Schnellen Schrittes gehen Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) zum gemeinsamen Pult und blicken in die Reihen der anwesenden Presse. Es ist der erste Auftritt des Duos nach dem Ministerrat seit Anfang September. Abgebrochene Verhandlungen zur geplanten Arbeitsmarktreform, gegensätzliche Ansichten im Asylbereich und ein Energieeffizienzgesetz, das auf sich warten lässt, hatten der Koalition den Ruf einer zerstrittenen Zweckgemeinschaft im Stillstand eingebracht. Ein Eindruck, dem die Parteichefs kurz vor Weihnachten entgegentreten wollten.

Von einer "Vertrauenskrise" könne keine Reden sein, erklärt Nehammer. "Diese Regierung hat in drei Jahren mehr weitergebracht, als viele Regierungen davor." Man habe bereits zwei Drittel des türkis-grünen Programmes abgearbeitet – "und das in Krisenzeiten". Nehammer sei schon Zeuge vieler Koalitionen gewesen – "so ein vertrauensvolles Miteinander bei aller Unterschiedlichkeit habe ich davor nicht erlebt". Ein Loblied, in das auch Vizekanzler Kogler einstimmt. "Es gibt keinen Stillstand", man sei zuversichtlich, weil viel gelungen sei.

Türkis-grüne Liste der "Errungenschaften"

An Beispielen mangelt es den beiden nicht. Ein Überblick.

  • Energiekrise
    Nach Ausbruch des Ukraine-Krieges sei die Sorge groß gewesen, dass für den Winter nicht genug Gas eingelagert werden könnte. Diese Einlagerung sei aber gelungen, ebenso wie die Reduktion der Abhängigkeit von Russland.

  • Hilfspakete
    Man habe milliardenschwere Hilfspakete auf den Weg gebracht, unter anderem gegen die Teuerung, die Inflation und steigende Energiepreise.

  • Aus für Kalte Progression
    Ebenso wie die ökosoziale Steuerreform handle es sich hier um umfassende Strukturreformen, von denen andere Regierungen zuvor laut Kogler "nur geredet" haben.

  • Mehr Budget
    Für Kindergärten, Pflege, Forschung und Sicherheit – Stichwort Bundesheer – wurde mehr Budget beschlossen. Auch die ökosoziale Steuerreform und die Abschaffung der Kalten Progression seien "Errungenschaften" gewesen.

Vor allem "der Vergleich mit anderen EU-Ländern und unseren Nachbarn" stimme Kanzler Nehammer zuversichtlich, in "dieser Phase der Bewährung" habe man einen Einbruch bei Wirtschaft und Konsum verhindern können.

Was noch heuer kommen soll

Auch in naher Zukunft solle es laut dem Duo mit dem Durchbringen von Großprojekten weitergehen.

  • Energiekostenzuschuss II.

    Heute werden Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) und Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) Details zur zweiten Stufe des Energiekostenzuschusses verkünden. Dieser soll auch energieintensive Unternehmen im Hinblick auf den deutschen Energie- und Gaspreisdeckel stützen.

    Auch das lange erwartete Energieeffizienzgesetz soll heute präsentiert werden. Seit zwei Jahren gab es hier keine Einigkeit. Das Gesetz macht verbindliche Vorgaben, um die Energieeffizienz zu steigern und den Energieverbrauch zu senken.

"Weihnachtsfrieden"

Aktuell sei "die Stimmung in unserem Land heute eine ganz andere", erklären Kanzler und Vizekanzler am Vormittag. Die Diskussionen seien rauer geworden, Kogler räumt ein, dass bei der Vielzahl an Entscheidungen "auch Fehler passieren können". Schlimmer sei es aber, keine zu treffen. Laut Nehammer werde man sich Kritik und Debatten aber weiter stellen und "die Hand ausstrecken".

Das werde man auch in Richtung Koalitionspartner tun, wird nach dem Auftritt in beiden Parteien betont. Von schlechter Stimmung will man nichts wissen, es sei eine Art von "Weihnachtsfrieden" eingekehrt. Wie lange dieser anhalten wird? Darüber wolle man nicht spekulieren.

Harsche Kritik von der Opposition

Bei der Opposition sorgte der demonstrierte "Weihnachtsfrieden" für wenig Freude. Von Eigenlob und Show sprach SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch in einer Aussendung. "Die Nehammer-Regierung hat heute vor laufenden Kameras den Beweis erbracht, dass sie in einer völlig abgehobenen Parallelwelt lebt und längst jeden Kontakt zur Bevölkerung verloren hat." FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz sah eine "unglaubliche Mischung aus himmelschreiender Abgehobenheit und totaler Realitätsverweigerung".  Und Generalsekretär Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ließ wissen: "Die Regierung kann sich noch so sehr in die eigene Tasche lügen, in Wahrheit geht unter Türkis-Grün genau gar nichts weiter."