Am Anfang stand die "Woche der Begegnung": 1977 wurde in deren Rahmen erstmals um den Bachmann-Preis gelesen. Unter den Juroren: Mit-Initiator Humbert Fink und Friedrich Torberg.

Bei der Gelegenheit gab es den ersten Skandal. Marcel Reich-Ranicki meinte zum Text von Karin Struck: "Wen interessiert, was die Frau denkt, während sie menstruiert? Das ist keine Literatur - das ist ein Verbrechen." Struck reiste unter Tränen ab.

Charmanter Betriebsausflug: Verleger, Herausgeber von Literaturzeitschriften, Lektoren, Journalisten: Wer wissen will, was Autoren beschäftigt, reist nach Klagenfurt. Nur heuer ist alles anders: Wegen Corona bleiben alle zuhause, der Bachmann-Preis findet virtuell statt.

Disqualifiziert: 1990 wird Margit Schreiner, als Favoritin für den Bachmann-Preis gehandelt, während des Lesens wegen einer bereits publizierten Erstfassung disqualifiziert. Dasselbe Schicksal ereilt Hubert Konrad Fink.

Bachmannpreis 1977: Humbert Fink, Walter Jens und Marcel Reich-Ranicki
Bachmannpreis 1977: Humbert Fink, Walter Jens und Marcel Reich-Ranicki © ORF

Eröffnet wird der Literaturzirkus normalerweise in Klagenfurt mit dem "Klagenfurter Literaturkurs", der im Vorfeld stattfindet. Heuer allerdings fällt die "Häschenschule" aus - im nächsten Jahr soll es aber auf jeden Fall wieder einen Literaturkurs geben. Ein neuer Tutor wurde bereits bekannt gegeben: 2021 wird Thomas Lang die Teilnehmer begleiten.

Fein aber, dass das Wettlesen um den Bachmann-Preis stattfindet. Denn das war eigentlich coronabedingt schon abgesagt. Nach dem Protest einiger Juroren entschied der ORF, die "Tage der deutschsprachigen Literatur" digital durchzuführen. Sprich: Die Lesungen der Autoren sind voraufgenommen die Juroren werden von ihren Büros aus zu den Diskussionen zugeschaltet. Im ORF-Studio moderiert Christian Ankowitsch.

Garten und Café: Gelesen wird normalerweise im ORF-Theater, genetzwerkt wird im Café und im Garten. Nächstes Jahr dann wieder.

Ferdinand Schmalz gewann als bislang letzter Österreicher 2017 den Bachmann-Preis
Ferdinand Schmalz gewann als bislang letzter Österreicher 2017 den Bachmann-Preis © APA/GERT EGGENBERGER

Hipper Ratgeber. Angela Leinen verrät in "Wie man den Bachmann-Preis gewinnt" (Heyne) künftigen Autoren, wie man beim Schreiben alles richtig macht.

Im Vorjahr dachte Clemens Setz in seiner Klagenfurter Rede "Kayfabe und Literatur" über Querbezüge zwischen Wrestling, Politik und Literatur nach. Die diesjährige Klagenfurter Rede hält Sharon Dodua Otoo, Bachmannpreis-Gewinnerin 2016. Ihre Rede trägt den Titel "Dürfen Schwarze Blumen Malen" und wurde im Vorfeld aufgenommen.

Juroren: Unter Vorsitz von Hubert Winkels diskutieren, reden und richten weitere sechs Juroren, und zwar  Nora Gomringer, Klaus Kastberger, Brigitte Schwens-Harrant, Philipp Tingler, Michael Wiederstein und Insa Wilke.

Kulisse: Jahrelang war der Künstler H. P. Maya (1944 bis 2012) für das Bühnenbild verantwortlich. Mittlerweile übernimmt Klaus Wachschütz, der technische Direktor des ORF Kärnten, diese Aufgabe.

Legendäre Sieger: 1977 gewann Gert Jonke den ersten Bachmann-Preis, 1978 folgte Ulrich Plenzdorf. Außerdem: Sten Nadolny (1980), Wolfgang Hilbig (1989), Franzobel (1995). Für alle, die die letzten drei Sieger nicht präsent haben: Das waren Ferdinand Schmalz (2017), Tanja Maljartschuk(2018) und Birigt Birnbacher (2019).

Medien: 3sat überträgt auch heuer wieder live und erreicht in normalen "Bachmann"-Jahren rund 25.000 Zuseher. Mal schauen, wie viele es heuer sein werden, wenn der Bewerb nur via 3sat oder Internet verfolgt werden kann. Deutschlandfunk begleitet den Bewerb ebenfalls und überträgt live im Radio. Auf Twitter herrscht unter dem Hashtag #TddL immer reger Betrieb. Und rund 100 Journalisten akkreditieren sich normalerweise jährlich für den Bewerb - sie werden heuer wohl auch vor dem Fernseher sitzen.

