Nach 20 Jahren als Landesrat muss Hans Seitinger auf Anraten seiner Ärzte aufhören. Seine Agenden übernimmt EU-Parlamentsabgeordnete Simone Schmiedtbauer (49). Zum Wechsel in den Nationalrat "überredet" wurde Juliane Bogner-Strauß, die Pflege und Spitals-Agenden übernimmt Bundesrat und Arzt Karlheinz Kornhäusl (41). Der wird mit 33 von 47, Schmiedtbauer mit 31 von 47 Stimmen gewählt.

Die ersten Reden

Kornhäusl hält seine erste Rede als Landesrat, Anleihen an Drexler oder Schützenhöfer sind wohl kein Zufall. "Ob Arbeit im oder am System: Es ist immer eine Arbeit für die Menschen." Ihm gehe es "um Zuwendung, da zu sein und zuzuhören". Strukturen, Geld und Prozesse müssten einem Ziel folgen – dem Wohl der Menschen.  

Er kündigte an, "Baustellen abzuarbeiten", aber das werde Zeit brauchen. Konkret wird er kaum - die überbordende Dokumentationspflicht sei zu verringern, er möchte die Zusammenarbeit aus niedergelassenen Ärzten und Spitälern fördern. In der Pflege will er "den steirischen Weg" fortsetzen - der Fokus liege im Ausbau der Hauskrankenpflege, der nächste Bedarfs- und Entwicklungsplan würde darauf abzielen.

Simone Schmiedtbauer singt bei ihrer Premiere auf der Regierungsbank zunächst ein Loblied auf die "kulinarische Schatzkammer Österreichs", die ohne die Bäuerinnen und Bauern nicht möglich wäre. Inhaltlich ist von ihr wenig zu erfahren. "Ich werde das Lebensressort weiterhin mit Leben erfüllen", kündigt sie an. Ihr Ziel sei es, die Steiermark voranzubringen und sicherzustellen, "dass unsere Heimat weiterhin der lebens- und liebenswerte Ort bleibt, der sie ist." Sie streift noch kurz ihre weiteren Zuständigkeiten wie dem Wohnbau: Wohnen müsse auch in Zukunft hochwertig und trotzdem leistbar bleiben. Als Europaabgeordnete habe sie auch eine Perspektive von außen und wisse daher: "Es sieht gut aus in der Steiermark."

Zum Start der Sitzung wird der neue Bundesrat und Kornhäusl-Nachfolger gekürt: Günther Ruprecht - ein "vorbildlicher Sozialpolitiker", lobt Klubchefin Barbara Riener.

Bogner-Strauß: "Gehe nicht, weil es schwierig war"

Nun nimmt Bogner-Strauß Abschied: "Ich gehe sicher nicht, weil es schwierig war. Das wäre sonst drei Monate nach meinem Amtsantritt passiert", nennt sie die Pandemie als "größte Herausforderung meiner Generation." Ihr wurde bald klar, ich "musste das Gesicht zur Krise sein".

Viele Entscheidungen während der Pandemie "waren richtig, viele auch falsch". Etliche Gewissheiten hätten sich während der Pandemie aufgelöst. "Schwächen wurden gnadenlos offen gelegt, vor allem in der Gesundheit und der Pflege." Die Kinderbetreuung nicht zu vergessen.

Die scheidende Landesrätin ruft zu mehr Solidarität auf: "Das eigene Wohlergehen ist nicht das Maß aller Dinge." Es gehe "nicht allein ums Geld, sondern um Vertrauen, Hilfsbereitschaft und Solidarität. Die Schreier sind an den Rändern zuhause, dahinter lauert der Abgrund." Als sie sich bei vielen Begleitern, Kollegen und Freunden bedankt - (nicht aber bei LH Drexler) -, sind die Tränen nicht mehr zu halten. "Es war mir eine Ehre", schließt Bogner-Strauß mit gebrochener Stimme.

Klubobfrau Barbara Riener verabschiedet Juliane Bogner-Strauß
Klubobfrau Barbara Riener verabschiedet Juliane Bogner-Strauß © KLZ

Seitinger: "Habt Mut, Zuversicht - ihr werdet mir fehlen"

"Ich habe so viele Menschen getroffen und Freundschaften geschlossen", sagt Hans Seitinger und lässt seinen Dank weite Kreise ziehen: zu allen seinen Landeshauptleuten, seinem Büro ("einer Eliteeinheit"), den Landespolitikern und der Opposition. "Gute Kompromisse zu finden, ist der Kern der Demokratie und nicht einfach." Gerade angesichts der Krisen zeige sich wieder der Wert eines respektvollen Miteinanders im Kleinen. Zu seinen schönsten Momenten zählte: Helfen zu wollen und zu können.

