"Ich weiß nicht, was in Afghanistan aus mir geworden wäre. Aber sicher nichts Gutes", sagt Shahir Azizi. Der 26-Jährige ist seit 2018 österreichischer Staatsbürger, mit einer abgeschlossenen Hochbaulehre in der Tasche und stolz darauf, was er seit seinem 14. Lebensjahr geschafft hat. Damals, 2010, entschied sich Azizi zur Flucht aus seinem Geburtsland. Allein, ohne Familie.

"Die Taliban waren hinter mir her. Sie rekrutieren viele Jugendliche." Shahir Azizi lief davon – wortwörtlich. Den Großteil der Flucht nach Europa legte er als Kind zu Fuß zurück. Insgesamt marschierte er rund 3000 Kilometer, bis er nach einem Jahr und drei Monaten in Österreich landete. Wenn das Geld knapp wurde, legte er Stopps ein, um zu arbeiten und Geld zu verdienen. "Ich kaufte immer nur das Notwendigste, um für die Weiterreise zu sparen."

Bewerbungsmarathon

In Serbien schließlich vertraute er sich einem Schlepper an, der ihn nach langer Fahrt im Lkw in Österreich absetzte. Stunden, Tage, Monate, die Azizi nie vergessen wird. Aber: "Sehr viele Menschen, vor allem Kinder, erleben das", relativiert er. In Österreich kam der "unbegleitete minderjährige Flüchtling" für sechs Wochen nach Traiskirchen und dann in eine Unterkunft nach Graz. Hier absolvierte er das Polytechnikum und arbeitete danach als Fahrradmechaniker bei Bicycle. Den Job verlor der Jugendliche zwar nach einem Jahr wieder und eine zähe Lehrstellensuche setzte ein. "Ich schrieb unzählige Bewerbungen, aber es kamen nur Absagen."

Um nicht untätig zu sein, bot er sich dem Roten Kreuz an. Eine glückliche Fügung, denn dort vermittelte man ihm einen Ausbildungsplatz beim Bauunternehmen Porr. 2018 absolvierte Azizi die Lehrabschlussprüfung. "Für uns ist er ein Glücksfall", schwärmt Oliver Erat, Personalverantwortlicher bei der Porr. "Shahir ist fachlich gut, verlässlich und mit hoher sozialer Kompetenz ausgestattet. Wir wollen, dass er die Polierschule besucht und Vorarbeiter wird."

Die Familie kam nach

Azizi erzählt, dass er "eigentlich IT-Experte werden wollte, aber als Porr mir die Chance gegeben hat, habe ich sofort zugegriffen". Höhen und Tiefen habe er in der Ausbildung erlebt, so wie in den Jahren davor. "Aber ich habe nie aufgegeben. Dabei hätte ich nicht geglaubt, dass ich je so weit komme. Seit einem Jahr bin ich Vorarbeiter auf Probe. All die Schwierigkeiten treiben mich an." Das Happy End? Eltern und Geschwister durften nach Österreich nachkommen, "alle haben Arbeit oder sind in Ausbildung". Und seit neun Monaten ist Azizi Vater.