Neu ist beim "Bachmannpreis Spezial", dass Moderator Christian Ankowitsch Co-Moderatoren bekommt. Er ist also nicht ganz alleine in Klagenfurt, sondern darf sich über Gesellschaft durch die Autorin Julya Rabinowich und den Kulturjournalisten Heinz Sichrovsky freuen, die vom Garten aus ihre Kommentare abgeben werden.

Gert Jonke, Preisträger 1977
Gert Jonke, Preisträger 1977 © ORF

Ohne Publikum muss es heuer gehen. Normalerweise ist das sehr treu: Die Plätze im ORF-Theater sind immer gut gefüllt, oft bekommt man überhaupt keinen Platz mehr. Auch Schulklassen sind normalerweise zu Gast - immerhin bekommt man hier den perfekten Literaturunterricht: einen Text und gleich sieben Meinungen zu diesem Text. Da lernen auch die Schüler: Über Literatur lässt sich vortrefflich streiten.

Preise: Gelesen wird um fünf Preise: Bachmann-Preis (25.000 Euro), Deutschlandfunk-Preis (12.500 Euro), Kelag-Preis (10.000 Euro), 3sat-Preis (7.500 Euro), BKS-Bank-Publikumspreis (7000 Euro sowie Stadtschreiber-Stipendium). Für letzteren kann man die Stimme Samstag  zwischen 15 und 20 Uhr (orf.bachmann.at) abgeben.

Quer durch die Stadt: Seit Wochen laden in der Klagenfurter Innenstadt Stoffsessel mit Bachmann-Zitaten zum Rasten ein. Immerhin soll auch heuer in Klagenfurt nicht vergessen werden, dass der Bachmann-Preis stattfindet.  

Rahmenprogramm: Das ist normalerweise immer sehr umfangreich, und auch heuer muss man nicht ganz verzichten. Unter dem Motto "Call für Inge" erweckt Vada während der Tage der deutschsprachigen Literatur (Bachmannpreis) die „Öffentliche Passiv-Münzer-Zelle“ neben dem Jugendstiltheater im Klagenfurter Goethepark zu neuem Leben. Vom 18. bis 20. Juni 2020 ruft in dieser Telefonzelle täglich jeweils um 18.30 Uhr eine Person des literarischen Lebens an. Sobald es klingelt, darf jemand aus dem umstehenden Publikum den Hörer abnehmen und mit der Anruferin oder dem Anrufer ein Telefonat führen. Das Gespräch wird via Lautsprecher an das umstehende Publikum live übertragen. Mit dabei: Isabella Straub (18. Juni, 18.30 Uhr), Karsten Krampitz (19. Juni, 18.30 Uhr) und Ines Birkhan (20. Juni, 18.30 Uhr).

Skandal: 1991 sorgte Urs Allemann mit dem mit dem "Preis des Landes Kärnten" ausgezeichneten Prosatext "Babyficker" für Proteststürme: Man warf ihm vor, Wunschfantasien eines Pädophilen präsentiert zu haben.

Totgelaufen. Nachdem ihre Erben aus Protest gegen die FPÖ-Regierungsbeteiligung 2000 die Namensnennung von Ingeborg Bachmann in Zusammenhang mit dem Wettbewerb untersagten, urteilte Jörg Haider: "steril, totgelaufen" und zog den "Preis des Landes" zurück - die Telekom Austria sprang ein. Seit damals heißt der Bewerb "Tage der deutschsprachigen Literatur".

Unvergessen: 1983 schlitzte sich Rainald Goetz vor laufender Fernsehkamera die Stirn mit einer Rasierklinge.

Videoporträts: Vor der Lesung werden Porträts der Autoren gezeigt. Hineinschauen kann man via orf.bachmannpreis.at

Wirtschaftsfaktor: Das "Büro Bachmann" bucht jedes Jahr rund 150 Zimmer - immerhin akkreditieren sich rund 450 Menschen aus dem Literaturbetrieb jährlich für die Tage der deutschsprachigen Literatur, darunter rund 100 Journalisten. Dazu kommt der Mehrwert durch die umfangreichen Berichte in praktisch allen deutschsprachigen Medien.

XY-ungelöst: Um es mit Egyd Gstättner zu sagen: Beim Bachmann-Preis laufen 14 Autoren ein und am Schluss siegt immer ein Deutscher. Na gut, stimmt natürlich nicht ganz. 2011 gewann mit Maja Haderlap eine Kärntnerin, 2017 mit Ferdinand Schmalz ein Steirer. Und im Vorjahr natürlich Birigt Birnbacher. Also doch ein ganz guter Schnitt?

Zu guter Letzt: Heuer rittern 14 Autoren um die Preise. Vielleicht gewinnt diesmal ja ein Österreicher, denn wie im Vorjahr sind wieder sechs heimische Autoren im Rennen. Mit sechs heimischen Teilnehmern hat Österreich wieder ein starkes Starterfeld. Mit dabei sind Laura Freudenthaler, Lydia Haider,  Hanna Herbst (sie wird als Deutsch-Österreicherin geführt), Egon Christian Leitner, Jörg Piringer und  Carolina Schutti.