Seinen "Piloten" zollt er ebenso Respekt - mit den Fahrern Wolfgang Schützenhöfer, Otto Baumgartner, Hans Schmid, August Hütter  verbrachte "ich in zwei Jahrzehnten mehr Zeit als mit meiner Familie." 
Der Preis dafür war nicht gering: "Wenn der Motor überhitzt ist, sind die Schäden und Reparaturkosten hoch. Das fühle ich bei mir jetzt." Er bittet: "Vergesst nicht, auf euch selbst zu schauen. Habt Mut, Zuversicht - ihr werdet mir alle fehlen."

Es gibt stehende Ovationen: Auch aus den Rängen, wo etwa Stadtrat Kurt Hohensinner, Günter Dörflinger, Aufsichtsratschef der Kages, Bauernbund-Spitze Franz Titschenbacher, Energie-Vorstand Christian Purrer und WB-Kurt Egger sitzen.  

Standing Ovations für Seitinger

Erst Lob, dann Tadel

Nun sind die Klubobleute der Opposition am Wort. Mario Kunasek zollt den scheidenden Regierern Respekt. "Vorwärts mit frischem Mute", verabschiedet er Seitinger militärisch, Bogner-Strauß werden später Blumen überreicht. Die neuen Landesräte werde die FPÖ nicht mitwählen, kündigt der FPÖ-Klubobmann an. "Kontinuität und Stabilität sieht anders aus", verweist er auf die zahlreichen Wechsel in der laufenden Legislaturperiode. Die Freiheitlichen stehen für Neuwahlen im Land.
Auch die beiden Neos-Stimmen bekommen die Neuen nicht. Klubobmann Niko Swatek hinterfragt den Modus der Angelobung. "Wäre es nicht klüger, wenn sich neue Regierungsmitglieder vor der Angelobung einem öffentlichen Hearing stellen, damit auch die Abgeordneten sehen, ob ihre Ziele und Visionen dieselben sind."

Sandra Krautwaschl (Grüne) klärt schnell: "Wir geben kein Vorschuss-Vertrauen." Die Herausforderungen seien so groß und der Zeitraum sehr kurz. Auch Kornhäusl wird von den Grünen nicht gewählt. "Ich höre nichts, wie wir beim Pflege- und Betreuungsgesetz endlich weiterkommen."    

Claudia Klimt-Weithaler (KPÖ) wünscht Seitinger, dass er "diese furchtbare Sache überwinden" und wieder gesund wird. Man werde Schmiedtbauer mitwählen, obwohl das Ressort beinahe doppelt so groß ist wie vorher - die Landesrätin erbt Familien/Frauenbereich von Bogner-Strauß. Auch Kornhäusl wird die KPÖ mitwählen. "Wir hoffen, dass du unsere Vorschläge nicht als lästige Kritik verstehst." 

Hannes Schwarz (SPÖ) wünscht sich "nicht nur bei Abschieden, die Wertschätzung und Menschlichkeit zu betonen, sondern im Alltag." Die SPÖ wähle natürlich die neuen Landesräte. 

"Ein besonderer Mensch"

LH Christopher Drexler verlässt zu Beginn seiner Wortmeldung "die kleine steirische Welt", um den "hinterhältigen, feigen und barbarischen Terroranschlag" in Israel zu verurteilen. Dass dies auch alle Klubobleute in einer gemeinsamen Erklärung getan haben, hebt er besonders hervor. In Richtung Seitinger sagt er: "Hier übergibt nicht nur ein Politiker sein Amt, hier übergibt ein besonderer Mensch eine Lebensaufgabe."  Bogner-Strauß dankt er für "ihren enormen Einsatz in den letzten vier Jahren."

Dann geht es zur geheimen Abstimmung. Der Landtag wählt zunächst mit 33 Stimmen (14 Gegenstimmen) Karlheinz Kornhäusl zum neuen Regierungsmitglied. Überraschung: Schmiedtbauer bekommt zwei Stimmen weniger als ihr Kollege. Beide nehmen die Wahl an und werden in einer kurzen Regierungssitzung vom Landeshauptmann angelobt.

Drexler: "Hier übergibt nicht nur ein Politiker sein Amt, hier übergibt ein besonderer Mensch eine Lebensaufgabe."
Drexler: "Hier übergibt nicht nur ein Politiker sein Amt, hier übergibt ein besonderer Mensch eine Lebensaufgabe." © APA/ERWIN SCHERIAU