Andreas Babler ist am Abend des Aschermittwoch 2024 der „Gaststar“ von Max Lercher. Richtig, der „Rebell“ aus Murau und Unterstützer von Hans Peter Doskozil bietet dem neuen Bundesparteivorsitzenden der SPÖ eine Bühne. (Wie es dazu gekommen ist, lesen Sie weiter unten). Schauplatz ist die Zechner-Halle in Kobenz bei Knittelfeld. Heißes Eisen im Vorfeld war der Vorstoß von Gewerkschafter Josef Muchitsch in der „Kleinen Zeitung“, der einen wirtschaftsfreundlicheren Kurs der Babler-SP einmahnte.  „Er macht sich Sorgen“, wollte Landesparteichef Anton Lang wie auch andere dies nicht als Kritik an Babler verstanden sehen. Die SPÖ müsse sich weiter öffnen, um wieder vorne zu liegen.

Lang im Video über Muchitsch:

Babler und die Pointe

„Danke, dass du mich eingeladen hast“, bedankt sich Babler bei Lercher. Er sei hier, um „Kraft aufzutanken“. Einen Witz probiere er: „LH Johanna Mikl-Leitner sagte, es würde keine Koalition mit der Kickl-FPÖ geben. Pointe. Ende.“ Ach ja: In der ÖVP seien keine Bürgerlichen mehr, sondern Burger-liche.  
Es sei aber ernst. „Wie kann das sein, dass sich am Ende der Periode einer hinstellt und einen Plan vorlegt?“, spielt er auf den Karl Nehammers Österreich-Plan an. Der sei ein „Heiratsantrag an die FPÖ“ gewesen. Die ÖVP habe das Gespür verloren, die Teuerungswelle durchrauschen lassen. „Um nun bei der Arbeitslose auf 50 Prozent kürzen zu wollen? Das ist menschenfeindlich. Sie bekämpfen die Arbeitslosen, wir die Arbeitslosigkeit.“

Die Volkspartei sei entrückt, denen verpflichtet, die in wenigen Tagen mehr verdienen würden als ein Postler in einem Jahr. Aber „Vermögen ohne Leistung tut nicht gut“, ätzt Babler. Er wolle ja moderne Standortpolitik, aber aus Perspektive der Arbeitnehmer. Die FPÖ wiederum sei immer dabei gewesen, und „wenn sie nur Schmiere gestanden“ ist. Die FPÖ plakatiere Festungen und meine Gefängnisse. Schwarz und Blau würden die „Orbanisierung“ planen. „Sie greifen Institutionen wie die Justiz und die Arbeiterkammer an. Die freien Medien.“ Am Ende drohten Einschnitte in die persönliche Freiheit: Was passiere mit „den Menschen auf der Fahndungsliste? Einsperren? Wegga?“ Auch eine FPÖ ohne Kickl sei die FPÖ. „Wer will eine Koalition mit einem Landbauer oder einem Kunasek?“ Babler nicht. Der FP-Chef sei ein Angstbeißer.

Babler stehe für Respekt jedem Einzelnen gegenüber und nicht dafür, bloß Macht auszuüben oder sich die Republik aufzuteilen. Das müsse eine neue Sozialdemokratie ausmachen, ist Kritik an der eigenen Partei herauszuhören. Babler tritt erneut für Vermögenssteuern ein („Eh nur ein futzi-kleiner Beitrag“) und für eine Kindergrundsicherung. Arbeitszeitverkürzung? Ja, stufenweise, in der Pflege auf 35 Stunden. Und natürlich: „Für dieselbe Hackn dasselbe Geld für unsere Frauen.“

Jetzt wolle er aber ein Bier trinken oder zwei. „Für drei Bier sind die anderen zuständig“, so Bablers Seitenhieb auf Straches altes Foto und die Blauen.

Video von Babler in Lerchers „Revier“:

Lercher legt los

Gastgeber Lercher ist zuvor am Wort: Manche behaupten, er habe „Babler nur eingeladen, damit seine Unterstützer einmal für mich klatschen.“ Dann in die volle Halle: „Laut Excel-Liste unseres Bezirksbüros haben wir weit über 500 Leute, also 1000.“
Lob gibt es vom „Rebellen“ für Lang: „Wenn die anderen Politiker durch die Steiermark tingeln und was reden, arbeitet er es auf.“ Lercher sei auch froh über „Georg Dornauer. Da ist einer in der SPÖ, der sich noch um Internationales kümmert“. Der erkrankten Holzleitner rät er: „Schnapstee trinken und Decken drüber, das ist die steirische Kur.“

