Sie hat es mit dem Pferden. Auf dem Vorgänger „Renaissance“ thronte Beyoncé in spärlicher Bekleidung auf einem leuchtenden Glaspferd, auf dem heute veröffentlichten neuen Album „Cowboy Carter“ sitzt sie als All-American-Cowgirl fest im Sattel, in der Hand die US-Flagge. Das Outfit passt natürlich, ist doch der neue Streich des Superstars angeblich ein Country-Album. Nun, ganz so eindeutig ist es nicht. In Wahrheit unternimmt die Ikone aus Texas einen wilden Ritt durch alle Genres, in erster Linie ist es aber ein ziemlich gutes Pop-Album geworden - und ein ziemlich langes: 27 Titel, knapp 80 Minuten Laufzeit, da sind naturgemäß einige Durchhänger dabei.

Eröffnet wird das Album mit dem „American Requiem“, es endet mit einem „Amen“. Gleich als zweiter Track erklingt eine wunderbare Version von „Blackbird“, und natürlich handelt der legendäre McCartney-Song nicht von einer Amsel, sondern von der brutalen Rassentrennung in den Südstaaten. Womit wir beim doppelten Boden dieses Albums wären. „Cowboy Carter“ ist wohl ein weiterer Akt der Selbstermächtigung von Beyoncé. Motto: Diesmal hole ich mir die notorisch rassistische „weiße“ Country-Musik zurück. Wobei diese Lesart natürlich nicht stimmt, wurde doch auch der Nashville-Tempel auf den Grundfesten von schwarzer Folk- und Bluesmusik aufgebaut. Apropos Nashville: In einer kurzen Sequenz erklingt auf dem Album die Stimme der heute 82-jährigen Linda Martell, die Ende der 1960er-Jahre als erste schwarze Künstlerin in der Grand Ole Opry auftrat.

Beyoncé ist stimmlich wie immer bestens disponiert, die Gastauftritte sind wohldurchdacht. Willie Nelson lädt zur „Smoke Hour“ ein, Dolly Parton begleitet das (gelungene) „Jolene“-Cover ein, mit Miley Cyrus im Duett rotzt sich Beyoncé in die Jetztzeit zurück, Post Malone darf auch noch auf einem Song mitsingen. Als Höhepunkt geht „Ya Ya“ durch; in diesem turbulenten Track kulminiert alles, was seit den letzten 100 Jahren an Populärmusik im Umlauf ist. „Cowboy Carter“ kann in Zeiten der reaktionären Flashbacks natürlich auch als politisches Statement gelesen werden. „Now is the time to face the wind“, singt Beyoncé auf „American Reqiem“. Wie gesagt: Ein stürmischer Ritt - auf allen Ebenen.

Beyoncé. Cowboy Carter. Sony Music.

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