Die jüngsten Auswertungen der Mails des seit Februar dieses Jahres suspendierten Sektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek,  werfen ein katastrophales und blamables Licht auf sein Verhältnis zum Rechtsstaat und beleuchten sein gespanntes Verhältnis zur Korruptionsbehörde WKStA. Die Opposition sieht nun insbesondere die Grünen in der Regierung gefordert. Es gehe darum, den Rechtsstaat vor dem Zugriff der ÖVP zu schützen.

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) mahnte am Mittwoch Respekt vor rechtsstaatlichen Institutionen ein und meinte in Richtung Pilnacek, ohne diesen namentlich zu nennen, dass sie sich von Spitzenbeamten der Justiz erwarte, "dass sie allen Institutionen des Rechtsstaats und insbesondere dem Verfassungsgerichtshof den gebührenden und gebotenen Respekt entgegenbringen", so die Justizministerin in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

Aufgabe von Beamten sei es, "dem Rechtsstaat und den Menschen in Österreich zu dienen". Zudem müssten Justizvertreter wachsam gegenüber jeder Form von Diskriminierung, Herabwürdigung und Ausgrenzung sein. "Wer rassistische und frauenfeindliche Ansichten vertritt, wer andere Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihres Geschlechts herabwürdigt, beschädigt das Ansehen der unabhängigen Justiz und damit das Vertrauen der Menschen in diese wichtige Säule der Demokratie", so Zadic in Anspielung auf einen Chat Pilnaceks, indem er sich abfällig über Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) äußert.

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck hat die Chats ausgewertet. "profil", "Falter" und "Standard" berichten über die Erkenntnisse, die aus dem Ibiza-U-Ausschuss durchgesickert sind. Pilnacek hatte ein wachsames Auge auf alle Geschehnisse rund um die österreichische Justiz - offenbar inklusive Berücksichtigung familiärer Interessen. Und er hat im Zuge der turbulanten Debatte der vergangenen Monate nichts dazugelernt. 

Nachricht an Schützenhöfer

Der "Falter" und "profil" zitieren eine Chatnachricht von 8. Jänner dieses Jahres an den steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer: „Lieber Herr LH, Prosit 2021 und viel Erfolg im Vorsitz der LH-Konferenz; möchte nur informieren, dass Präsident des OLG Graz ausgeschrieben ist; wäre Gelegenheit, das an unserer Familie begangene Foul auszugleichen; bitte um Deine Unterstützung; Caroline wäre wohl eine Wohltat für die Gerichtsbarkeit in der Grünen Mark; herzliche Grüße; Christian Pilnacek“.

Schützenhöfer war nicht zuständig, und Pilnaceks Gattin Caroline List, seit 2017 Präsidentin des Grazer Landesgerichtes, wurde nicht bestellt. Eine Sprecherin Schützenhöfers erklärte dem "Standard", der Landeshauptmann habe nichts für die Juristin getan. "Mein Mann hatte im Zusammenhang mit der Besetzung des Postens eines Präsidenten des Oberlandesgericht Graz keine Funktion und keine Einflussmöglichkeit kraft Amtes", erklärt List selbst gegenüber dem "Standard". "Zu meiner privaten Kommunikation mit meinem Ehemann werde ich keine Stellung beziehen."

"Nur aufmunternde Worte"

Auch den gut vernetzten Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter, mit dem er gut befreundet ist, soll Pilnacek um Unterstützung für seine Frau gebeten haben. Auch dieser ließ den "Standard" wissen, er habe nur "aufmunternde Worte" für Pilnacek gefunden.

Pilnaceks WhatsApp-Nachrichten wurden in einen 150 Seiten starken Bericht zusammengefasst. Es sind dienstliche, aber auch private Chats, mit Spitzenpolitikern und Spitzenbeamten rund um den Kernbereich der Justiz. Sie belegen laut Medienberichten auch, wie Pilnacek versuchte, die Aufklärung des Ibiza-Skandals zu behindern.

VfGH im Visier

Am Bundesverwaltungsgericht wurde gestern, Dienstag, über Pilnaceks Suspendierung verhandelt. Das Urteil ergeht schriftlich.

