Die Sonne lacht den Landeshauptleuten in der Obersteiermark – nicht. Weder im Osten, im Garten der Villa des Bundespräsidenten in Mürzsteg, noch im Westen, am Grundlsee und in Bad Aussee. Der Stimmung tut es keinen Abbruch: Endlich wieder ein echtes Treffen, das lässt sich keiner der acht Herren mit einer Dame entgehen. „Ohne den Regen wäre die Steiermark nicht so Grün“, zitiert „Tour-Guide“ Hermann Schützenhöfer einen Tourismus-Slogan.

Dann wird es ernst. "Wir kommen langsam an die Grenzen der Finanzierbarkeit bei der Gesundheit": Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), derzeit Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, stellt die Budgetsituation zum Abschluss der halbjährlichen Tagung der neun in Bad Aussee drastisch dar.

Schon kommende Woche soll  eine weitere Runde der Landeshauptleute mit der Staatsspitze im Bundeskanzleramt stattfinden. Die Länder seien bereit, den Finanzausgleich, der die Aufteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden abermals um zwei Jahre zu verlängern.

"Zuvor braucht es aber eine Einigung mit dem Bund über die Finanzierung der diversen Corona-Manahmen - Epidemiegesetz, Contact Tracing, Testen - und die Krankenhäuser-Finanzierung andererseits", so Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). In Summe gehe es um rund zwei Milliarden Euro, die die Länder vom Bund einfordern, nur ein Teil davon sei bereits geflossen.

Die Landeshauptleute beschäftigten sich in ihren Beratungen intensiv mit der Möglichkeit weiterer Öffnungsschritte, auch wenn es gelte, extrem vorsichtig zu bleiben und die Entwicklung der nächsten Tage abzuwarten:

  • Einreisende am Landweg sollten sich in Österreich nicht mehr registrieren müssen, die Regelung von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) sei zu bürokratisch, so Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer - an den Grenzen zu Bayern entstehen bereits Megastaus.
  • Nach einem Kontakt von Schützenhöfer mit dem Kanzler heute Vormittag stellen sich die Länder darauf ein, dass es im Herbst eine dritte Impfung gibt - vor allem für Risiko- und Hochrisikopatienten.
  • Die Impfungen sollen mehr und mehr von den Impfstraßen hin zu den Hausärzten verlagert werden. Die Ärztekammer, so Schützenhöfer, gehe davon aus, dass die Hausärzte auch die dritte Impfung bereits zu großen Teilen bewältigen könnten.
  • Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein habe die Landeshauptleute bereits davon in Kenntnis gesetzt, dass per Verordnung die Priorisierung relativiert  wird, dass die Hausärzte also impfen dürfen, wo sie es für richtig halten. Für die Impfstraßen bleibt die Priorisierung aufrecht.
  • Ganz wichtig für die Landeshauptleute: Die zunehmende Öffnung im Bereich der Kultur müsse mit einer Verlängerung der Sperrstunden einhergehen. Schützenhöfer launig: "Um 22 Uhr sind in Mörbisch alle Gäste und Gelsen noch da."
  • Weitere Öffnungsschritte müssen vor allem im Bereich der Vereine erfolgen, etwa Sportvereine oder Musikvereine, die derzeit nur sehr begrenzt agieren könnten.
  • Die Pflicht, FFP2-Masken zu tragen, könnte im Sommer fallen, die Landeshauptleute verwiesen dabei allerdings auf die Entscheidung der Experten.

"Im Sommer Herdenimmunität"

Am Beispiel der Steiermark skizzierte der Vorsitzender der LH-Konferenz, Hermann Schützenhöfer, den Impffortschritt: Derzeit sind bis Mitte Juli 640.000 Steirer schon geimpft oder zur Impfung angemeldet. Wenn wir 700.000 schaffen, haben wir 70 Prozent Durchimpfungsrate, das ist die Herdenimmunität."

Telefonat mit dem Kanzler zwischendurch: Der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Hermann Schützenhöfer
Telefonat mit dem Kanzler zwischendurch: Der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Hermann Schützenhöfer © Gigler

Er sei zuversichtlich, denn die Skepsis lasse nach, die Leute meldeten sich jetzt in Scharen an, die Hausärzte stärkten das Vertrauen in die Impfung. Über kurz oder lang werde man sich auch den Impfstoff aussuchen können. Die Landeshauptleute hätten auch darüber beraten, ob man bestimmten Berufsgruppen die Impfung verstärkt "empfehle": Von "Impfpflicht" will keiner sprechen, aber bei Aufnahmebedingungen, etc. sei rechtlich vieles möglich.

Geld von EU und an Kroatien

Allein 500 Millionen Euro erwarten sich die Länder direkt für ihre Projekte aus dem EU-Resilienzfonds. Und die Fristen im kommunalen Investitionsgesetz werden verlängert, um den 50-Prozent-Zuschuss zu Investitionen der Gemeinden maximal ausschöpfen zu können. Übrigens eine Folge des erfreulich starken Aufschwunges: Die regionalen Unternehmen seien bereits so ausgelastet, dass sie Aufträge der Gemeinden verschieben müssen.

Einen Akt der Solidarität setzen die Landeshauptleute gegenüber dem erdbebengeschädigten Kroatien: Gemeinsam stellen die Länder 500.000 Euro für den Wiederaufbau zur Verfügung.

Zu Gast beim Bundespräsidenten

Mehr ein atmosphärisches Treffen als ein allzu sachliches Gespräch hatte es mit Van der Bellen am Mittwoch in seinem zweiten Amtssitz gegeben, dem ehemaligen kaiserlichen Jagdschloss im steirischen Mürzsteg, mit den Landeshauptleuten – zumindest mit acht von ihnen, Hans Peter Doskozil (SPÖ) fehlte einer Festsitzung des burgenländischen Landtages zum 100-jährigen Bestand des Landes wegen.

Van der Bellen, der schon länger im Voraus mit Schützenhöfer (ÖVP) zu dem Besuch eingeladen hatte, betonte die Wichtigkeit der Landespolitik – er suche das Gespräch mit den Landeshauptleuten, „wann immer ich in einem Bundesland unterwegs bin“. Dabei erfahre er immer „viel über die Stimmung und von den Sorgen und Hoffnungen des jeweiligen Bundeslandes“. Diesen Austausch schätze er sehr.

Demo am Rande der Konferenz

Am Rande der Konferenz in Bad Aussee demonstrierten rund 30 bis 40 Personen vor dem Kur- und Kongresshaus für eine menschlichere  Flüchtlingspolitik. "Wir fordern, dass Bezugspersonen beim humanitären Bleiberecht gehört werden, etwa die Bürgermeister. Wenn das nur auf Bundesebene entschieden wird, fehlt der persönliche Bezug zur Lebensrealität der Menschen", so Organisatorin Steffi Machart.