Urgestein, Routinier, Grandseigneur - so, oder ähnlich, werden die alten Weisen der verschiedensten Bereiche gerne betitelt. Also Wissende, die allein aus ihrem Erfahrungsschatz, oder im Fachjargon aus ihrem Know-how heraus, zumeist richtige Wege einschlagen. Natürlich beinhalten diese „Ehrentitel“ auch eine gewisse biologische Uhr, die irgendwann einmal abläuft.
Franz Tost ist zu den Weisen der Formel 1 zu zählen. Der heute 67-Jährige stammt aus Tirol (Trins), seine Heimat ist aber der Red Bull Ring. „Da habe ich meine ersten Schritte getan, meine ersten Gehversuche im Motorsport. Bei der Lechner Racing School“, sagt er. Er war nämlich selbst einmal Rennfahrer, gewann sogar einmal die österreichische Formel-Ford-Meisterschaft (1983).
Tost studierte Sportmanagement und wechselte bald auf die andere Seite der Boxenmauer. Mit stetigen Aufstieg über die Formel 3 in die Formel 1 (Manager bei BMW). Und 2006 wurde er zur damaligen Scuderia Toro-Rosso berufen. „Ich verdanke Dietrich Mateschitz eigentlich alles. Dafür, dass er mir die Chance gegeben hat, so lange ein Formel-1-Team zu führen“, meint Tost. Er hatte die Rolle des Oberlehrers, mit Alpha Tauri (oder früher Toro Rosso) die Red Bull Junioren in die hohen Weihen des Sports einzuführen, die Jungen zu formen, zu prägen - ungeschliffenen Edelsteinen Brillanz zu verleihen. So musste das B-Team immer wieder die besten Piloten abgeben: wie Sebastian Vettel, wie Max Verstappen, wie Carlos Sainz oder Pierre Gasly.
Aus der einstigen Minardi-Masse hat Franz Tost ein etabliertes Team geformt. Mit Vettel (2008) und Gasly (2020) zwei Siege gefeiert, beide Male in Monza. Und einen Max Verstappen musste sein Team noch 2015 zu den Rennen fahren, weil der jungen Niederländer damals noch nicht einmal einen Führerschein gehabt hatte, WM-Punkte in der Formel 1 sammelte der Max trotzdem schon.
Seinen Abschied aus der Formel 1 nimmt Franz Tost heute recht nüchtern. Ohne auch nur eine Träne im Auge zu haben. „Es war für mich zweifelsohne der großartigste Lebensabschnitt. Und für mich gilt es jetzt, das Team ordentlich, vor allem aber auch erfolgversprechend zu übergeben“, gibt Tost zu. Die Kritik nimmt er durchaus ernst, seine Fahrer nimmt er in Schutz. „Es liegt an uns, ihnen ein entsprechendes Auto zur Verfügung zu stellen, mit dem Sie in die Punkte fahren können.“
Zwei Chefs ab 2024
Alpha Tauri ist lange zum Verkauf angeboten worden, daraus wurde nichts, jetzt soll man noch näher an Red Bull heranrücken. „Wir bauen gerade an einem größeren Werk in England, ohne aber den Standort Faenza aufzugeben. Wir wollen aber jeden Mitarbeiter die Möglichkeit geben, dort zu arbeiten, wo es am besten passt. Man kann in der Formel 1 fast alles kaufen, nur nicht die Zeit“, erklärt der Österreicher.
Das gilt vor allem auch für seine Nachfolger. Denn Alpha Tauri, oder wie es auch immer in Zukunft heißen mag, wird von einem Duo geführt werden. Von Ferrari kommt als Teamchef Laurent Mekies. Der Franzose war schon in den Anfangsjahren von Toro Rosso 2006 der Chefingenieur. Und Geschäftsführer wird der ehemalige FIA-Generalsekretär und IOC-Manager Peter Bayer aus Vorarlberg.
Le Mans war elektrisierend
Die Formel 1 war für Franz Tost der Gipfel des Sports, „obwohl ich mir gerne jedes MotoGP-Rennen anschaue.“ Und Le Mans hat ihn heuer wirklich elektrisiert. „Ich hab’s 17, 18 Stunden ang’schaut. Und ich war fasziniert, als Sonntagvormittag zwischen dem führenden Ferrari und der Konkurrenz nur wenige Sekunden lagen. Ich glaube, die World Endurance Championship wird uns in den nächsten Jahren viel Spaß bereiten.“
Motorsport abseits von fixen Rennstrecken verfolgte er weniger. „Außer einmal den Röhrl Walter bei der Semperit-Rallye mit dem Quattro S1. Da bin ich mit einem Moped alle Prüfungen abgefahren, nur um den Röhrl in dem sagenhaften Auto zu sehen. Das Schalten, die Geräusche, der reine Wahnsinn.“
Und was macht Franz Tost ab dem 1. 1. 2024? „Das ist noch nix fix. Vielleicht bleibe ich in beratender Funktion.“ Nach Spielberg wird er weiterhin kommen. Eine Heimat verlässt man nicht so schnell . . .