Jänner: Geheimer Sideletter wird öffentlich

13. Jänner 2022: Hausdurchsuchung beim Roten Kreuz. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vermutet, dass die Republik Österreich im Frühjahr 2020 bei Kauf von 11,7 Millionen FFP2-Masken getäuscht wurde. Die Masken hatten sich als fehlerhaft herausgestellt. Das Rote Kreuz hatte beim Kauf vermittelt.

19. Jänner 2022: Die Online-Plattform zackzack.at beginnt, Recherchen auf Grundlage von Chats auf dem Handy des früheren Kabinettschefs im Innenministerium, Michael Kloibmüller, zu veröffentlichen. Die Chats haben es in sich und belasten etwa Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter oder Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (alle ÖVP).

Als Innenministerin schrieb Johanna Mikl-Leitner: "Rote bleiben Gsindl! Schönen Schitag!", bei ihrem Nachfolger Wolfgang Sobotka gab es Sorge um eine Liste, "die Interventionen heißt und noch dazu alle Interventionen mit Stand anführt"
Als Innenministerin schrieb Johanna Mikl-Leitner: "Rote bleiben Gsindl! Schönen Schitag!", bei ihrem Nachfolger Wolfgang Sobotka gab es Sorge um eine Liste, "die Interventionen heißt und noch dazu alle Interventionen mit Stand anführt" © APA/HELMUT FOHRINGER

Die Herkunft der Chats ist umstritten: 2017 fiel Kloibmüller bei einem Kanutrip des Innenministeriums ins Wasser und sein Handy mit ihm. Ein IT-Mitarbeiter des BVT sollte dies dann reparieren, dürfte stattdessen aber die Daten abgesaugt und weiterverkauft haben, vermutet mittlerweile die Staatsanwaltschaft Wien. Über einen Informanten wanderte eine Kopie dieser Daten an den zackzack-Herausgeber und früheren Abgeordneten Peter Pilz. Dieser übergibt die Unterlagen an die WKStA – und später einen Teil an den ÖVP-U-Ausschuss.

22. Jänner 2022: Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser muss sich erneut vor Gericht verantworten. Die WKStA wirft dem Ex-Politiker den "Wunsch der Steuerhinterziehung" vor. Grassers Steuerberater soll diesen dann erfüllt haben.

25. Jänner 2022: Nach Berichten, dass sich der damalige Justizminister Wolfgang Brandstetter 2014 aus parteipolitischen Gründen für Eva Marek als Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Wien entschied, zieht sich die nunmehrige Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs (OGH) von ihren Leitungspositionen am OGH zurück. Im Herbst schickt die grüne Justizministerin Zadić als Folge der Affäre eine Reform der Bestellung von Höchstrichtern in Begutachtung.

Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP, rechts) soll Eva Marek (links) bevorzugt behandelt haben
Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP, rechts) soll Eva Marek (links) bevorzugt behandelt haben © APA/HANS KLAUS TECHT

26. Jänner 2022: Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sei ein "hinterfotziger" Pfau, die FPÖ ein Golf GTI, zeigt eine Studie der Meinungsforscherin Sabine Beinschab, für die das Finanzministerium 156.000 Euro zahlte. Das Ressort veröffentlicht auch weitere auffällige Studien, in denen Parteiarbeit auf Kosten des Staates geleistet wurde.

Informationen darüber, dass der damalige Außeminister ´süß´ aussieht - offenbar wie ein Eichhörnchen - kosteten das Finanzministerium 156.000 Euro
Informationen darüber, dass der damalige Außeminister ´süß´ aussieht - offenbar wie ein Eichhörnchen - kosteten das Finanzministerium 156.000 Euro © Finanzministerium

29. Jänner 2022: Nebenabsprachen zu den türkis-blauen und türkis-grünen Regierungsabkommen werden publik. In den sogenannten "Sidelettern" werden auch fleißig Posten etwa beim Verfassungsgerichtshof oder dem ORF verteilt – trotz klarer gesetzlicher Vorgaben.

