Am letzten Befragungstag des U-Ausschusses werden keine Fragen mehr gestellt. Alle fünf geladenen Auskunftspersonen haben abgesagt. Die Abgeordneten kommen trotzdem zusammen. Sie wollen wegen des Nicht-Erscheinens Beugestrafen beantragen.

Nach 55 Befragungstagen geht der Ibiza-U-Ausschuss heute zu Ende. Er hat das Land mehr als ein Jahr lang intensiv beschäftigt. Für die türkis-grüne Koalition war er eine massive Belastungsprobe. Bisher hat sie ihn überstanden - sollten gegen Kanzler Kurz allerdings Anklage erhoben werden, könnte sich das ändern.

Das Fazit der Fraktionsparteien

Neos-Vizeklubchef Nikolaus Scherak (in Vertretung von Fraktionsführerin Stephanie Krisper) gab sich in seinem Statement am letzten Sitzungstag ernüchtert. Vor allem angesichts des Umstandes, dass der Ausschuss nicht verlängert wird. Die Grünen, die dagegen gestimmt hatten, agieren hier nicht nachvollziehbar, so Scherak.

Grünen-Fraktionsvorsitzende Nina Tomaselli übte erneut Kritik an der späten Aktenlieferung aus dem Finanzministerium. Die Inhalte seien "sehr sehr relevant". Am Ende dieses Ausschusses werde die Republik  dennoch "ein Stück weit sauberer sein". Es gäbe aber "noch genug" zu untersuchen. Auf die Frage, warum man gegen eine Verlängerung gestimmt hat, gab Tomaselli an, dass ein neuer Ausschuss "sehr viele Vorteile" bringe, unter anderem eine Ausweitung der Fragestellung.

Für SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer sei es besonders überraschend gewesen, "wie die ÖVP einen Staat im Staat" aufgebaut habe. Und dass die Arbeit eines Ausschusses derart behindert worden seien, vor allem durch die ÖVP-Fraktion. Die gelieferten Akten haben viel Neues ans Licht gebracht, erklärte er. Man werde hier noch einmal über eine Verlängerung debattieren. Denn sonst werde alles "geschreddert" werden - "ein Freudentag für die ÖVP".

Laut ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger habe es sich "nicht um einen Untersuchungs-, sondern einen Unterstellungsausschuss" gehandelt habe. Man habe viel "mit Dreck" geworfen, "unglaubliche Tiefpunkte" und "persönliche Anschüttungen" seien zu beobachten gewesen. Es habe jedenfalls wenig bis keinen Erkenntnisgewinn gegeben. Zudem brauche es Reformen und eine klarere Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes.

FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker betonte, dass man einen möglichen neuen Ausschuss prüfen werde. "Mit der ÖVP wird da nichts besprochen." Die Grünen haben "Beiwagerl" gespielt, "um den Ausschuss abzudrehen", die ÖVP habe gezielt die Aktenlieferung hinausgezögert. Besonders verärgert zeigte er sich über das Fernbleiben von Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid.

Politischer Reinigungsprozess

Ein U-Ausschuss ist ein politischer Reinigungsprozess. Der ist allerdings noch lange nicht beendet. Die Diskussion über geleakte Akten wird weitergehen. Das politische Klima zwischen Opposition und Regierung, ÖVP und Justiz muss sich erholen.

Folgenlos darf der U-Ausschuss nicht bleiben. Einige Gesetzesvorhaben, wurden bereits angestoßen, ein Anti-Glücksspielpaket gibt es bereits. Was dringend fehlt: Mehr Transparenz bei Parteienfinanzierung und eine neue Regelung für Ausschreibungen von öffentlichen Vorstandsjobs.

Druck machen könnte das Anti-Korruptionsvolksbegehren, das aus dem U-Ausschuss entstanden ist: Schon 24.000 Menschen haben unterschrieben.

Was vom U-Ausschuss bleibt:

Flächenbrand in der Justiz

Schon vor dem U-Ausschuss waren Strohfeuer aufgeflammt, im Laufe des letzten Jahres breiteten sie sich zum Flächenbrand in der Justiz aus. Sie offenbarten einen gewaltigen Konflikt zwischen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und den Oberbehörden und Vorgesetzten im Ministerium, unter Staatsanwaltschaften und zwischen ÖVP und Justizvertretern. Gegen den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft, Johann Fuchs, und den suspendierten Sektionschef, Christian Pilnacek, wird ermittelt.

