Zumindest ein Datum wird heute feststehen, vielleicht sogar ein Name. Wahrscheinlich wird der Herbert Kickl lauten. Seit acht Uhr früh berät das FPÖ-Parteipräsidium darüber, wer der nächste Parteichef wird. In der Bundesgeschäftsstelle der Partei im achten Bezirk in Wien rauchen seither die Köpfe. Auch Norbert Hofer, der vergangene Woche nach Angriffen Kickls überraschend seinen Parteichefsessel geräumt hatte, saß in der Beratungssitzung über seinen Nachfolger. Mitstimmen werde er aber nicht, wie er im Vorfeld versicherte.

"Das Gremium wird beraten, es wird eine kluge Entscheidung treffen", erklärte er bei seinem Eintreffen in der Bundesgeschäftsstelle. "Ich werde mich aber nicht einmischen." Hofer verließ die Sitzung dann zu Mittag vorzeitig - wegen eines Termins, wie er erklärte. Ebenfalls vorzeitig ging Oberösterreichs Parteichef Manfred Haimbuchner - und damit Kickls stärkster Kritiker. Seinen vorzeitigen Aufbruch begründete er mit seiner Teilnahme an der Regierungssitzung in Oberösterreich. Er unterstrich beim Verlassen der Geschäftsstelle jedoch, mit Kickl als Obmann leben zu können. "Kritik darf man üben, aber man muss zusammenhalten und zusammenarbeiten", erklärte er. "Ich werde eine gute Lösung unterstützen",

Kein Ende in Sicht

Aus FPÖ-Kreisen ist zu hören, dass aktuell noch kein Ende der Sitzung absehbar sei. Alle Zeichen sollen dennoch auf Kickl stehen. Der gab sich vor der Sitzung vorsichtig optimistisch: "Schauen wir ob heute weißer Rauch aufsteigt." 

Auf einem Parteitag, der so bald wie möglich abgehalten werden soll, wird der neue Chef dann formal gewählt. Auch jene Mitglieder, die über den Lauf der Dinge nicht erfreut sind, sagen am Wochenende: Zuwarten würde nichts verändern. Der nächste Obmann wird ohnehin Herbert Kickl heißen.

Kritik aus Oberösterreich

Die Landesparteiobleute aus Tirol, Kärnten, Salzburg und dem Burgenland haben sich bereits für Kickl ausgesprochen. Deutliche Kritik kommt nur aus Oberösterreich, wo der stellvertretende Landeshauptmann Manfred Haimbuchner um den Kurs der Partei, sein Wahlergebnis im September und die Regierungsbeteiligung bangt. Er werde Kickl nicht offensiv unterstützen, sagt er. In den Weg stellen werde er sich ihm aber auch nicht.

Das liegt auch an den fehlenden Alternativen: Alle Landesparteiobleute haben bereits ausgeschlossen, gegen Herbert Kickl zu kandidieren. Aus gutem Grund, wie Meinungsforscher Christoph Haselmayer vom Institut für Demoskopie und Datenanalyse hervorsticht: Bereits im Februar hat er die Zustimmungswerte für etwaige FPÖ-Chefs abgefragt: 44 Prozent der FPÖ-Wähler favorisierten damals Herbert Kickl, 30 Prozent Norbert Hofer. Alle anderen folgten weit abgeschlagen: Manfred Haimbuchner kam nur auf sechs Prozent, der Wiener Dominik Nepp auf vier Prozent und der Steirer Mario Kunasek auf zwei Prozent.

Hofers Demontage

Mit dieser eindeutigen Datenlage begann scheibchenweise die öffentliche Demontage von Norbert Hofer. Im Februar erhob Herbert Kickl in einem Interview mit dem Magazin News erstmals Anspruch auf den Chefsessel: „Ich wäre ein schlechter und unehrlicher Politiker, wenn ich nicht sagen würde: Natürlich ist das eine reizvolle Überlegung“, sagte er.

Dann begann der öffentliche Konflikt über das Tragen von FFP2-Masken im Parlament. Kickl verweigerte das und brachte den Parlamentsklub hinter sich. Im April kritisierte Hofer das als „Selbstüberhöhung“ und forderte die Einhaltung der Hausordnung ein. Darauf richtete der blaue Bundesrat Johannes Hübner seinem Parteichef aus, dass er wieder „zurück ins Boot“ und „auf den gemeinsamen Pfad“ finden müsse.

Im Parlamentsklub initiierte Kickl daraufhin einen Beschluss gegen einen „fliegenden Wechsel“ in die Bundesregierung. Hofer dementierte Spekulationen darüber, dass das geplant gewesen sei, und ruf seine Partei „zu Ruhe und Einigkeit“ auf. Doch der Schaden war da.

"Ende der Ära Strache"

Norbert Steger, Stiftungsratsvorsitzender und ehemaliger FPÖ-Chef, sieht den Konflikt schon länger schwelen. „Die inhaltliche Auseinandersetzung hat vor etwa einem Jahr begonnen“, sagt er. Auch beim Streit um die Maske ging es im Hintergrund darum, wie sehr die FPÖ die Corona-Politik der türkis-grünen Regierung mitträgt: „Es war fünf vor 12, dass die FPÖ draufkommt, dass es keine gute Strategie ist, so zu tun, als sei man immer noch oder bald wieder in der Regierung mit der ÖVP“, sagt Steger.

Steger selbst wurde vor 25 Jahren aus dem Chefsessel geputscht. Er verlor in einer Kampfabstimmung gegen Jörg Haider. „Ein Obmannwechsel ist ein normaler Vorgang“, sagt er heute. „Mit Hofers Rücktritt ist die Ära Strache formal beendet. Den wirklichen Schaden trägt die ÖVP“, sagt Steger: „Die FPÖ ist für sie jetzt nicht mehr Reservespieler auf der Ersatzbank.“

Auch Christoph Haselmayer analysiert, dass ein FPÖ-Obmann Kickl der ÖVP weh tun könnte: Während die FPÖ im November bei einer von ihm durchgeführten Umfrage nach der Sonntagsfrage noch auf 12 Prozent kam, liegt sie jetzt bei 18 bis 20 Prozent: „Der kantige Kickl-Kurs hat eine Wähler-Rückholaktion von der ÖVP in Gang gesetzt.