Franz Lehárs Operette „Die Lustige Witwe“ ist ein Dauerbrenner seit ihrer Uraufführung 1905. Die skurrile Geschichte von der Rettung des bankrotten Phantasiestaats Pontevedro mit Hilfe einer Geldehe eignet sich gut für stilistische Mutationen. Was es nie gab, muss sich auch nicht an Erwartungen messen lassen. Allenfalls Aufführungsklischees im Kopf können Protest anmelden.

Mariame Clément, Freunden der Grazer Oper von ihrem „Faust“ und einer „Zauberflöte“ bekannt, geht die Erneuerung vorsichtig an. Keine Vergegenwärtigung, keine NS-Bezüge, allein die Beziehungen der Menschen tragen ihre Deutung. Vor allem ihre Idee, die Vorgeschichte der Hauptfiguren leicht auf der Zeitachse zu verschieben, geht auf.

Jahrzehntealte Liebe

Die unglückliche Liebe zwischen Graf Danilo und der nicht standesgemäßen Bürgerstochter Hanna Glawari liegt schon mehrere Jahrzehnte zurück, als die beiden einander in Paris wieder begegnen. Die Besuche im Maxim haben den Lebemann und Sekretär der Botschaft Pontevedros gezeichnet. Auch Hanna, Witwe nach dem steinreichen Herrn Glawari, ist gealtert, was Jakob Semotan in seiner geschickten Textbearbeitung sehr direkt deutlich macht. Clément rechtfertigt ihren Eingriff aus der Geschichte selbst: Wäre Hanna noch jung und prächtig, wäre es kein Opfer, die reiche Witwe zu heiraten, um ihr Geld für den Operettenstaat nutzbar zu machen.

„Die lsutige Witwe“: turbulente Komödie in farbenfrohen Kostümen
„Die lsutige Witwe“: turbulente Komödie in farbenfrohen Kostümen © Photowerk

Die Reife der Hauptpersonen gibt dem Hindernislauf zur neuerlichen Annäherung der beiden Ernsthaftigkeit, was wiederum Lehars Musik Tiefe verleiht. Anett Fritsch und Daniel Schmutzhard zeigen in Gestik und musikalischem Ausdruck überzeugend das Erwachen alter Gefühle. Wenn sie wieder den Tanz ihrer Jugend wagen, springen zwischen den beiden regelrecht Funken. 

Julia Hansen ließ für die turbulente Komödie in konzentrischen Kreisen drehbare Phantasieräume bauen, die sich mühelos zur Botschaft, zu Privatgemächern und Maxim wandeln lassen. Die schweren Samtvorhänge erschweren den Sängern allerdings die Durchsetzung. Dass das Haus die Texte Englisch projiziert, statt das Original verständlich zu machen, ist ein Ärgernis. Schwer erklärbar auch, dass die Pariser Festgäste neben ihren farbenfroh geschmückten Frauen und den pittoresken Pontenegrinern in öden Straßenanzügen erscheinen müssen. 

Sehr komisch: Nicolaus Hagg als eifersüchtiger Kromow (rechts), Daniel Ohlenschläger, Georg Wacks

Wunderbar komische Charaktere zeichnen Nicolaus Hagg als eifersüchtiger Gesandtschaftsrat Kromow, der köstlich wienernde Jakob Semotan als Kanzlist Njegus und Brigitte Kren, die skurril-komisch durch die Menge tänzelt. Hedwig Ritter und Aaron-Casey Gould plagen sich vergeblich, die außereheliche Affäre des Malers Camille de Rosillon mit der Botschaftergattin Valencienne glaubhaft zu machen. Szyman Komasa, der Botschafter Pontevedros, bleibt als einziger in outrierter Operettendeklamation stecken.

Ben Glassberg, der neue Chefdirigent, leitet seine erste Wiener Operette mit Verve und Präzision. Beginnt er auch allzu zackig, gewinnt das Wienerische im zweiten Teil doch die Oberhand. Gelegentliche Tempomissverständnisse wird bald Routine beheben. Die Neuvermessung der Meisteroperette aber ist gelungen, fand auch das Publikum.