Nachdem Grigoris Apostolopoulos zum zweiten Mal durch die Fahrprüfung gefallen war, aus nichtigem Anlass, wie der 20-Jährige fand, wurde es ihm zu dumm: Als vier Wochen später die nächste Fahrt anstand, händigte er seinem Fahrlehrer einen Briefumschlag mit 200 Euro aus. Das half. "Alles in Ordnung", teilte der Fahrlehrer dem Prüfer mit. Im dritten Anlauf bekam Grigoris seinen Führerschein.

Ob es um die Fahrprüfung geht, um eine Baugenehmigung oder eine Operation in einem staatlichen Krankenhaus: Nach wie vor läuft fast nichts in Griechenland ohne "fakelaki". So nennt man den mit Banknoten gefüllten Briefumschlag, mit dem man sein Anliegen voranbringen kann. Griechenland ist in der Wahrnehmung seiner eigenen Bürger das korrupteste Land Europas. So steht es im jüngsten Korruptionsbericht der EU.

Das durchschnittliche Schmiergeld beläuft sich in Griechenland auf 1406 Euro. Die Angabe stützt sich auf Umfragen und ist ein statistischer Mittelwert. In der Praxis kann es weniger, aber auch sehr viel mehr sein. So reicht die Spanne bei der Fahrprüfung von 40 bis 500 Euro. Wer nicht ewig auf seine Baugenehmigung warten will, muss das "fakelaki" mit 200 bis 8000 Euro füllen. Um auf der Warteliste, die in den staatlichen Kliniken für Operationen geführt wird, nach vorn zu rücken, muss man dem Chirurgen ebenfalls einen Umschlag in die Kitteltasche stecken. 100 Euro, aber auch Schmiergelder von 30.000 Euro wurden nach Angaben der Betroffenen bereits gezahlt. Man spricht von einem "grigorosimo", was übersetzt etwa "Beschleuniger" heißt.

Der jüngste EU-Bericht erfasst allerdings nur die Alltagskorruption. Um eine ganz andere Größenordnung geht es bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und bei Rüstungsprogrammen. So soll Siemens in Griechenland seit den 1990er Jahren mit dreistelligen Euro-Millionen lukrative Aufträge an Land gezogen haben. Ex-Verteidigungsminister Akis Tsochatzopoulos, der bei der Beschaffung russischer und deutscher Waffensysteme Schmiergelder von 50 Millionen Euro kassiert haben soll, verbüßt eine 20-jährige Haftstrafe.

"Transparency International" bescheinigt Griechenland Fortschritte beim Kampf gegen die Korruption. So konnte sich das Land vergangenes Jahr in der Weltrangliste von Platz 94 auf Platz 80 vorarbeiten. Aber nicht alle Maßnahmen greifen. So müssen seit einiger Zeit zwei Prüfer gemeinsam die Fahrprüfungen abnehmen - "um Bestechung zu erschweren", wie es offiziell heißt. In der Praxis hat das aber zu einem Anstieg der Schmiergeldtarife geführt - weil sich nun zwei das Geld teilen müssen.