Als Hugo (5) im Grazer Tierheim Arche Noah landete, erkannten die Mitarbeiter sofort, dass der taube Dalmatinerrüde schwer traumatisiert war: "Stundenlang jaulte und winselte er im Zwinger, er weinte sich jeden Abend in den Schlaf", erinnert sich Katharina Gründl. Der rassebedingt sehr sensible und anhängliche Hund litt fürchterlich unter der Trennung von seiner Familie, die ihn wegen Beißvorfällen abgegeben hatte. Wahrscheinlich, so vermutet Gründl, hatte sich Hugo wegen seiner Taubheit über eine plötzliche Bewegung oder Annäherung erschreckt und daraufhin zugebissen.

Der sensible Dalamtinerrüde Hugo fand sich schwer im Tierheim zurecht
Der sensible Dalamtinerrüde Hugo fand sich schwer im Tierheim zurecht © Aktiver Tierschutz Arche Noah

Stress im Tierheim

Tiere im Tierheim stehen naturgemäß stark unter Stress, viele sind traumatisiert. Sie kauen an den Gitterstäben, rennen im Kreis oder jagen der eigenen Rute nach. Katzen putzen oder kratzen sich übermäßig. Für künftige Adoptiv-Eltern von Tieren aus dem Tierschutz ist es hilfreich, sich von vornherein darauf einzustellen, sagt Tierärztin Bettina Peintinger: "Oft leiden Tiere an posttraumatischen Belastungsstörungen. Ursachen können sein: eine schlechte Haltung, das Erlebnis einer Flucht wie jetzt anlässlich des Ukraine-Kriegs. Ständig wechselnde Aufenthalte – von der Straße ins Tierheim, über eine Pflegestelle weiter zum Adoptanten – oder Unfälle, Verletzungen oder Gewalterfahrung können ursächlich sein. Mit der Rettung ist es nicht getan." Die Symptome sind klassisch. "Anzeichen für ein Trauma sind Appetitlosigkeit, Apathie, Rückzug oder auch aggressives Verhalten, Hunde haben oft keine Lust auf Spaziergänge oder verstümmeln sich selbst, Katzen verkriechen sich oder sind unsauber", weiß Tierheim-Mitarbeiterin Karoline Mathy.

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Hilfreich ist es, wenn man die (Leidens-)Geschichte des Tieres kennt und bei der Therapie berücksichtigen kann, was eher bei Hunden der Fall ist als bei Katzen. Da auch medizinische Probleme oder starke Schmerzen Auslöser für so ein Verhalten sein können, ist es zunächst wichtig, das Tier gründlich durchzuchecken. Sind Verletzung oder Krankheit ausgeschlossen, sollte man dem Tier Zeit geben, sich einzugewöhnen, anzukommen. Das kann je nach Persönlichkeit des Tieres bis zu einem halben Jahr oder länger dauern. "Man muss sich bewusst sein, dass man dem Tier Zeit geben muss. Bedrängt man es, droht ein Rückschlag", so Gründl. Langsam Vertrauen aufbauen, Rückschritte in Kauf nehmen, Erfolge positiv verstärken, lautet die Devise.

Hundetrainer zurate ziehen

"Bei Hunden ist es empfehlenswert, einen guten Hundetrainer zurate zu ziehen, der regelmäßig mit Tier und Besitzer arbeitet und sich genau anschaut, was das Tier stört. Man muss viel Geduld haben, viel lesen und Informationen einholen, auch beim Tierarzt. Manche Tiere haben Angst vor Männern, andere trauen sich nicht zur Futterschüssel", weiß Peintinger. Hilfreich ist es auch, wenn sich vorwiegend eine Bezugsperson um das Tier kümmert. Im Tierheim sind das spezielle Spaziergeher, Katzen bekommen regelmäßig von ehrenamtlichen Katzenstreichlern Besuch. Dem Tier muss zudem ein Rückzugsort ständig zur Verfügung stehen, in dem es absolute Ruhe genießt.

Hilfsmittel

Es gibt auch Hilfsmittel, die man zur Unterstützung einsetzen kann, so die Tierärztin: "Es gibt Halsbänder oder geruchlose Verdampfer auf hormoneller Basis, die man in die Steckdose stecken kann. Baldrian, Bachblüten, Anxitane-Tabletten oder CBD-Tropfen auf Hanfbasis können ebenfalls helfen. Es ist wert, das zu versuchen, auszuprobieren, weil es auch nicht schadet. Wovon ich absolut abrate, sind Psychopharmaka."

Tierpsychologin und Verhaltensexpertin Denise Seidl
Tierpsychologin und Verhaltensexpertin Denise Seidl © kk