Vor zehn Tagen wollten Sie die Thermen öffnen, jetzt wollen Sie das Burgenland über Ostern runterfahren. Warum der Sinneswandel?
HANS PETER DOSKOZIL: Ich habe meine Meinung nicht geändert. Die Grundsatzfrage ist doch: Wie geht man mit der Pandemie um? Manche Experten meinen, es ist besser kontrolliert zu öffnen als die Leute unkontrolliert zu Hause zu lassen. Andere wollen alles zusperren. Ich bin für die kontrollierte Öffnung. Als bekannt wurde, wo wir bei den Intensivstationen hinsteuern, mussten wir handeln.

Das war seit Wochen klar?
Das war nicht klar, denn die Zahlen sind sehr volatil. Wir hatten vor Kurzem noch zehn bis 15 belegte Intensivbetten, dann ist es wieder raufgegangen. Zuletzt wurden wieder Betten frei, leider teilweise auch deshalb, weil Menschen verstorben sind. Die britische Variante setzt uns ordentlich zu.

Im Burgenland müssen die Spitäler auf Notbetrieb umschalten. Haben Sie nicht zu lang den Kopf in den Sand gesteckt?
Jede Woche treffe ich die Spitalschefs. Das hat sich nicht abgezeichnet. Wir sind jetzt in einer extremen Situation. Wenn wir über Ostern einen Schub bekommen,  müssen wir Patienten in andere Bundesländer transferieren. Es kann aber auch sein, dass die Lage nicht eintritt.  

Seit Wochen ist klar, dass der Osten Österreich besonders stark von der britischen Variante heimgesucht wird und es deshalb auf den Intensivstationen knapp werden könnte. 
Sie sagen ja selber „knapp werden könnte“. Es kann niemand sagen, was genau passiert. Das ist auch der Grund, warum wir uns noch auf keine Linie nach Ostern verständigt haben.

Wien verlängert den Lockdown nach Ostern, Sie warten ab. Worauf?
Ich will mich bis zum Freitag mit Hanni Mikl-Leitner akkordieren, wie wir weitermachen. Es ist nicht sinnvoll, dass wir unterschiedliche Wege gehen.

Sollten Sie öffnen, hieß es doch, dass alle Wiener nach Parndorf oder in die Shopping-City fahren?
Das ist meine Kritik. Wie erkläre den Menschen im Südburgenland, dass sie nicht in Oberwart einkaufen dürfen, aber in Hartberg und in Seiersberg schon?

Das verstehen die Leute schon, wenn sie sehen, dass im Burgenland die Spitäler voll sind.
Es ist ja nicht so, dass in Oberösterreich oder in Salzburg die Lage eine völlig andere ist. Auch in der Steiermark gehen die Zahlen rauf.

Warum sollen die Steirer in einen Lockdown gehen, wenn die Zahlen besser als im Burgenland sind? 
Die Lage in den anderen Bundesländern ist ja nicht anders, deshalb plädiere ich für eine bundesweit einheitliche Linie. Die Lage war noch nie so ernst wieder derzeit. Was mich verblüfft, ist, dass sich die Bundesregierung zurückzieht. Im letzten Jahr gab es dauernd Pressekonferenzen, jetzt sollen es die Länder in Eigenregie richten. Da fehlt mir Leadership.

Sie meinen den  Kanzler?
Es reicht nicht, dass man nur vor die Öffentlichkeit tritt, wenn es Positives zu vermelden gibt. Man muss auch in schwierigen Zeiten präsent sein und zeigen, dass wir zusammenstehen. Ohne Bevölkerung wird es nicht funktionieren. Viele haben das Vertrauen verloren, glauben nicht mehr an die Maßnahmen. Man muss den Leuten eine Perspektive geben.

Kann man der Bevölkerung Perspektiven geben, wenn man nicht weiß, wie sich das Virus entwickelt?
Die Perspektive kann nicht sein, dass man sagt: Im Mai sind alle über 50-Jährigen durchgeimpft. Oder, dass wir im Sommer alle auf Urlaub fahren können. Das kann ich als Bundeskanzler nicht versprechen, wenn ich es nicht einhalten kann.