Februar: Beinschab gesteht

7. Februar 2022: Die WKStA will gegen den ÖVP-Klubobmann August Wöginger ermitteln. Er soll 2016 bei Thomas Schmid interveniert haben, damit ein ÖVP-Bürgermeister Vorstand des Finanzamtes Braunau, Ried und Schärding wird. Wöginger bestreitet den Vorwurf und lässt seine Immunität als Abgeordneter aufheben.

Gegenüber der WKStA behauptet Schmid allerdings in seinem Geständnis, dass Wöginger "mit einem ausschließlich parteipolitisch motivierten Anliegen" an ihn herangetreten sei – und er als Generalsekretär daher einem ÖAAB-Mitglied im Finanzministerium anordnete, den Wunsch des ÖAAB-Obmannes Wöginger zu erfüllen.

11. Februar 2022: Nach Vorwürfen mangelnder Distanz zu Rechtsextremisten muss der Leiter des Kärntner Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT), Stephan Tauschitz, gehen.

Am selben Tag werden Ermittlungen gegen Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) bekannt. Bei der Besetzung eines Abteilungsleiters im Jahr 2015 hatte Brandstetter nicht den Erstgereihten ausgewählt. Stattdessen veranstaltete der Ex-Minister ein kommissionelles Hearing, das er selbst leitete und später vom Bundesverwaltungsgericht als "Feigenblatt" bezeichnet wurde.

25. Februar 2022: Die Meinungsforscherin Sabine Beinschabgesteht, dass das Finanzministerium sie für "politische Fragen" bezahlt und sie selbst Umfragen innerhalb der Schwankungsbreite manipuliert habe. Ex-Familienministerin Sophie Karmasin habe an den Aufträgen "mitgeschnitten", brachte Beinschab neue Vorwürfe vor. In weiterer Folge erhält Beinschab den Kronzeugenstatus.

März: Karmasin wird verhaftet

2. März 2022: Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer macht den Auftakt des "ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses". Am selben Tag lässt die WKStA Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) wegen Verdunkelungsgefahr festnehmen. Sie soll "Urheberin und maßgebliche Ideengeberin" des Beinschab-Österreich-Tools gewesen sein, vermutet die WKStA. Außerdem werden der früheren Meinungsforscherin Geldwäsche und Preisabsprachen vorgeworfen. Erst nach 24 Tagen wird Karmasin aus der U-Haft entlassen.

Ex-Familienministerin Sophie Karmasin muss in Untersuchungshaft
Ex-Familienministerin Sophie Karmasin muss in Untersuchungshaft © APA/GEORG HOCHMUTH

8. März 2022: Chats zeigen, wie der suspendierte Sektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek, und der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, gegen die WKStA vorgehen wollten. "Ich stelle mir eine Observation vor", schrieb Pilnacek im Sommer 2019. Die Chats zeigen auch, dass eine Korruptionsstaatsanwältin an Fuchs Interna aus der WKStA weiterleitete. Im U-Aussschuss verteidigte sie sich später: "Ich bin weder Maulwurf, Spitzel noch ein Trojanisches Pferd." Gleichzeitig erhob sie schwere Vorwürfe gegen die WKStA. Immer wieder seien Interna an Medien geleakt worden.

10. März 2022: Der Sektionschef für Steuerrecht und Steuerpolitik, Gunter Mayr, beschreibt im U-Ausschuss, wie Thomas Schmid die Steuercausa Siegfried Wolf beeinflusste. Der damalige Generalsekretär des Finanzministeriums habe ihm in einem "besonders unerfreulichen Termin" auch erklärt, der steirische Investor sei in Sachen Russland "sehr dienlich". Schmid bestätigt die Darstellungen Mayrs später in seinem Geständnis gegenüber der WKStA großteils.