Vor dem U-Ausschuss erzählten Staatsanwälte der WKStA von politischer Einflussnahme und Einschüchterungsmethoden. Die ÖVP hingegen kritisierte „voreingenommene und politisch motivierte“ Staatsanwälte. Die Attacken gegen die Justiz riefen honorige Persönlichkeiten - vom Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes bis zu den Präsidenten der Landesgerichte - auf den Plan.

Was bleibt, ist Misstrauen - und Reformen: Die Berichtspflicht für Staatsanwälte wurde verringert, das Staatsanwartschaftsgesetz wird überarbeitet und die Regierung will einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt schaffen.

Verfahren und Ermittlungen

Ein Prozess hat bereits begonnen: Der ehemalige Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache steht wegen Bestechung vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, für eine Spende von 10.000 Euro ein Gesetz auf den Weg gebracht zu haben, das einer Privatklinik den Weg in einen Finanzierungsfond ebnen sollte. Ende August wird der Prozess fortgesetzt. Die Staatsanwaltschaft führt auch Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) als Beschuldigten. Gegen ihn wird wegen angeblicher Parteispenden des Glückspielkonzerns Novomatic an die ÖVP ermittelt.

Auch gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wird ermittelt – allerdings nicht wegen Bestechlichkeit, sondern wegen angeblicher Falschaussage. Die Neos hatten den Bundeskanzler angezeigt weil er im U-Ausschuss unter Wahrheitspflicht ausgesagt hatte, nicht vorab darüber informiert gewesen zu sein, dass Thomas Schmid Vorstand der Staatsholding werden soll. Die WkSTa beschuldigt den Bundeskanzler, drei Mal falsch ausgesagt zu haben.  

Ermittelt wird auch gegen den Kabinettschef von Sebastian Kurz, sowie Ex-Finanzminister Hartwig Löger, Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid und Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann.

Prominente Rücktritte

Anfangs stand Öbag-Chef Thomas Schmid im Fokus des U-Ausschusses, weil er in die Bestellung des FPÖ-Mannes Peter Sidlo zum Direktor der Casinos Austria involviert gewesen sein soll. Dann rückte Schmids eigene Bestellung in den Fokus. Die WKSta wertete seitenweise Chats und Emails von ihm aus, die großteils den Weg an die Öffentlichkeit fanden. Im Juni trat der Öbag-Chef zurück.

Wenige Tage vor Schmid zog sich Wolfgang Brandstetter als Höchstrichter zurück, nachdem Chats von ihm an die Öffentlichkeit geraten waren. Darin hatte er sich mit dem hochrangigen Justizbeamten Christian Pilnacek auch über Enscheide des Höchstgericht ausgetauscht. Gegen Brandstetter wird wegen des Verdachts auf Verletztung des Amtsgeheimnisses ermittelt.

Auch Christian Pilnacek ist nicht mehr in seinem ursprünglichen Job tätig. Der Sektionschef wurde suspendiert wegen Ermittlungen bezüglich einer möglicherweise verratenen Hausdurchsuchung. Das hat zwar nichts mit dem U-Ausschuss zu tun, doch durch die öffentlichen Chats mit Wolfgang Brandstetter war er unter Druck geraten. Pilnacek bekämpfte seine Suspendierung zwar, blitzte aber vor dem Bundesverwaltungsgerichtshof ab. Pilnacek, der wie Brandstetter und Schmid alle Vorwürfe bestreitet, wird nicht mehr im Ministerium arbeiten, bis ein formales Disziplinarverfahren erledigt ist.

Blick ins Hinterzimmer der Macht

Exakt ein Jahr und 161 Tage regierten die ÖVP und die FPÖ zusammen. In dieser Zeit war man bemüht darum, keine Konflikte nach außen zu tragen. Die Chats zwischen Kurz und Strache zeigten aber, dass es durchaus manchmal knirschte. Norbert Hofer, der unter Türkis-Blau Infrastrukturminister und blauer Regierungskoordinator war, erzählte dem U-Ausschuss von einem 2:1 Schlüssel, beim Vorschlagsrecht für Aufsichtsräte. Dokumentiert wurde nicht viel während der türkis-blauen Regierungszeit, was den Ruf nach einer Überarbeitung des Archivgesetzes laut werden lässt.  

Auch in die türkise ÖVP ließ der U-Ausschuss tief blicken: „Mitterlehner wird flippen“, „Kriegst eh alles, was du willst“, „Bitte Vollgas geben“ – die Chats, die über den U-Ausschuss postwendend ihren Weg an die Öffentlichkeit fanden, zeigen unter anderem, wie lange, vor Reinhold Mitterlehners Rücktritt an dessen Sessel gesägt wurde, wie Kirchenvertreter unter Druck gesetzt wurden und wie Postenbesetzungen im engen Kreis ausgedealt wurden.