Er hat die Behörden genarrt, nun soll er so schnell wie möglich wieder gefasst werden: Nach der spektakulären Flucht von Joaquin "El Chapo" Guzman aus einem Hochsicherheitsgefängnis in Mexiko fahnden Tausende Polizisten im ganzen Land nach dem mächtigen Drogenboss. 8200 Bundespolizisten seien in höchster Alarmbereitschaft , teilte das mexikanische Innenministerium am Mittwochabend (Ortszeit) mit.

Rund um das Gefängnis El Altiplano im zentral gelegenen Bundesstaat Mexico suchten 1250 Beamte gezielt nach dem Chef des Sinaloa-Kartells. Unterstützt werden sie von mehr als 180 Angehörigen einer Spezialeinheit der Gendarmerie. Auch knapp 50 Spürhunde waren im Einsatz.

100.000 Steckbriefe

Die Sicherheitskräfte errichteten an Landstraßen und Autobahnen rund 100 Kontrollposten und verteilten an Mautstationen mehr als 100.000 Steckbriefe des Flüchtigen. An allen Airports des Landes wurden Privatflüge besonders streng kontrolliert. "Die Bundespolizei arbeitet bei der Suche und Ortung von Guzman in enger Abstimmung mit den lokalen Sicherheitskräften zusammen", erklärte das Innenministerium in Mexiko-Stadt.

Guzman war am Samstag durch einen 1,5 Kilometer langen Tunnel aus der Haftanstalt geflohen. Für den aufwendigen, sehr professionell anmutenden Bau muss der Kartellchef sowohl innerhalb als auch außerhalb des Gefängnisses Helfer gehabt haben. "El Chapo" war schon 2001 aus einem anderen Hochsicherheitsgefängnis entkommen - damals versteckt in einem Wäschewagen.

Mächtigster Drogenhändler der Welt

"El Chapo" galt vor seiner Festnahme im vergangenen Jahr als mächtigster Drogenhändler der Welt. Mit Rauschgiftschmuggel, Produktpiraterie, Menschenhandel und Erpressung setzt sein Sinaloa-Kartell jährlich Milliarden Dollar um. Er selbst schaffte es vorübergehend auf die "Forbes"-Liste der reichsten Menschen der Welt.

In Mexiko und den Vereinigten Staaten werden Guzman unter anderem Drogenhandel und organisierte Kriminalität vorgeworfen. Die mexikanische Generalstaatsanwaltschaft setzte ein Kopfgeld in Höhe von 60 Millionen Pesos (etwa 3,4 Mio Euro) auf ihn aus.

Unterstützung von FBI und DEA

Unterdessen veröffentlichte die internationale Polizeiorganisation Interpol erneut eine sogenannte Rote Notiz. Damit ist "El Chapo" in allen 190 Mitgliedstaaten zur Festnahme und Auslieferung ausgeschrieben. Die US-Bundespolizei FBI und die amerikanische Antidrogenbehörde DEA boten ihre Hilfe bei der Suche an, wie die Zeitung "Milenio" berichtete. Demnach trafen sich Vertreter der DEA und der US-Bundespolizei FBI bereits mit mexikanischen Strafverfolgern, um Informationen über Guzman auszutauschen. Der Chef des Sinaloa-Kartells sei gefährlich und möglicherweise bewaffnet, hieß es in dem am Donnerstag veröffentlichten DEA-Steckbrief. "Die Jagd geht wieder los", sagte der stellvertretende DEA-Chef Jack Riley dem US-Fernsehsender CNN. Riley wies Berichte zurück, nach denen nach dem Ausbruch Misstrauen zwischen den mexikanischen und amerikanischen Behörden herrsche: ""Chapo" hofft darauf, dass die Polizisten auf beiden Seiten der Grenze nicht miteinander reden. Ich kann nur sagen: Wir tun das jetzt mehr als jemals zuvor." 

Die Grenzkontrollen zwischen Mexiko und dem südlichen Nachbarland Guatemala wurden verschärft. In der Luft, zu Wasser und zu Land werde in dem unwegsamen Gelände nach Guzman gesucht, sagte der mexikanische Innenminister Miguel Angel Osorio Chong nach einem Treffen mit dem guatemaltekischen Botschafter. 1993 war "El Chapo" bereits einmal in Guatemala gefasst worden.

Entscheidende erste Tage

Nach Einschätzung von Sicherheitsexperten sind die ersten Tage nach dem Ausbruch entscheidend, um Guzman erneut zu fassen. Sollte er es erst einmal in seine Heimatregion im Nordwesten des Landes oder ins Ausland schaffen, könnte er für immer verschwunden bleiben, warnten sie.

Guzman verfügt in seiner Hochburg im schwer zugänglichen Grenzgebiet zwischen den Bundesstaaten Sinaloa und Durango über großen Rückhalt in der Bevölkerung. Auch sein Kollege an der Kartellspitze, Ismael "El Mayo" Zambada, wird dort - beschützt von einer Privatarmee - vermutet. "Niemand kommt in diese Zone, ohne dass er von den Informanten des Kartells entdeckt wird", zitierte "Milenio" aus Sicherheitskreisen.