Der steirische Unternehmer Siegfried Wolf beschäftigte sich detailliert mit den eigenen Steuersorgen
Der steirische Unternehmer Siegfried Wolf beschäftigte sich detailliert mit den eigenen Steuersorgen © APA/HELMUT FOHRINGER

11. März 2022:Sabine Beinschab gibt bei ihrer Befragung an, vor der Nationalratswahl Ende September 2013 Kosten von Umfragen für die SPÖ auf die rote Parteiakademie geschrieben zu haben. Anders als mutmaßlich bei der ÖVP dürfte dies aber nicht strafrechtlich relevant gewesen sein.

14. März 2022: Nach anonymen Vorwürfen, Justizministerin Alma Zadić (Grüne) hätte bei ihrer Doktorarbeit abgeschrieben, prüft die Uni Wien. Das Verfahren wird Mitte November eingestellt, da laut der Uni kein Plagiat vorliegt.

17. März 2022: Auch Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling wird nun in der Causa Wolf rund um einen Steuernachlass in Millionenhöhe für den steirischen Investor Siegfried Wolf als Beschuldigter geführt.

18. März 2022: Die WKStA entzieht der "SoKo Tape" sämtliche Ermittlungsaufträge. In einem Mail an die Leitung der Sonderkommission beklagt sich WKStA-Chefin Ilse-Maria Vrabl-Sanda unter anderem über die "systematische Torpedierung des Ermittlungsverfahrens". Innen- und Justizministerium bemühen sich, die "enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit" zu unterstreichen.

28. März 2022: Eine Selbstanzeige des Vorarlberger ÖVP-Wirtschaftsbundes wird publik: Der Wirtschaftsbund soll Inserate erst falsch versteuert und danach an die Landespartei weitergeleitet haben.

30. März 2022: Die WKStA nimmt Ermittlungen wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs gegen den zweithöchsten Mann im Staat auf: Nationalratspräsident und U-Ausschuss-Vorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) soll als Innenminister Amtsmissbrauch begangen haben, indem er Positionen nicht nach Qualifikation, sondern Parteitreue besetzte, vermuten die Korruptionsjäger. Sie stützen sich dabei auf Chats auf dem Handy von Sobotkas früherem Kabinettschef Michael Kloibmüller.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka wird der Korruption verdächtigt
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka wird der Korruption verdächtigt © APA/ROLAND SCHLAGER

Am selben Tag wird bekannt, dass der Chef der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, angeklagt wird. Fuchs wird Geheimnisverrat und Falschaussage vorgeworfen. Infolge dessen wird er mit sofortiger Wirkung einstweilig suspendiert. Die Suspendierung wird zwei Wochen später vom OGH aufgehoben.

April: Cobra-Gate

1. April 2022: Unter dem Namen "Cobra Libre"-Affäre wird publik, dass zwei Cobra-Beamten, die die Familie von Kanzler Karl Nehammer schützen sollen, alkoholisiert mit dem Dienstwagen ein parkendes Auto gerammt haben. Zuvor hatten sie mit Nehammers Frau Katharina angestoßen und sich 1,2 Promille angetrunken. In den nächsten Tagen tauchen verschiedene Versionen der Geschichte in den Medien auf. In einem anonymen Konvolut wird Nehammer vorgeworfen, zur Vertuschung interveniert zu haben. Der Kanzler bestreitet das und wirft der Opposition vor, die Sicherheit seiner Familie durch parlamentarische Anfragen zu gefährden.

Schon als Innenminister hatte Karl Nehammer (ÖVP) viel mit der Polizei zu tun
Schon als Innenminister hatte Karl Nehammer (ÖVP) viel mit der Polizei zu tun © APA/BMI/JÜRGEN MAKOWECZ

9. April 2022: Eine Sonderausgabe der "Burgenländischen Freiheit" aus dem Dezember 2021 sorgt für Aufregung: Mehrere Unternehmen des Landes Burgenland inserierten in der früheren SPÖ-Parteizeitung, die von einem unabhängigen Verein herausgegeben wurde. Landesparteichef Hans Peter Doskozil wird in der Jubiläumsausgabe besonders positiv hervorgehoben. Der Parteien-Transparenz-Senat sieht darin keine versteckte Parteienfinanzierung.

