Karin (Name von der Redaktion geändert) macht ihren Job nicht nur gut, sondern auch gerne. Als Verkäuferin hat die junge Frau jeden Tag Kontakt mit vielen Kunden. Doch manchmal ist der Verkaufsraum auch fast leer. So auch an jenem Tag, als sich ein gut betuchter Kunde mittleren Alters von der Frau beraten lässt.

Mitten im Verkaufsgespräch beginnt der Mann, Karin zu bedrängen. „Plötzlich hat er meine Hand genommen und zu seinem Oberschenkel gezogen“, schildert die Kärntnerin (Mitte 20) später vor Gericht. Obwohl sie ihn auffordert, aufzuhören, habe ihr der Kunde „auf die Brust gegriffen und hinein gezwickt“. „Ich wollte nur mal schauen“, antwortete der Mann, als die völlig perplexe Frau fragte, was das soll. Karin beendete das Gespräch und erzählte zwei Arbeitskollegen davon. Nach Dienstschluss auch ihrem Arbeitgeber. In einem ersten Schritt bekam der Kunde Hausverbot.

Eineinhalb Wochen später wird Karins Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst. Das soll ihr von der Firmenleitung nahegelegt worden sein, ebenso, den Fall nicht anzuzeigen. Doch als der Job weg ist, fühlt sich Karin an diese Empfehlung nicht mehr gebunden und geht zur Polizei. Bei der Arbeiterkammer erhält sie rechtliche Unterstützung.

Aussage gegen Aussage

Es kommt zum Prozess. Doch der Mann bestreitet alles und sein Anwalt versuchte mit allen Mitteln, das Opfer als unglaubwürdig darzustellen. Warum sie erst so spät Anzeige erstattet hatte? Warum sie den Vorfall erst nach Dienstschluss gemeldet hatte? Das Verkaufsgespräch noch weitergeführt hatte, als der Kunde mit den Übergriffen begann? „Aus einem Pflichtgefühl heraus. Ich war ja völlig perplex. Ich bin zurückgewichen, als er mich angegriffen hat und ich habe gefragt, was das soll. Ansonsten war ich einfach nur perplex.“

In einem Gespräch nach dem Prozess wird Karin einmal fragen, „was hätte ich denn tun sollen, was ist die richtige Reaktion auf sowas?“ „Sorry, dass ich keinen Schreikrampf bekommen hab“, war ihr Resümee.

Am Ende ihrer Befragung beim Prozess bricht Karin kurz in Tränen aus und meint: „Mir hat es immer Spaß gemacht, mit Kunden zu arbeiten.“ Aber seit dem Vorfall sei sie in einem anderen Bereich tätig – ohne Kundenkontakt. „Der Gedanke, was sein könnte, wenn ich mit einem Kunden allein bin, hat mich verfolgt.“

„Jetzt stell dich nicht so an“

Das Gericht bestätigt den Vorfall und verurteilt den Kunden zu einer Geldstrafe. Karin ist erleichtert, dass ihr geglaubt wurde. Dennoch muss sie sich immer wieder Kommentare anhören wie „jetzt stell dich nicht so an!“. Das, die Einvernahme und das Anzweifeln ihrer Glaubwürdigkeit haben Karin belastet und sie hat sich auch gefragt, ob sie selbst etwas falsch gemacht habe, zu freundlich war, das falsche gesagt hat, falsch angezogen war?

„Die Opfer suchen auch deshalb die Fehler bei sich, weil die Gesellschaft viel zu oft nach der Schuld der Opfer fragt, anstatt nach der Verantwortung der Täter“, spricht Redakteurin Manuela Kalser im Podcast das auch heute noch allgegenwärtige Problem der Täter-Opfer-Umkehr an.

Dennoch hatte Karin es nie bereut, den Fall zur Anzeige zu bringen, da sie die Frage beschäftigt hat, wie oft dieser Mann schon Mädchen oder Frauen belästigt haben muss, ohne dass es Konsequenzen gab. Doch nun wisse er, es gibt Konsequenzen, er wird angezeigt, einvernommen, muss vor Gericht und bekommt eine Vorstrafe, was ihn in Zukunft vielleicht von weiteren Taten abhält.