Die ÖVP hat am Freitag ihre Unterstützer zu einer Rede von Parteichef und Bundeskanzler Karl Nehammer nach Wels gerufen, um einen „Österreichplan“ zu präsentieren und damit ins Wahljahr zu starten. Der Regierungschef trommelte dabei vor rund 1500 Unterstützern jene Inhalte, die bereits in den vergangenen Tagen Medien zur Verfügung gestellt worden waren. Im Vorprogramm hatte man Angriffe vor allem gegen die FPÖ, aber auch gegen die SPÖ geritten.

Nehammer will etwa Wohnungseigentum stärken. Eine halbe Million mehr Eigentümer soll es bis 2030 geben, was zu stehenden Ovationen im Auditorium führte. 800 neue Kassenstellen will er in diesem Zeitraum, die Lohnnebenkosten senken, mit dem „Regulierungswahnsinn“ aufhören, alle Steuern auf Überstunden abschaffen, und jene mit 1.000 Euro belohnen, die Vollzeit arbeiten.

Ökologie will Nehammer mit Ökonomie vereinen. Der Straßenbau soll dabei nicht zu kurz kommen. Denn irgendwo müssten die Autos neuer Technologien ja fahren. Weiterer Schwerpunkt ist die Sicherheit - von erhöhtem Verteidigungsbudget bis Terror-Bekämpfung. Sozialleistungen für Zuwanderer soll es erst nach fünf Jahren geben und was er von diesen erwartet, machte der Kanzler auch klar: „In meinem Verständnis ist Integration Anpassung.“

Die Wichtigkeit des heurigen Jahres betonte der ÖVP-Chef schon in seinen einleitenden Worten: „Dieses Jahr 2024 ist das Jahr der Entscheidung.“ Er stehe für Gestaltung und damit entgegen denjenigen, die für Zerstörung stünden.

Damit angesprochen war wohl FPÖ-Obmann Herbert Kickl, dessen Partei schon im Vorprogramm Ziel von Attacken speziell von Generalsekretär Christian Stocker und Klubchef August Wöginger war. Stocker nannte den Freiheitlichen-Chef gar einen Versager. Eingespielt wurden auch Videos, die etwa Kickls früheres Plädoyer für Lockdowns zur Coronazeit zum Inhalt hatten.

Bebildert wurde auch die Kritik an SPÖ-Chef Andreas Babler, indem dessen Sager, Marxist zu sein, zu Gehör gebracht wurde. Ihr Fett ab bekamen schließlich die Klimakleber, derer sich Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm annahm: „Diese sinnlose Kleberei muss ein Ende haben.“

In die Welser Messe gekommen waren ein großer Teil der schwarzen Regierungsmannschaft und fast alle Landeshauptleute aus den Reihen der ÖVP, aber auch Parteiprominenz von früher: Von Ex-Parteichef Josef Pröll über die Ex-Präsidentschaftskandidaten Andreas Khol und Benita Ferrero-Waldner bis hin zu den Alt-Landeshauptleuten Erwin Pröll, Josef Pühringer und Waltraud Klasnic.

Die Eckpunkte des Österreich-Plans

82 Seiten umfasst der Österreich-Plan, mit dem ÖVP-Chef Karl Nehammer in die Nationalratswahl gehen will. Am heutigen Freitag soll das Konvolut am Rande seiner Rede in Wels, die den Start des Vorwahlkampfs markiert, verteilt werden. Die Kleine Zeitung ist bereits im Besitz des Papiers.

Der Österreich-Plan enthält keine Sensationen. Inhaltlich, ideologisch, programmatisch orientiert sich Nehammer an der ohnehin bekannten DNA der Volkspartei, wobei einmal mehr die Begriffe Leistung, Familie, Sicherheit in den Vordergrund rücken. Auffallend ist allerdings das Bemühen, der FPÖ inhaltlich keine Front zu bieten. Ein Kapitel trägt den Titel „Land der Neutralität“, ein anderes „Land der österreichischen Identität“ mit der Forderung nach einer gesetzlichen Verankerung der Leitkultur. Das Europakapitel findet sich unter ferner liefen ab Seite 66.

Zu den einzelnen Forderungen aus dem breiten Potpourri an Vorschlägen:

„Deregulierungsturbo“. Wirtschafts-, budget- und sozialpolitisch benötige Österreich, wie es in dem Papier heißt, einen „Regimewechsel“. Von einem „Deregulierungsturbo“ und einer „Ausgaben- und Subventionsbremse“ ist die Rede. Auch die „Abkehr vom Interventionismus und Etatismus“ wird eingefordert.

Steuerzahler. Unter dem Slogan „Programm für die fünf Millionen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler“ schlägt Nehammer die Senkung des Eingangssteuersatzes von 20 Prozent auf 15 Prozent vor. Eingeführt werden soll ein steuerlicher Vollzeitbonus in Höhe von 1000 Euro für all jene, die Vollzeit arbeiten. Alle Überstunden sollen künftig steuerfrei sein. Wenig überraschend enthält der Österreich-Plan eine Absage an neue Vermögens- und Erbschaftssteuern.