© Burgenländische Freiheit

22. April 2022: Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) soll für Inserate in der Wirtschaftsbund-Zeitschrift politisches Entgegenkommen versprochen haben, zitieren die "Vorarlberger Nachrichten" die eidesstattliche Erklärung eines Unternehmers, der öffentlich anonym bleiben will. Wallner streitet die Vorwürfe – auch unter Wahrheitspflicht – ab, die WKStA ermittelt.

Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner zog sich über den Sommer aus gesundheitlichen Gründen zurück
Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner zog sich über den Sommer aus gesundheitlichen Gründen zurück © APA/DIETMAR STIPLOVSEK

Mai: Wirbel um ÖVP-Finanzen

3. Mai 2022: Weil sie "Anschuldigungen der WKStA nicht mehr aushält", zieht sich Rechtsschutzbeauftragte Gabriele Aicher zurück. Justizministerin Alma Zadić nimmt die "persönliche Entscheidung" zur Kenntnis.

25. Mai 2022: Der Oberösterreichische Seniorenbund erhielt knapp zwei Millionen Euro an Coronahilfen aus dem "Non-Profit-Organisationen – Unterstützungsfonds"  obwohl Parteien und ihre Teilorganisationen davon explizit ausgeschlossen sind. Die ÖVP argumentiert, dass es sich beim Oberösterreichischen Seniorenbund um einen selbstständigen Verein hält, der nichts mit der ÖVP-Teilorganisation Seniorenbund zu tun hat. Eine Prüfung steht noch aus. Einige andere ÖVP-Teilorganisationen wie die Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend müssen im Laufe der nächsten Monate ihre Förderungen zurückzahlen.

Aus dem Osten des Landes kommen finanzielle Probleme auf ÖVP-Chef Karl Nehammer zu
Aus dem Osten des Landes kommen finanzielle Probleme auf ÖVP-Chef Karl Nehammer zu © APA/ROLAND SCHLAGER

Juni: Noch mehr Wirbel um ÖVP-Finanzen

10. Juni 2022: Nach mehrmaligen Verzögerungen veröffentlicht der Rechnungshof den Rechenschaftsbericht der ÖVP über die Parteifinanzen aus dem Jahr 2019. Die Prüfer glauben, dass die Volkspartei unter der Ägide des damaligen Generalsekretärs und heutigen Parteichefs Karl Nehammer auch bei der Nationalratswahl 2019 die Wahlkampfkostenobergrenze überschritten hat. Der Rechnungshof beauftragt daher erstmals Wirtschaftsprüfer, die Angaben einer Partei zu überprüfen.

25. Juni 2022: Nach dem von der SPÖ erhobenen Vorwurf, das Landwirtschaftsministerium könnte 2017 durch Zahlungen an Medien des Bauernbundes Wahlkampffinanzierung für die ÖVP betrieben haben, schaltet der ressortzuständige Minister und frühere Bauernbund-Direktor Norbert Totschnig (ÖVP) die Interne Revision ein. Aufgrund der Vorwürfe bis hin zur illegalen Parteienfinanzierung solle diese Vergabe geprüft werden.

Juli: Spitzelei in der FPÖ

3. Juli 2022: Die früheren Personenschützer von Kanzler Karl Nehammer, die betrunken einen Unfall verursacht hatten, wurden zwar nicht gekündigt, sind aber aus der Spezialeinheit Cobra ausgeschieden. Die Staatsanwaltschaft Korneuburg prüft in der Causa einen Anfangsverdacht gegen "mehrere namentlich bekannte Personen".

22. Juli 2022: Ein offenbar heimlich vom Ex-FPÖ-Abg. Hans-Jörg Jenewein aufgezeichnetes Telefonat mit Parteikollegen legt den Verdacht nahe, dass FPÖ-Chef Herbert Kicklin die Architektur der parteinahen Vereine involviert war, die die WKStA auf den Plan gerufen hatte. Man habe sich 2015 im Büro Kickls zusammengesetzt, sagte Markus Tschank darin, Kickl habe auch den Namen "Austria in Motion" konzipiert.

