Die EU-Landwirtschaftsministerinnen und -minister haben am Montag darüber beraten, wie sie auf die jüngste Protestwelle von Bäuerinnen und Bauern reagieren wollen. Ihr Treffen in Brüssel wurde dabei erneut von belgischen Bauerndemos begleitet. „Die Gründe für die Unzufriedenheit der Bauern sind vielfältig“, meinte der belgische Agrarminister David Clarinval bei einer anschließenden Pressekonferenz. Umweltauflagen könnten gelockert werden.

Belgische Medien berichten von teils heftigen Bauernprotesten am Montag. Der öffentlich-rechtliche Sender RTBF veröffentlichte Videos, die Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizisten zeigen. Etwa 900 Traktoren hätten sich im Europaviertel der belgischen Hauptstadt versammelt, teilte die lokale Polizei auf Twitter mit. Die Protestanten zündeten dabei Reifen an, schütteten Gülle auf die Straße und warfen Pyrotechnik gegen Polizisten. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein. Neben lautem Hupen waren immer wieder kleinere Explosionen zu hören.

Denn ein Grund für den Missmut seien eben strikte Umweltauflagen, glaubt der Politiker. Dazu komme, dass Russland Getreide als Waffe nutze, um auf den europäischen Märkten für Verwerfungen zu sorgen. „Die Union wird die Bauern in dieser schwierigen Phase nicht allein lassen“, so Clarinval.

Österreichs Agrarminister Norbert Totschnig (ÖVP), der wegen einer beruflichen Asien-Reise nicht in Brüssel ist, begrüßte im Vorfeld die Vorschläge der Kommission. „Die Bäuerinnen und Bauern brauchen Wertschätzung, Stabilität und faire Rahmenbedingungen“, teilte er in einem schriftlichen Statement mit. „Die Kommission sollte sich jetzt auf effektive Maßnahmen zum Bürokratie-Abbau fokussieren, die auch rasch bei den Bäuerinnen und Bauern ankommen.“

EU-Agrarpolitik im Wandel

Die SPÖ warnt davor, dass unter dem Stichwort „Bürokratieabbau“ auch die Rechte von „Landarbeiter:innen und Erntehelfer:innen“ abgebaut werden könnten. „Es ist uns bei den Verhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik erstmals gelungen, die soziale Frage mit dem größten Budgettopf der EU zu verknüpfen. Das darf jetzt nicht infrage gestellt werden. Wer Menschen illegal beschäftigt, darf keinen Wettbewerbsvorteil haben“, sagt der SPÖ-EU-Abgeordneter Günther Sidl in einer Aussendung.

Ähnlich äußerte sich auch die Arbeiterkammer (AK): „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Rechte der Landarbeiter:innen quasi unter die Räder der demonstrierenden Traktoren kommen, weil die Bauernproteste dazu genutzt werden, wirksame Maßnahmen der gemeinsamen Agrarpolitik zu verschieben oder gar abzuschaffen“, so Tobias Schweitzer der AK Wien in einem Statement.

Die Kommission hatte am vergangenen Donnerstag vorgeschlagen, die Zahl der Kontrollbesuche bei Landwirtschaftsbetrieben annähernd zu halbieren. Stattdessen soll die Kontrolle über Satellitenbilder verbessert werden. Regeln, wonach keine Strafen an Betriebe verhängt werden, die Umweltauflagen wegen Klimakatastrophen wie Dürren oder Überflutungen nicht einhalten können, sollen zudem vereinheitlicht und ihr Gebrauch vereinfacht werden.

 Lockerung von Standards und Bauernproteste

Mittelfristig sollen bei kleineren Betrieben mit weniger als 10 Hektar Land die Umweltstandards gelockert werden. Bereits jetzt hat die Kommission Brachlandregeln für ein weiteres Jahr ausgesetzt. Bis Mitte März will die Brüsseler Behörde auch die Regeln zur Dauergrünlanderhaltung lockern.

Kritik daran kam von Umweltorganisationen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen seien ein „gefährliches Zugeständnis an die Agrarindustrie“ und werden „kleine Bäuer:innen weiter in eine Sackgasse treiben“, kritisiert die Landwirtschaftssprecherin von Global 2000, Brigitte Reisenberger, in einer Aussendung. „Die Auswirkungen der Klimakrise werden sich verschärfen, dieser Abbau von Standards ist ökologisch fahrlässig – dafür werden Bäuerinnen und Konsument:innen später teuer bezahlen müssen. (...) Es ist dringend erforderlich, intensiv darüber nachzudenken, wie Bäuer:innen durch den Erhalt und die Förderung von Biodiversität und Klimaschutz auch wirtschaftlich profitieren können.“