Mit einem Friedensplan will Kiews feierlich ins Amt eingeführter Präsident Petro Poroschenko Ruhe in die von blutigen Kämpfen erschütterte Ostukraine bringen. In seiner mit Spannung erwarteten Antrittsrede beschwört der 48-Jährige mit der Krawatte in den Nationalfarben Blau und Gelb die Einheit des Landes - und betont den Kurs der Ex-Sowjetrepublik in die EU, trotz des Widerstand Russlands.

Drohungen werden vermieden

Über den Nachbarn Russland - nach dem Anschluss in der Schwarzmeerhalbinsel Krim international als Aggressor in der Kritik - äußert sich der Staatschef zurückhaltend. Zwar beendet Poroschenko zunächst nicht - wie von Russland gefordert - den Militäreinsatz in der Ostukraine, er verhängt aber auch nicht - wie von seinem Umfeld in Kiew empfohlen - das Kriegsrecht in den umkämpften russischsprachigen Gebieten Donezk und Lukansk. "Ich will keinen Krieg", sagt Poroschenko. Der in seinem Land wegen seiner Süßwarengeschäfte auch "Schoko-Zar" genannte Milliardär meidet großspurige Drohungen in Richtung Moskau.

Kein Wort von einem möglichen NATO-Schutz für das Land, sehr wohl aber der unbeirrte Blick nach Westen: Poroschenko will schon Anfang 2015 Visafreiheit für seine Landsleute erreichen, bald den von Russland kritisierten Assoziierungsvertrag mit der EU unterschreiben - und überhaupt so schnell wie möglich Mitglied in der Union werden.

Die Erwartungen an den Oligarchen sind hoch, dass er die Ex-Sowjetrepublik tatsächlich auf Westkurs bringt. Das zeigen auch die vielen Gespräche des zuletzt noch nicht einmal ins Amt eingeführten Milliardärs mit Kanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama. Nun hat der Hoffnungsträger des Westens endlich auf die Verfassung geschworen. Und mancher spricht an diesem sommerlich heißen und sonnigen Tag von Aufbruchstimmung. Gäste aus mehr als 50 Ländern sind gekommen, auch Bundespräsident Heinz Fischer.

Frieden für die Ostukraine, die Rückholung der von Russland annektierten Krim, der EU-Beitritt sind die Eckpunkte von Poroschenkos Außenpolitik. Mehrfach erheben sich die Gäste, darunter Vertreter vieler Religionen, zu Ovationen. Selten scheinen die Abgeordneten, die nahezu vollständig im Saal sind und sonst Debatten gern auch mal mit Faustkämpfen austragen, so geeint.

Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko, die Verliererin der Präsidentenwahl, sitzt in der Besucherloge. Noch 2010 boykottierten viele Abgeordnete die Amtseinführung des damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch, der nach seinem Sturz im Februar nun im russischen Exil lebt.

Emotionaler Moment für Ukraine

Ein Trachtenchor singt ukrainische Lieder. Der Schlachtruf des Maidans, des Protestplatzes im Herzen von Kiew, wo die proeuropäische Revolution im November ihren Anfang nahm: "Ruhm der Ukraine!" ruft Poroschenko und "Ehre den Helden!" antworten die Abgeordneten im Saal. Wie Poroschenko allerdings die schweren wirtschaftlichen und sozialen Probleme der vor dem Bankrott stehenden Sowjetrepublik lösen will, ist aber nicht herauszuhören.

Es ist ein emotionaler Moment für die Ex-Sowjetreplik, die im größten Chaos seit ihrer Unabhängigkeit auf bessere Zeiten hofft. Um seinen Friedensplan in der Ostukraine umzusetzen, müsse Poroschenko mit Kremlchef Wladimir Putin zusammenarbeiten, mahnt der Politologe Dmitri Trenin vom Moskauer Carnegie Center. Auch ein Streit um den Preis für russische Gaslieferungen und Milliardenschulden Kiew bei Moskau belastet die Beziehungen weiter.

Putin hat ein erstes Treffen mit Poroschenko am Freitag in Frankreich hinter sich und wartet nun ab. Russland verlangt weiter ein Ende des Militäreinsatzes mit Panzerfahrzeugen und Kampfjets in der Ostukraine, damit ein Dialog zwischen der Machtzentrale in Kiew und der russisch geprägten Bevölkerung in Gang komme.

Wie schon bei seinem Wahlsieg vor zwei Wochen kündigt Poroschenko - nach all seinen Westreisen - erneut einen Besuch im Krisengebiet an. Er verspricht als Kern seines Friedensplans mehr Rechte für die russischsprachige Minderheit.

Einen Reisetermin nennt er aber nicht. Der von Kiew eingesetzte Chef der Donezker Gebietsadministration, Sergej Taruta, meint, dass die Reisepläne unklar seien. "Ihm muss die Sicherheit garantiert werden. Bis jetzt ist das schwer", mahnt Taruta. Die von den prorussischen Kräften geführte Parallelregierung in Donezk lässt indes nur wissen, dass Poroschenko zum Dialog nicht erwartet werde.