FPÖ-Chef Herbert Kickl
FPÖ-Chef Herbert Kickl © APA/ROLAND SCHLAGER

August: Nächtliche Rettung für die Wien Energie

9. August 2022: Die Corona-Finanzierungsagentur (Cofag) könnte Hunderte Millionen Euro zu viel ausgezahlt haben, heißt es in einem Rohbericht des Rechnungshofs. Außerdem habe die ausgegliederte Cofag eine Vielzahl an externen Beratern benötigt und in den Führungsebenen habe es Interessenskonflikte gegeben. Der Rechnungshof empfiehlt die Auflösung der Cofag.

10. August 2022: Der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, wird zu einer Geldstrafe von 72.000 Euro verurteilt. Er soll 2020 eine Anzeige gegen eine Redakteurin der Presse an Christian Pilnacek weitergegeben haben und vor dem U-Ausschuss eine falsche Aussage getroffen haben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Fuchs geht in Revision.

28. August 2022: Die Wien Energie ist in finanziellen Turbulenzen. Über Nacht muss der Bund einen Rettungsschirm spannen. Über die nächsten Tage stellt sich heraus: Es ist nicht das erste Mal, dass das Unternehmen Geld braucht. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hatte dem Unternehmen bereits am 15. Juli ohne jede öffentliche Information eine Kreditlinie von 700 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Opposition der Hauptstadt setzt eine Untersuchungskommission ein.

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) stellte sich in der Krisenkommunikation zunächst in die zweite Reihe
Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) stellte sich in der Krisenkommunikation zunächst in die zweite Reihe © APA/HANS KLAUS TECHT

29. August 2022: Das Oberlandesgericht Wien hebt das Korruptionsurteil gegen Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in der Prikraf-Affäre auf. Der Prozess rund um einen mutmaßlichen Gesetzeskauf wird ab November wiederholt.

September: Wurden Coronatests gefälscht?

23. September 2022: Niederösterreichs FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl und eine ehemalige Landesbedienstete werden vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs vor Gericht freigesprochen. "Ein Bauzaun in Betonschuhen mit einer Reihe Stacheldraht darüber stellt per se keine die Persönlichkeit destabilisierende Maßnahme dar", erklärte die Richterin – auch nicht für 14 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

Gottfried Waldhäusl (FPÖ) vor Gericht
Gottfried Waldhäusl (FPÖ) vor Gericht © APA/BENEDIKT LOEBELL

27. September 2022:Hausdurchsuchung bei einem FPÖ-Mitarbeiter. Die Staatsanwaltschaft Wien vermutet, dass der FPÖ-Fraktionschef im U-Ausschuss, Christian Hafenecker, jemanden angestiftet haben könnte, Corona-Testzertifikate zu fälschen. Hafenecker bestreitet das.

Oktober: Das Geständnis des Thomas Schmid

15. Oktober 2022:Zwölf Hausdurchsuchungen im Umfeld der Grazer FPÖ werden in den Morgenstunden durchgeführt, unter anderem bei Ex-Parteichef und Vizebürgermeister Mario Eustacchio und Ex-Finanzreferent Matthias Eder. Letzterer hatte schon im Vorjahr gestanden, bis zu 700.000 Euro an Förderungen für eigene Zwecke missbraucht zu haben und diese Summe zurückbezahlt. Darüber hinaus sind für die Partei weitere 1,1 Millionen Euro aus der Ära Eustacchio nicht zuordenbar.

In den nächsten Tagen kommt es zum Kahlschlag in der Grazer Stadtpartei: Stadtparteichefin Claudia Schönbacher und Klubobmann Alexis Pascuttini werden aus der Partei ausgeschlossen, andere Mitglieder des Gemeinderatsklubs legen ihre Mitgliedschaft aus Protest zurück. Der von ihnen neu gegründete "(Korruptions-)Freie Gemeinderatsklub" geht in Folge selbst gegen die Landespartei vor.