Wie es der Kanzler macht. Was wäre Ihr Zugang?
Man muss den Leuten klar sagen: Wenn ein gewisser Schwellenwert erreicht ist, bei der Inzidenzzahl gepaart mit der Belegung auf der Intensivstation, dann gibt es Lockerungen. Wir müssen den Bürgern eine klare Perspektive geben.

Sie wollen einen Automatismus?
Genau, aber kein Politiker kann sagen: Es ist der 1. Juni, der 1. Juli, der 1. August. Diese permanente Hin und Her, das versteht kein Mensch.

Kurz hat heute verkündet, dass Österreich Sputnik-Impfstoff bekommt. Ist das eine gute Idee?
Es muss das Schlagwort gelten: Besser geimpft als nicht geimpft. Kurz muss sich nun darum kümmern, dass sich die Österreicher darauf verlassen können, dass der Impfstoff zertifiziert und zugelassen wird.

Von der EU? Die Ungarn machen es national?
Natürlich muss es die EU machen. Wir haben im Burgenland das Problem, dass die ungarischen Arbeitnehmer, die zu uns kommen, teilweise mit Sputnik geimpft sind und wir nicht wissen, ob die EU das als Impfschutz anerkennt. Das muss europäisch gelöst werden. Derzeit ist es nicht gelöst. 

Was halten Sie vom grünen Pass?
Es muss einen simplen Nachweis geben, welche Möglichkeiten Leute haben, die geimpft sind, die Antikörper haben, die getestet sind. Wenn wir Mörbisch öffnen wollen, sollte man was vorweisen können. Das verstehe ich unter kontrollierter Öffnung.

Wären dies Privilegien?
Das einzige Privileg, das wir wollen, ist, dass die Menschen gesund sind. Wer sich nicht impfen lässt, kann sich ja testen lassen. Man muss auch nicht geimpft sein, wenn man zum Friseur will. Es reicht der Test.

Mir fällt auf, dass Sie in der Corona-Politik sprunghaft sind. Im Jänner waren Sie gegen die Teststrategie, die die Regierung mit der SPÖ ausgemacht hat?
Das kann nicht sein, weil ich im Spital in Leipzig war.

Aber im National- und im Bundesrat haben die burgenländischen Abgeordneten anders als die SPÖ-Chefin gestimmt.
Im Dezember habe ich mich über die Massentests beschwert, weil keiner gewusst hat, warum es gemacht wird. Jetzt ist die Lage eine andere.

Sie lassen nichts unversucht, um gegen die Parteichefin zu sticheln?
Was habe ich aktuell gemacht? Der Bundesrat? Da ging es um Maßnahmen, die ich mit der Regierung paktiert habe. Ich baue auf Handschlagqualität.

Ist sie die ideale SPÖ-Chefin?
Jeder, der gerade an der Spitze der SPÖ steht, ist der ideale, die ideale SPÖ-Chefin. Die Diskussion bringt nichts.

Sie gelten nicht als großer Fan?
Der ÖVP ist es unter Mitterlehner genauso gegangen. Die Umfragen waren schlecht, die Partei war unzufrieden. Uns geht es nicht viel besser. Obwohl die ÖVP in der Krise steckt: Blümel, Sobotka und Brandstetter sind verdächtigt, in anderen Ländern müssten solche Leute zurücktreten.

Muss Blümel zurücktreten?
Selbstverständlich. Im Burgenland musste auch der Landesrat (Illedits) zurücktreten, obwohl er womöglich gar nicht verurteilt wird. Wir sind nicht durchgetaucht.

Sie vergleichen die Lage mit der Mitterlehner-Ära. Wer ist der Kurz der SPÖ?
So etwas gibt es nicht bei uns.

Ihnen fällt kein Zugpferd ein? Unsere Chefin ist Rendi-Wagner. Es gibt derzeit keine Diskussion.

Soll die SPÖ jemand aufstellen für die Bundespräsidentenwahl?
Ich gehe davon aus, dass Van der Bellen noch einmal kandidiert. Ich kann es jetzt nicht sagen. Grundsätzlich sollte die SPÖ immer den Anspruch haben, einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Wenn es komplett aussichtslos ist, sollte man es sich noch einmal überlegen.