Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) gab eine Empfehlung heraus, Afghanen nicht mehr in ihre Heimat, abzuschieben. Die "Non-Return Advisory" schließe Asylwerber, deren Antrag abgelehnt wurde, mit ein, sagte Sprecher Shabia Mantoo am Dienstag in Genf.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hält entgegen Kritik von vielen Seiten nach wie vor an Abschiebungen fest. Zuvor hatte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres an die Weltgemeinschaft appelliert, afghanische Flüchtlinge aufzunehmen und Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen.

Appell des Bundespräsidenten

Österreich wie die Europäische Union müssten jene unterstützen, die jetzt bedroht seien, und diesen Menschen gegebenenfalls Schutz gewähren, erklärte Bundespräsident Alexander Van der Bellen. "Die aktuelle Entwicklung in Afghanistan ist erschütternd und macht tief betroffen", äußerte sich Van der Bellen. "Meine Sorge gilt besonders auch allen Frauen und Mädchen, deren elementare Rechte auf Freiheit, Berufsausübung und Bildung nun massiv gefährdet sind, sowie Angehörigen von Minderheiten."

Afghanische Bürgerinnen und Bürger, die ihr Land verlassen wollen, müssten dies frei, sicher und über offene Grenzen tun können, ebenso wie Bürgerinnen und Bürger anderer Staaten, die sich in Afghanistan aufhalten.

"Gleichzeitig müssen Österreich und die EU alle verbliebenen wirtschaftlichen und politischen Mittel nützen, um Einfluss auf die Taliban zu nehmen, auch wenn das gegenwärtig nicht einfach sein wird", meinte der Bundespräsident weiter.

Abschiebung nach Rumänien

Das Innenministerium hat am Dienstag trotz der laufenden politischen Diskussion nach der Machtübernahme der Taliban mehrere Flüchtlinge aus Afghanistan aus Österreich abgeschoben, allerdings nach Rumänien. Zehn Personen sind laut dem Ressort im Rahmen der Dublin-Bestimmungen außer Landes gebracht worden, davon vier afghanische, fünf syrische und ein marokkanischer Staatsbürger.

"Absurde, unmoralische Diskussion"

SOS Mitmensch übt indes scharfe Kritik an der Reaktion der Bundesregierung auf die tragischen Ereignisse in Afghanistan und spricht angesichts einer „absurden und unmoralischen“ Abschiebediskussion von einem „zertrümmerten moralischen Kompass“.

„Während Menschen in akuter Lebensgefahr sind und Millionen Mädchen und Frauen von einem verbrecherischen Steinzeit-Patriarchat bedroht werden, redet unsere Regierung nicht über Aufnahme und Hilfe, sondern über Abschiebungen in die Hände der extremistischen Taliban. Das ist beschämend, zutiefst unmoralisch und unvernünftig“, kritisiert SOS Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak die Wortmeldungen von Innenminister Karl Nehammer und Außenminister Alexander Schallenberg.

Gebot der Stunde sei es, sich an den Aufnahmeinitiativen anderer Länder zu beteiligen, um möglichst viele bedrohte Personen zu retten, fordert SOS Mitmensch. Darüber hinaus gelte es, die in Österreich lebenden Afghaninnen und Afghanen zu schützen und zu beruhigen, und selbstverständlich müsse der afghanischen Botschafterin in Österreich Asyl angeboten werden, so die Menschenrechtsorganisation. „Es war falsch und schäbig vom Außenminister, die afghanische Botschafterin einzubestellen, nachdem diese angesichts des Vormarsches der Taliban berechtigterweise vor weiteren Abschiebungen nach Afghanistan gewarnt hat“, erklärt Pollak.

"Menschenleben retten"

„Österreich kann nicht in Afghanistan intervenieren, aber wir können durch Aufnahme Menschenleben retten, und wir können den Afghaninnen und Afghanen, die in Österreich leben, Sicherheit und Chancen bieten, mit all den dazugehörenden rechtsstaatlichen Pflichten“, fordert SOS Mitmensch-Sprecher Pollak die Bundesregierung auf, ihren moralischen Kompass wieder zu restaurieren.