Bald ist der Murauer bei der ÖVP: „Da kann alles passieren, aber Wolfgang Sobotka bleibt.“ Der VP-Politiker könne den Klimaklebern Kurse geben ... Er selbst habe nie etwas von Nehammer und Kogler gehalten, aber nicht einmal „bei den Bierpreisen haben sie eingegriffen. Wir brauchen einen Bierpreisdeckel, bevor es der Marco Pogo (Dominik Wlazny, Bierpartei, Anm.) macht.“
Es ging aber auch härter: „Zuerst war die Korruption da, und um sie herum wurde die ÖVP gebaut“, poltert Lercher. Was sei in der VP „normal? Nie zuständig, wenn es um etwas geht, aber gefühlt 100 Jahre in der Regierung“. Das Anti-Inflationsprogramm der ÖVP? Lercher hält McDonald‘s-Gutscheine in die Höhe.

Max Lercher (SPÖ) mit dem „Anti-Inflationsprogramm der ÖVP“
Max Lercher (SPÖ) mit dem „Anti-Inflationsprogramm der ÖVP“ © APA / Erwin Scheriau

Die Grünen kommen ebenso zum Handkuss: „Der Anstand würde die Grünen sicher nimmer wählen“, spielt er auf deren frühere Kampagnen an. Auch beim Klimaschutz hätten die Grünen das Augenmaß verloren: „Mit einer Top-Anbindung vor der Eigentumswohnung in Wien kann man nicht wissen, was die Alleinerzieherin bei uns am Berg, die den Sohn zum Fußball fahren will, braucht – ein Auto.“

Die Freiheitlichen? Die würden viele Probleme ansprechen. Aber „wo fahren Sie hin? Nach Afghanistan. Was soll man dort lernen? Frauenverachtung? Extremismus?“ Auch das Aufheben der Schulpflicht lehne Lercher strikt ab. Und Orbans Ungarn als Vorbild ebenso. „Die Ungarn kommen zu uns nach Murau auf Urlaub.“
Dann ernst: „Wollt ihr einen Staat, wo du auf eine Liste kommst, wenn du etwas Falsches sagst?“ Wer das wolle, wähle die FPÖ.
Er aber ruft seine Partei auf. „die Sorgen nicht den Blendern zu überlassen. Runter mit dem Zeigefinger und die Ärmel rauf.“

Blick in die Halle: Politischer Aschermittwoch der SPÖ
Blick in die Halle: Politischer Aschermittwoch der SPÖ © APA / Erwin Scheriau

„Alles Gute lieber Max, ich komme nicht“

Zurück an den Start: „Es geht schon los, du darfst das Bierchen mitnehmen“, wird Anton Lang auf die Bühne gebeten. Der Landesparteichef gibt zu, mit dem politischen Aschermittwoch eine „FPÖ-Veranstaltung, wo auf alles hingedroschen wird“, zu verknüpfen. Als Lercher von seiner Aschermittwoch-Idee erzählt habe, habe er, Lang, gesagt: „Alles Gute lieber Max, ich komme nicht.“ Aber Lercher habe nicht auf ihn gehört – kein Fehler.

Zu den nicht so schlechten Umfragen gefragt, meint Lang trocken: „Die gibt es halt.“ Wichtiger sei: Die Stimmung in der SPÖ würde derzeit passen, die ist in Stimmen umzumünzen. Aus seiner Sicht wird (der Landtag) im November dieses Jahres gewählt. Lang möchte wieder mit der ÖVP regieren, aber „unter umgekehrten Voraussetzungen“.  

Der Finanzreferent und Verkehrsreferent ist ein Obersteirer – kein Nachteil für Obersteiermark, spricht Lang auch von sich. Die Kritik an der Fahrplan-Umstellung im Sog der Koralmbahn kenne er. Aber das Aichfeld könne sicher sein, die wichtigsten Verbindungen blieben erhalten. Das gelang nicht ohne Hilfe der Abgeordneten: Zeitweise war Lang „schon froh, wenn der Wolfgang Moitzi nicht zu mir ins Büro gekommen ist. Der kannte jeden Fahrplan auswendig.“ Auch der „Max Lercher, ein alter Fuchs, hat Druck aufgebaut. Es war hilfreich.“ 

Anton Lang (SPÖ) in der Eventhalle Zechner
Anton Lang (SPÖ) in der Eventhalle Zechner © APA / Erwin Scheriau