Eigenheim. Angedacht wird die Einführung eines staatlich besicherten Wohnbaukredits auf das erste Eigenheim. Alle Gebühren und Steuern sollen bis zu einem Gesamtvolumen von einer Million Euro wegfallen.

Sparbücher. So soll die Kapitalertragssteuer bei Sparanlagen bis 100.000 Euro wegfallen. Eingeführt werden soll ein Vorsorgedepot durch die Wiedereinführung der Behaltefristen bei Wertpapieren.

Kassazettel & Lebensmittel. Beim Kauf von Waren oder Dienstleistungen unter 20 Euro soll die vor Jahren eingeführte Belegpflicht entfallen. Um die Verschwendung von Nahrungsmitteln zu reduzieren, soll auf Lebensmittel das Mindesthaltbarkeitsdatum vom Verfallsdatum abgelöst werden.

Arbeitsmarkt. Damit Arbeitslose schneller in den Arbeitsprozess zurückkehren, soll das Arbeitslosengeld degressiv ausbezahlt werden, wobei die Ersatzrate von 55 auf 50 Prozent gesenkt wird.

Großelternkarenz. Wenn Großeltern anstelle der Eltern Betreuungspflichten nachkommen, sollen sie das Kinderbetreuungsgeld beziehen dürfen. Bis 2030 werden 4,3 Milliarden in den Ausbau der Kinderbetreuung gesteckt.

Gesundheit. Bis zu weitere 700 Kassenstellen sollen bis 2030 eingeführt werden. Für in Österreich ausgebildete Ärzte soll es eine Berufspflicht geben. Nach jedem Arztbesuch sollen die Kosten verpflichtend aufgelistet werden. Auch soll es eine verpflichtende Gesundenuntersuchung für alle Jugendliche – vergleichbar mit der Stellung – geben.

Grüner Verbrenner. Nehammer spricht sich, wie er sagt, für einen „Klimaschutz mit Hausverstand“ aus. Eine Milliarde Euro soll in die weitere Entwicklung des grünen Verbrenners investiert werden. Bis 2040 sollen 20 Milliarden Euro in den Straßenbau investiert werden, um die Mobilität von E-Autos, grünen Verbrennern, Hybridfahrzeugen zu ermöglichen.  

Klimaticket. Erwogen wird die Ausweitung des Klimatickets für Dienstreisen wie auch für Touristen.

Zuwanderer. Nach dem Vorbild des sozialdemokratisch regierten Dänemark sollen Zuwanderer erst nach fünf Jahren einen vollen Zugang zu Sozialleistungen erhalten. Statt Geldleistungen soll es Sachleistungen geben. Wer arbeitsfähig ist und Sozialhilfe bezieht, muss einer gemeinnützigen Arbeit nachgehen.

Asylwerber. Um das Ab- und Untertauchen zu erschweren, soll die Bewegungsfreiheit von abgelehnten Asylwerbern eingeschränkt werden. Wer in die Heimat auf Urlaub fährt, soll den Asyltitel verlieren.    

Sicherheit. Bei Wiederholungstätern wird eine „Nulltoleranzpolitik“ vorgeschlagen. Die Strafen bei Übergriffen gegen Einsatz- und Rettungskräften sollen erhöht werden – wie auch jene für Klimakleber.  

Justiz. Straftäter aus Drittländern sollen ihre Strafen im Ausland absitzen, im Ausland sollen Justizanstalten errichtet werden. Bei Freisprüchen sollen alle Kosten vom Staat refundiert werden. Im Internet soll es eine Klarnamenpflicht geben.

Qualifizierte Zuwanderung. Um qualifizierte Zuwanderung zu erleichtern, soll die Rot-Weiß-Rot-Karte binnen 72 Stunden ausgestellt werden. Die Nostrifizierung von Studienabschlüssen aus gewissen Ländern soll ersatzlos gestrichen werden.

EU-Produkte. Im öffentlichen Vergabewesen sollen EU-Produkte bevorzugt werden. Asiatische, vor allem chinesische Produkt, die staatlich stark subventioniert werden, sollen bei Ausschreibungen nur in Ausnahmesituationen zum Zug kommen.

Fußballstadion. Nehammer will die Errichtung eines neuen nationalen Stadions forcieren. In Schulen soll eine Winter- wie auch eine Sommersportwoche für alle Kinder eingeführt werden.

Holocaust-Museum. Die ÖVP macht sich für die Errichtung eines Holocaust-Museums in Österreich stark. In Israel oder den USA existieren bereits vergleichbare Museen.

Menschen mit Behinderung. Um Menschen mit Behinderung Wertschätzung entgegenzubringen, sollen diese künftig einen Lohn und eine eigene Sozialversicherungsnummer erhalten. Derzeit erhalten sie in geschützten Werkstätten lediglich ein Taschengeld.

Leitkultur. Bis 2030 sollen die österreichische Leitkultur als nationales Kulturgut gesetzlich verankert werden. Was das konkret bedeutet, bleibt offen.

Gender. Unter dem Slogan „Gender-Missbrauch abschaffen“ legt Nehammer ein Bekenntnis zu zwei Geschlechtern in der Sprache ab. Sonderzeichen sollen abgeschafft, Doppelnennungen verstärkt verwendet werden. An Unis darf Gendern nicht prüfungsrelevant sein.