwärtstendenz der letzten Jahrzehnte hat sich durch Dauerkrieg zwischen Doskozil und Rendi-Wagner zugespitzt. Es kam für mich der Punkt, selbst Verantwortung zu übernehmen.

Viele der 9.000 neuen SPÖ-Mitglieder sind nur für die Abstimmung eingetreten.

Da sind auch viele dabei, die ihre ruhende Mitgliedschaft reaktiviert haben. Das zeigt, welche Begeisterung ein Demokratisierungsprozess auslöst. Nun muss man schauen, dass man attraktiv bleibt und sie strukturell einbindet.

Die neuen Mitglieder werden mit Online-Sujets von Gockeln und Wiener Schnitzel begrüßt. Braucht es diese Ansprache?

Katastrophe. In der Bundespartei herrscht Chaos statt Strategie. Aber die Leute lassen sich nicht abhalten und wissen, diese Geringschätzung kommt nicht von mir.

Mit Ihnen sähe die Bundesgeschäftsstelle anders aus?

Ganz anders, ich würde radikal umbauen.

Sie wollen Ihre Partei inhaltlich nach links ziehen. Sind Sie Österreichs Bernie Sanders?

Ich bin eher Team Cortez (Anm. Alexandria Ocasio-Cortez, 33-jährige demokratische Abgeordnete aus New York). Sie feiert Wahlerfolge, tritt gegen das Establishment auf. Ich will die SPÖ stark machen. Wir haben gezeigt, dass wir motivieren – ohne PR-Beratung.

Sie „motivieren“ mit Forderungen nach Gratis-Öffis für Einkommensschwache und 32-Stunden-Woche bei vollem Lohn. Sind Sie ein Populist?

Nein, die Forderungen sind inhaltlich fundiert. Wir haben das durchgerechnet, und Studien zeigen, dass Unternehmen gute Erfahrungen mit der Viertagewoche machen. Es ist eine Frage des Respekts, arbeitenden Menschen ein Stück des erwirtschafteten Wohlstands zurückzugeben.

Wie passt die Forderung zum Umstand, dass viele Unternehmen schon jetzt ihre offenen Stellen nicht besetzen können?

Der Mangel an Arbeitskräften liegt oft an fehlender Attraktivität, psychischer Belastung und Druck des Jobs. Vor allem jene in der Pflege haben ein Recht auf weniger Arbeit, das sorgt für Mangel.

Wer soll das alles bezahlen?

Das haben wir uns bei den milliardenschweren Covid-Hilfen nicht gefragt. Ich sehe nicht ein, dass die Kleinverdiener erklären müssen, warum sie ein Recht auf diese Dinge haben. Die Besteuerung von unmoralischem Gewinn und Vermögen bringt mehr als genug Mittel.

An der Durchsetzung einer "Reichensteuer" scheitert Ihre Partei seit Jahrzehnten.

Man hat es angekündigt und ein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen. Man muss das angehen und bei der Erbschaftssteuer sicherstellen, dass es nicht jene trifft, die sich Häuser erspart haben.

Erwecken Sie den falschen Eindruck, Dinge umsetzen zu können, die wohl nur mit roter Absoluten möglich wären?

Ich glaube, dass man sich bei vielen Projekten mit anderen findet. Auch Neos haben bei allen ökonomischen Differenzen ein Interesse an steigender Arbeitsproduktivität.

Eine Ampel-Koalition ist derzeit nicht in Sicht, mit ÖVP und FPÖ wollen Sie nicht. Zementiert sich die SPÖ unter Babler in der Opposition ein?

Ich gehe davon aus, dass wir uns mehrheitstechnisch bis zur Wahl deutlich bewegen.

Sie halten die SPÖ-Absolute in Traiskirchen, wo das größte Aufnahmezentrum steht. Wie wollen Sie mit Ihrer Haltung zu Migration im Rest des Landes ankommen, in dem die FPÖ in Umfragen Platz eins belegt?

Das werden wir ändern. Man muss zeigen, dass diese Debatte von ÖVP und FPÖ strategisch gespielt wird. Eigentlich ist das Thema klein.

Die steigenden Asylzahlen 2022 beeindrucken Sie nicht?

Viele sind weitergezogen, mit jenen, die bleiben, können wir umgehen. Für mich ist es eine humanistische Frage, sich zu Asyl zu bekennen. Das muss auch die SPÖ tun. Wir haben immer wieder geglaubt, dass wir hier hart auftreten müssen. Das hat die FPÖ erst recht groß gemacht. Ich habe selbst viele Stimmen von FPÖ-Wählern bekommen. Wut ist als Stimme für die FPÖ schlecht aufgehoben. Wir müssen eine Alternative anbieten.

Nicht nur bei der Migration, auch in anderen Bereichen ist Ihre Partei tief gespalten. Wie wollen Sie diese einen?

Es braucht einen klaren Kurs, man muss sich öffentlichen Duellen mit Andersdenkenden stellen. Ich strecke allen die Hand aus, die Überwindung der Gräben wird auch personell sichergestellt.