Eine „Kampfansage“ sieht Bauernbund-Präsident Georg Strasser, Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) warnt vor einer „riesigen Industrie-Lobby“. Eine Umfrage des Thinktanks „Good Food Institute Europa“, wonach sich in Österreich 63 Prozent für die Zulassung von sicherem Laborfleisch aussprechen und 42 Prozent angeben, sie würden ein solches Produkt probieren, erhitzt die Gemüter.

Morgenpost von Hubert Patterer: Man ist, wass man isst

Laborfleisch, oder kultiviertes Fleisch, entsteht, wenn aus tierisches Muskelzellen in einer Nährstofflösung Fleischfasern gezüchtet werden. Bisher ist der Verkauf solcher Produkte nur in wenigen Ländern, darunter Singapur und Israel, zugelassen. Fleischersatzprodukte aus Soja oder Erbsenprotein, die auch in österreichischen Supermärkten zu finden sind, haben mit Fleisch aus dem Labor nichts zu tun.

Die Studie, wonach die Österreicherinnen und Österreicher kultiviertem Fleisch durchaus positiv gegenüberstehen, sei „unseriös“, kritisierte Strasser. Die Auftraggeber würden versuchen, natürliche Lebensmittelproduktion zu verteufeln. Petra Riefler, Leiterin des Instituts für Marketing und Innovation an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien, überraschen die Ergebnisse jedoch nicht. Die Boku habe kürzlich eine ähnliche Befragung unter 800 repräsentativ ausgewählten Österreicherinnen und Österreichern durchgeführt, die zumindest gelegentlich Fleisch essen. „Durchaus offen“, seien die Befragten für kultiviertes Fleisch gewesen, sagt Riefler, gut die Hälfte habe angegeben, sie würde Laborfleisch zumindest probieren wollen. Grundlegend ablehnend hätten sich dagegen 20 bis 25 Prozent gezeigt. Insgesamt habe es aber Erklärungsbedarf gegeben, was kultiviertes Fleisch überhaupt ist.

Aber welche Produkte ließen sich durch Fleisch aus dem Labor ersetzen? Die Grazerin Patricia Bubner, die im Silicon Valley ein Start-Up für kultiviertes Fleisch gegründet hat, spricht im Interview mit der Kleinen Zeitung vor allem von Produkten, die derzeit aus „industrieller Massentierhaltung“ auf den Teller kommen. „Kultiviertes Fleisch wird als Faschiertes, oder auch als Zutat, auf den Markt kommen – zum Beispiel im Belag auf der Tiefkühlpizza oder im Fast-Food-Burger.“

Weltweiter Fleischkonsum massiv gestiegen

Die Nachfrage nach Fleisch dürfte international jedenfalls weiterhin hoch bleiben. Zwar ist der Fleischkonsum in Österreich zuletzt leicht zurückgegangen, aber „aus den derzeitigen Daten kann man davon ausgehen, dass auch in Zukunft bei der Mehrheit der Österreicherinnen und Österreichern Fleisch auf den Tellern liegt“, sagt Riefler. Weltweit ist der Appetit auf Fleisch ohnehin ungebrochen: 2022 wurde laut Zahlen der Vereinten Nationen global rund doppelt so viel Fleisch konsumiert wie noch in den 1990er Jahren.

Das hat seinen Preis: Laut der Welternährungsorganisation stammt rund ein Achtel der weltweiten, von Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen, die den Klimawandel vorantreiben, aus der Nutztierhaltung. Welche Rolle Laborfleisch künftig spielen könnte, diese zu reduzieren, ist noch unklar, schließlich wird kultiviertes Fleisch noch nicht im industriellen Ausmaß hergestellt. Gingen frühere Schätzungen noch von einer massiven Reduktion der Emissionen im Vergleich zu klassischer Fleischproduktion aus, seien neuere Berechnungen weniger optimistisch, schreibt etwa das deutsche Umweltbundesamt. Denn auch beim Betrieb von Bioreaktoren und die Herstellung von Nährmedien entstehe CO₂. Demnach könnte der Fußabdruck von Laborfleisch zwar geringer ausfallen als der von Rindfleisch, aber größer als jener von Hühner- und Schweinefleisch. Auch ein hoher Energiebedarf könnte zum Problem werden. Dafür dürfte etwa der Wasserverbrauch geringer ausfallen als bei herkömmlicher Fleischproduktion, klare Vorteile seien jedenfalls beim Flächenverbrauch zu erwarten.

Wüsten- und Inselstaaten im Fokus

Laborfleisch stehe „im Widerspruch zu unseren bäuerlichen Familienbetrieben“, bemängelt Totschnig. Bubner, selbst aus einer Bauernfamilie, versucht zu beschwichtigen. „Österreich ist definitiv nicht das erste Land, an das ich denke, wenn ich an unser Marktpotenzial denke.“ Es gebe „dutzende Länder, die zum Beispiel kein eigenes Fleisch produzieren können“, sagt Bubner und verweist auf Insel- und Wüstenstaaten. Laborfleisch könnte hier eine Möglichkeit sein. Sie wolle heimischen Landwirten „nichts wegnehmen“, betont die Chemikerin. „Ich bin der festen Überzeugung, dass niemand ein Schnitzel so gut machen kann wie die österreichischen Bauern.“