Die neu bekannt gewordenen Mails lesen sich teils als Spott und Hohn über "juristische Laien" im Umfeld, wobei Pilnacek auch vor dem Verfassungsgerichtshof nicht Halt macht. Die Aufhebung des Kopftuch- und des Sterbehilfeverbotes durch den VfGH im Dezember 2020 interpretiert Pilnacek als "fehlgeleiteten Rechtsstaat", dem "man nicht mehr dienen" könne. Darauf Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter, selbst Mitglied des VfGH: "Mehr hat die Demokratie halt nicht zu bieten." Immerhin: Brandstetter verweist darauf, dass es sich um ein "demokratisch legitimiertes Organ" handelt.

An Respekt gegenüber den Höchstrichtern ließ es Pilnacek generell fehlen. Als gerade berichtet wurde, dass in Kuba künftig auch Müllfahrzeuge aus Österreich eingesetzt würden, zog Pilnacek laut Chat-Verkehr folgenden Schluss: Man könne ja den VfGH "nach Kuba exportieren". Und: Mit der schwarzen Vize hätten die Kubaner sicherlich ihre Freude, ätzte der einst höchste Beamte des Justizministeriums, eine andere gebe eine "gute Müllfrau" ab.

Die "Urschel" im Ministerium

Auch mit Justizministerin Alma Zadic (Grüne) steht Pilnacek auf Kriegsfuß - hatte diese doch seine "Supersektion" aufgelöst, mit der er die Hand über Gesetzeswerdung und Fachaufsicht hielt. Mit einem Anwalt, der Ex-Politiker in Korruptionsverfahren vertrat, tauschte er sich laut "Standard" verbal kräftig aus. Aus "Urschel" bezeichnete der Anwalt die Ministerin, als "missraten" Pilnacek die Staatsanwaltschaft.

Attacken auf die WKStA

Die Attacken des suspendierten Sektionschefs und einstigen Generalsekretärs auf die Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sind bereits weithin bekannt. Insbesondere vier Staatsanwälte nahm er dabei aufs Korn, einer davon, Matthias Purkart, hat sich erst vergangene Woche im U-Ausschuss über schikanöse Dienstaufsichtsbeschwerden beklagt.

"Uns fehlt ein Trump"

Die neu aufgetauchten Chats sollen den Eindruck bestätigen. Immer wieder bezeichnet Pilnacek laut Falter die Korruptionsermittlungen als "unerträglich", als "erbärmlich" und als "Skandal". Am 14. August 2019 schreibt er dem Verfassungsrichter und ehemaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter: "Die schießen die Republik zusammen...". Die WKStA stritt sich zu diesem Zeitpunkt mit dem Bundeskriminalamt, in dessen Soko Tape sie einen ÖVP-nahen Beamten vermutete, um die Auswertung des beschlagnahmten Handys von Heinz-Christian Strache. Es sei dann wiederum Brandstetter gewesen, der Pilnacek geraten habe, die WKStA mit einem Verfahren wegen Amtsmissbrauch zu beschäftigen.

Als die WKStA in der ÖVP-Schredderaffäre ermittelt, schrieb Pinacek an Brandstetter: "Uns fehlt ein Trump".

Staatsanwälte unter Druck

Der Falter zitiert viele Beispiele für Chats, in denen sich Pilnacek und der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Fuchs, abfällig über die Staatsanwälte äußern: Anzeigen, Diffamierungen, Intrigen, Dienstaufsichtsbeschwerden als Instrumente derer, die für die Dienstaufsicht zuständig sind. Für Purkart führt das laut Aussage im U-Ausschuss, die der "Falter zitiert", dazu, "dass ein Klima geschaffen wird, bei dem uns Spitzenkräfte verlassen und dass wir auch kaum Bewerber für die Planstellen, die man uns zusagt, finden. Am Ende stehen langsamere und schlechtere Ermittlungen. Damit wird es nicht nur für uns zum Problem, sondern für die Verfahrensbeteiligten, am Ende für uns alle und den Rechtsstaat.“

Auch von Zadic kam Kritik an den wiederholten Angriffen des türkisen Koalitionspartners auf die WKStA. "Wer mit Angriffen auf den Rechtsstaat politisches Kleingeld wechselt, hat nichts verstanden." Sie werde Kampagnen und Einschüchterungsversuche gegen die Justiz und ihre Mitarbeiter nicht zulassen, so Zadic.

Bemerkenswert ist der Hinweis von "profil" auf einen Chat Pilnaceks mit einer Kabinettsmitarbeiterin im Justizministerium von August 2019: "...wir müssen auch einmal aktiv werden; accounts der WKStA sichern..." Es war dann seine eigene Kommunikation, die sichergestellt wurde.