18. Oktober 2022: Es wird bekannt, dass Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid seit Juni vor der WKStA aussagte, die vielen Vorwürfe gegen sich gestand und andere Beschuldigte von Ex-Kanzler Sebastian Kurz abwärts umfangreich belastete.

Als Folge führt die WKStA Hausdurchsuchungen bei der Signa-Gruppe des Immobilientycoons René Benko durch. Der Milliardär soll Schmid mit einem Job bestochen haben, damit ihm dieser bei seinen Steuerproblemen hilft. Benko bestreitet den Vorwurf, es gilt die Unschuldsvermutung.

Ausgerechnet den ursprünglichen Verdacht rund um die Bestellung von Peter Sidlo zum Casag-Finanzvorstand entkräftet Schmid bei den Befragungen: Er habe nur Wahrnehmungen zu Abmachungen über Aufsichtsräte, nicht aber zu Vorständen. Die Causa Casag hatte die Ermittlungen der WKStA erst ins Rollen gebracht. Ein neuer Vorwurf Schmids bestätigt sich hingegen offenbar: Laut Schmid hat das Finanzministerium 2017 Beratungs- und Coachingleistungen bezahlt, die "ausschließlich im Interesse der ÖVP" waren. Im Dezember zahlt die Grazer Beraterfirma ICG nach interner Prüfung fast 20.000 Euro an das Finanzressort zurück.

Thomas Schmid auf dem Weg, im U-Ausschuss nichts zu sagen
Thomas Schmid auf dem Weg, im U-Ausschuss nichts zu sagen © Georg Aufreiter

19. Oktober 2022: Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) setzt zum Gegenschlag an: Um sich zu entlasten, übergibt er der WKStA die Aufzeichnung eines Telefonats mit Thomas Schmid. Dieses hatte er im Oktober 2021 nach Bekanntwerden der Vorwürfe geführt, beide Männer beteuern darin ihre eigene Unschuld. Schmid wird später der WKStA sagen, dass er während des Gesprächs eine Überwachung durch die Staatsanwaltschaft befürchtet hatte.

20. Oktober 2022: Die ehemalige Abteilungsleiterin für Prävention im Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) gibt unter Wahrheitspflicht an, mutmaßlich politische Postenbesetzungen beobachtet zu haben. Etwa als ihr eigener Stellvertreter mit einem Mitglied des katholischen Cartellverbandes (CV) besetzt wurde. Die eigenen Mitarbeiter hätten dessen Aufträge nicht verstanden: "Eine derartige mangelnde Kompetenz habe ich sonst bei niemandem feststellen können". Der Genannte leitet nun im BAK das Referat Prävention und Ursachenforschung.

November: Verhängnisvolle Beziehungen

3. November 2022: Zwei Jahre lang hatte die WKStA einen Anfangsverdacht gegen Presse-Chefredakteur Rainer Nowak geprüft. Grundlage waren Chats mit Thomas Schmid. Dieser versuchte demnach, Einfluss auf die redaktionelle Berichterstattung der Presse zu nehmen. Im Gegenzug sollte Schmid Nowak "beim ORF helfen", wo der Presse-Chef offenbar Generaldirektor werden wollte. Das Ergebnis der WKStA: Strafrechtlich hatte sich Nowak nichts vorwerfen zu lassen.

Im selben Akt wird auch dargestellt, wie stark die FPÖ im Frühjahr 2019 versuchte, Einfluss auf den ORF zu nehmen. Dabei chattete Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache auch mit ORF2-Chefredakteur Matthias Schrom. "Langsam wird's und die, die glauben, die SPÖ retten zu müssen, werden weniger", erklärte Schrom dem damaligen FPÖ-Chef. Nach heftiger öffentlicher Kritik ziehen sich Nowak und Schrom wenige Tage nach Veröffentlichung der Chats zurück.

