Florentina Pakosta sitzt in ihrem Atelier. In Christiana Perschons Videoarbeit hält sie sich eine Maske mit blauen Augen und roten Backen vors Gesicht. „Das war eigentlich ein Schminktisch. Ich bin vor diesem Tisch gesessen und hab‘ mich gefragt, soll ich das Gesicht bemalen oder das Papier, das ich vor mir hab‘?“ Die heute 91-Jährige hat sich für das Papier entscheiden und für die Kunst. Pakosta ist eine Pionierin, eine Riesin der feministischen Kunst. Sie war die erste Frau im Vorstand der Wiener Secession, davor wurde sie wie viele Künstlerinnen ihrer Generation bei Vereinigungen abgelehnt. Die Malerin hält in ihren Porträts mächtigen Männern den Spiegel vor. Über ihr Selbstbild, mit Spiegelscherben gebrochen, sagt sie: „Ein Selbstbildnis zu zeichnen, war mir wichtig. Es hat bestätigt: Ich bin da! Und ich habe etwas zu sagen.“

14 Positionen hat Kuratorin Nina Schedlmayer für „Auf den Schultern von Riesinnen“ im Wiener Künstlerhaus versammelt. Seit 2018 zeigt sie in ihrem Blog Artemisia auf, wie große Häuser weibliche Positionen unterschlagen. Die Künstlerinnen der Schau reflektieren die Verdrängung und imaginieren Gegenerzählungen für die Leerstellen. „Sie übernehmen die Verantwortung, das Vermächtnis älterer Generationen fortzuführen.“

Eingemauerte Liebeserklärungen

Dem Ausradieren und Vergessen von Künstlerinnen setzt die Malerin Bettina Beranek in „Schichtwechsel“ verpixelte oder bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Selbstporträts von Malerei-Stars wie Maria Lassnig, Frida Kahlo und Artemisia Gentileschis entgegen. Die Videokünstlerin Katharina Aigner rekonstruiert im 3D-Rendering „20 rue Jacob“ jene Pariser Adresse, wo die Schriftstellerin Natalie Clifford Barney (1876–1972) ab den 1920ern einen Salon veranstaltete, den viele queere Menschen besuchten. Den Umgang mit queeren Lücken thematisiert Viktoria Tremmel mit einer Schachtel-Installation, in der u. a. verschlüsselte homoerotische Texte und Zeichnungen der britischen Autorin Anne Lister (1791–1840) aufbewahrt werden, die diese einst einmauerte. Gefunden wurden sie trotzdem. In einer Vitrine sind Landkarten, Reisesouvenirs und Schamhaar-Kegel ausgestellt. Lister soll sich von ihren Liebhaberinnen Schamhaare erbeten haben.

An eine Narbe oder eine Naht erinnert die Performance „Zwischen den Zeilen/Die Zeilen dazwischen“ von Judith Augustinovič und Valerie Habsburg: Sie lesen aus der Autobiografie der Bildhauerin Teresa Feodorowna Ries (1866–1956) und schreiben diese Satz für Satz mit der Hand ab – auf einer Zeile; übereinander. Sie schreiben die Vergangenheit in die „gegenwärtige Wirklichkeit ein“ und widersetzen sich so dem Ausradieren.

Isa Rosenberger leuchtet im Video „Manda“ die Pionierinnenleistung von Tänzerin Manda von Kreibig im Stäbetanz im Bauhaus aus. Und Anna Meyer schreibt in der poppigen Reihe „Futurefeminismus“ die Kunstgeschichte seit dem 16. Jahrhundert um.

„Schichtwechsel“, Bettina Beranek
„Schichtwechsel“, Bettina Beranek © Bildrecht Wien
„Zwischen den Zeilen“ von Judith Austinovic und Valerie Habsburg
„Zwischen den Zeilen“ von Judith Austinovic und Valerie Habsburg © Videostills
„Manda“ von Isa Rosenberger aus dem Jahr 2023
„Manda“ von Isa Rosenberger aus dem Jahr 2023 © Reinhard Mayr
„Come again a bit, Freddy“, 18. Nov. 1819, 2022: Schachtel-Installation von Viktoria Tremmel
„Come again a bit, Freddy“, 18. Nov. 1819, 2022: Schachtel-Installation von Viktoria Tremmel © Viktoria Tremmel/Bildrecht Wien
METOO, Anna Meyer, 2029
METOO, Anna Meyer, 2029 © Anna Meyer/ Bildrecht Wien/Belvedere