Verschnörkeltes, Verspieltes, Florales – Stilelemente der Architekturrichtungen um die Jahrhundertwende in Europa – mögen nicht unbedingt das sein, was im touristengängigen Triest zuerst ins Auge springt. Ist doch der Baustil des Zentrums, insbesondere des „Borgo Teresiano“, der Theresienvorstadt, rund um den Canal Grande von großer Funktionalität und Geradlinigkeit geprägt. So wollte es Kaiserin Maria Theresia als solide Basis für ihre blühende Handelsstadt, die sich aus dem von ihrem Vater Karl VI. 1719 ausgerufenen Freihafen entwickeln sollte.

Mit etwas Augenmerk auf Seitenwege und stetigem Blick nach oben wird der Zeitsprung vom neoklassizistisch und eklektisch geprägten Triest in den Jugendstil, als Ausdruck des bedeutenden demografischen und wirtschaftlichen Aufschwungs der Stadt um die Jahrhundertwende, vollzogen.

Am besten dort, wo man für gewöhnlich nicht unbedingt spaziert. „Die Facettenvielfalt des Jugendstils in Triest ist wie ein Abbild der Multikulturalität der Stadt. Die Einflüsse kamen aus ganz Europa, besonders prägend waren jene der Otto-Wagner-Schule, der Wiener Secession und natürlich des Liberty, der italienischen Version des Jugendstils, mit besonders verschnörkelten und blumigen Ausprägungen“, lässt Guide Paola Alessandra Alzetta wissen.

Stadtführerin Paola Alessandra Alzetta – hier im berühmten Caffè San Marco
Stadtführerin Paola Alessandra Alzetta – hier im berühmten Caffè San Marco © RRK

Wo ein Faun Flöte spielt

Mit dem liberaleren Baustil ging auch revolutionäres Gedankengut einher, das von offiziellen Stellen und damals auch noch habsburgischen Obrigkeiten nicht gerne gesehen wurde. So kam es, dass hauptsächlich private Auftraggeber hinter baulichen Jugendstiljuwelen steckten. Heute sind sie zumeist noch als Wohnhäuser genutzt.

In der Via Commerciale, just vor dem „Gespenst“ der berühmten Straßenbahn nach Opicina, die hier bereits seit Jahren im Dornröschenschlaf liegt, posieren gleich drei Prachtexemplare in einer Reihe. Es sind die Häuser des dalmatinischen Architekten Giorgio Zaninovich, Schüler Otto Wagners, der seine sezessionistischen Ambitionen nicht nur mit Sonnenblumen, Rosen und Co blütenreich auslebte. Auf dem Balkon der „Casa Valdoni“, dem „Haus des Fauns“, liefert er dem Betrachter mit einem flötenspielenden Waldgeist, Kinderpaaren und einer etwas zermürbt wirkenden Nymphe die Szenerie einer Naturlandschaft mythologischer Ausprägung.

Das Haus Bartoli an der Piazza della Borsa
Das Haus Bartoli an der Piazza della Borsa © Gabriele Crozzoli

Grünes Juwel

Einen Steinwurf davon entfernt wirkt der slowenisch-italienisch-österreichische Architekt der Jahrhundertwende, Max Fabiani, mit seinem Bau des „Narodni Dom“, dem einstigen Volkshaus der Slowenen, doch nüchterner. Gerade einmal das Portal mit dem typischen Symbol eines Bienenkorbs und Masken verrät den Jugendstil des 1920 von Faschisten niedergebrannten, später wiederaufgebauten Gebäudes.

Doch Fabiani punktet noch an einer anderen, prominenten Stelle: Umgeben von Neoklassik, posiert das Haus Bartoli als „grünes Juwel“ an der Piazza della Borsa. Die vom Auftraggeber angeordneten bombastischen Blätterornamente geben ihm eine wunderbare Jugendstilnote.

Ein frisch restauriertes Haus vom Reißbrett Umberto Fondas
Ein frisch restauriertes Haus vom Reißbrett Umberto Fondas © RRK

In neuem, alten Glanz

„Ist das eine schöne Überraschung“, freut sich Paola vor der frisch restaurierten Fassade eines Wohnhauses in der Via San Francesco D’Assisi. Es ist eines der vielen Werke, die Umberto Fonda, der treue Otto-Wagner-Schüler, der auch in Graz lernte, in Triest erbaute. Dank einer EU-Altbau-Förderungsinitiative werden peu à peu auch Jugendstiljuwele aus ihrer grauen Lethargie befreit.

So auch kürzlich das „Zuckerbäckerhaus“, das in der Via Giulia in pistaziengrüner Liberty-Manier des Architekten Giovanni Maria Mosco erstrahlt. Sein hochgepriesenes Meisterwerk „Casa delle Maschere“ erstrahlt seit Kurzem auch in neuem Glanze. Und bald auch dessen angebliche Inspirationsquelle, die Casa Viviani-Giberti in der Viale XX Settembre, die noch eingerüstet ist. Architekt Sommaruga wurde aufgrund der kühnen, nackten Damenfiguren im prüden Mailand abgelehnt, Triest nahm ihn mit offenen Händen auf.

Genug von „Kopf hoch!“: Genickerholung in einem der wohl schönsten Jugendstilcafés Europas ist nun angesagt. Im Caffè San Marco, dort, wo seit über 100 Jahren Literaten, Künstler und Freidenker jeglicher Genres in ihrem Stil genießen.