„Besser als eine Bonboniere“

Elisabeth Grossmann, die für die erkrankte Eva-Maria Holzleitner einspringt, greift unterdessen den Valentinstag auf: „Besser als eine Bonboniere wäre eine faire und gerechte Bezahlung für Frauen, eine gute Kinderbetreuung, und zwar auch am Land.“ Bald landet sie bei der Signa: Die einen machten sich „Sorgen, wie sie ihre Milliarden ins Trockene bringen, während die Menschen unter der Teuerungswelle leiden.“
Die EU-Parlaments-Kandidatin der Steirer-SP lässt auch das Lieferketten-Gesetz nicht aus. „Was haben die Schwarzen im Ausschuss gemacht? Sie haben die Sitzung so lange verzögert“, dass der Antrag der SP (dem Gesetz zuzustimmen, Anm.) nicht mehr zur Sprache kam.    

LH-Stv. Anton Lang, Elisabeth Grossmann, Andreas Babler und Max Lercher (SPÖ)
LH-Stv. Anton Lang, Elisabeth Grossmann, Andreas Babler und Max Lercher (SPÖ) © APA / Erwin Scheriau

Es begann mit einem Tief

Als Bundesgeschäftsführer frisch hinausbugsiert, ohne Mandat und nur noch Regionalvorsitzender der SPÖ Obersteiermark West. Max Lercher ist Anfang 2019 in einem politischen Tief, in dem er nicht verharren mag. Wie sich Aufmerksamkeit generieren lässt, weiß Lercher, ist er doch mit seinen damals 32 Jahren schon ein politischer Haudegen. Und so ruft er kurzerhand einen roten politischen Aschermittwoch ins Leben. Er holt Parteigranden nach Judenburg, wirft sich im „Oberweger Stadl“ in Tracht, sticht ein Bierfass an, schwingt eine deftige Rede; das Krügerl am Pult fehlt nicht, die Menge johlt.

Die Entdeckung des Aschermittwochs

Lercher macht von Beginn an keinen Hehl daraus, den politischen Aschermittwoch nicht der FPÖ überlassen zu wollen, die diese Tradition seit Jahrzehnten pflegt. Noch dazu eignet sich ein Jahr davor ein anderer Politiker dieses politische Brauchtum an und lädt 2018 zum politischen Aschermittwoch nach Klagenfurt. Es handelt sich um einen gewissen Sebastian Kurz.

Der Kreis schließt sich

Ob Lerchers Aschermittwochs-Initiative ein Baustein für den im Herbst 2019 erfolgten Einzug in den Nationalrat war, lässt sich schwer sagen. Jedenfalls wiederholt der SPÖ-Politiker das Spektakel 2020 und nach der Pandemie 2023. Nun steht das vierte Treffen an, mit dem sich der Kreis zu 2019 schließt. Denn der Tag scheint nicht fern, an dem Max Lercher abermals ohne Mandat dasteht und nur regionaler Parteivorsitzender ist. Er selbst ist es, der nach der Stichwahl Babler-Doskozil verkündet, bei der Nationalratswahl nicht mehr zu kandidieren.

Ausgerechnet Andreas Babler ist am Aschermittwoch 2024 Gaststar von Max Lercher. Er selbst lädt den Bundesparteichef im vergangenen Herbst ein, nachdem er sich vom internen Abstimmungschaos erfangen hat. Der Stadl in Judenburg wäre im Wahljahr zu klein, deshalb lädt Lercher in die Zechner-Halle nach Kobenz bei Knittelfeld. Rund 500 Gäste sind am Abend angesagt, die Veranstaltung ist öffentlich, neben sprachlich Deftigem gibt es Bier und Heringschmaus.

Sprungbrett aus dem Parlament

„Bodenständigkeit tut uns gut, Spaß soll es auch machen, kommt eh viel zu selten vor bei politischen Veranstaltungen“, sagt Max Lercher. Diesmal ist sein Aschermittwoch kein Sprungbrett ins, sondern aus dem Parlament. Wo er landet, lässt sich schwer erahnen. Die Leitung des Renner-Instituts im Burgenland wird‘s auf Dauer kaum sein, glauben Parteikenner. Die Tür hält er sich jedenfalls selbst offen: „Der Hunger auf politische Veränderung ist noch immer vorhanden“, sagt er im Herbst im Interview. Und jetzt kündigt er im Gespräch mit der Kleinen Zeitung an: „Der rote politische Aschermittwoch bleibt bestehen, solange ich Vorsitzender der Regionspartei bin.“ Also zumindest bis 2027, bis dahin ist er gewählt. Ein Polit-Abschied schaut anders aus.