8. November 2022: Ex-Grünen-Chef Christoph Chorherrmuss sich vor Gericht verantworten. Prominente Immobilieninvestoren wie René Benko, Michael Tojner, Erwin Soravia und Wilhelm Hemetsberger sollen an einen gemeinnützigen Verein gespendet haben, dessen Obmann Chorherr war. Im Gegenzug sollen sie sich von Chorherr Unterstützung bei Baubewilligungen erhofft haben. Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe.

Ex-Grünen-Chef Christoph Chorherr muss sich vor Gericht verantworten
Ex-Grünen-Chef Christoph Chorherr muss sich vor Gericht verantworten © APA/GEORG HOCHMUTH

10. November 2022: 270.000 Euro für ein Pilotprojekt zahlte das Innenministerium, um 33 abgewiesene Asylwerber zu einer Rückkehr zu motivieren. Ein Nigerianer ließ sich überzeugen, zeigen Unterlagen aus dem ÖVP-U-Ausschuss. Dem Generaldirektor der beauftragten Organisation, Ex-ÖVP-Chef Michael Spindelegger, erklärte das Ministerium, dass trotz Verfehlung der vereinbarten Ziele "das Tun und das Bemühen" förderfähig seien.

21. November 2022: ÖVP-Bundesrat Harald Himmereinigt sich vor Gericht auf eine Diversion: Er habe Ende 2007 und Anfang 2008 als Manager der Alcatel-Lucent Austria AG seine Befugnisse missbraucht und das Unternehmen am Vermögen geschädigt. Dank einer Geldbuße von 11.500 Euro gilt der Politiker nicht als vorbestraft.

Dezember: Wieder Wirbel um ÖVP-Finanzen

7. Dezember 2022: Die Staatsanwaltschaft Wien nimmt Untreue-Ermittlungen im Zusammenhang mit Inseratenschaltungen in den ÖVP-nahen Verlagen "Innova" und "NÖ Pressverein" auf.

12. Dezember 2022: Im Zuge der Überprüfung durch vom Rechnungshof beauftragte Wirtschaftsprüfer meldete die ÖVP für den Rechenschaftsbericht 2019 mehr als eine Million Euro zusätzlicher Wahlkampfkosten für die Nationalratswahl nach. Die Prüfer gehen aber davon aus, dass zusätzlich zu den von der Partei anerkannten 6,6 Millionen Euro an Ausgaben weitere 888.676,58 Euro an Wahlkampfkosten anfielen. Generalsekretär der ÖVP war 2019 der heutige Parteichef Karl Nehammer.

ÖVP-Chef Karl Nehammer ist um Ruhe in den eigenen Reihen bemüht
ÖVP-Chef Karl Nehammer ist um Ruhe in den eigenen Reihen bemüht © APA/ROLAND SCHLAGER

14. Dezember 2022: Der frühere deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) wollte seinem früheren Amtskollegen und heutigen Kanzler Karl Nehammer (ÖVP), 2021 helfen, "aus innenpolitischen Gründen" einen Abschiebeflieger mit Afghanen nach Kabul zu chartern, berichten mehrere Medien. Die Aktion dürfte in letzter Sekunde gestoppt worden sein.

17. Dezember 2022: Interne Chats und E-Mails aus dem Niederösterreichischen ORF-Landesstudio zeigen, dass sich der frühere Chefredakteur und jetzige Landesdirektor Robert Ziegler auffällig stark für TV-Präsenz von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) einsetzt. Hinter vorgehaltener Hand sei Ziegler als Chefredakteur etwa "Kommunikationslandesrat" genannt worden, berichtet der "Standard".

Der ORF-Redaktionsrat fordert die sofortige Suspendierung Zieglers. Generaldirektor Roland Weißmann setzt in den folgenden Tagen eine Evaluierungskommission ein. ORF-Radiodirektorin Ingrid Thurnher übernimmt die Leitung der aktuellen Berichterstattung zur nahenden Landtagswahl.

21. Dezember 2022: Das Oberlandesgericht Innsbruck hebt die Schuldsprüche gegen den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, auf. Die Causa rund um eine mutmaßlich weitergegebene Anzeige muss neu verhandelt werden.