Einen wohl bewussten Kontrapunkt zur Flüchtlingspolitik der Regierung hat am Donnerstag Bundespräsident Alexander Van der Bellen gesetzt und das Wiener "Integrationshaus" besucht. Jugendliche Flüchtlinge erinnerte der Bundespräsident dabei daran, dass er selbst erst mit 15 Jahren eingebürgert wurde. Die von ÖVP und FPÖ vorgeschlagene "Sicherungshaft" für Asylwerber sieht er skeptisch.

ÖVP und FPÖ wollen Asylwerber, die nach nicht näher bezeichneten Kriterien als potenziell gefährlich gelten, in "Sicherungshaft" nehmen. Das sei "rechtlich extrem heikel", warnte Van der Bellen am Rande des Besuchs im Integrationshaus vor Journalisten. Immerhin gehe es hier um Freiheitsentzug. Wenn die Regierung einen Entwurf dafür vorlege, werde er das gemeinsam mit seinen Rechtsberatern eingehend prüfen.

"Gutmensch" häufig Schimpfwort

Eigentlicher Zweck des Besuchs war allerdings, die ehrenamtliche Arbeit der Flüchtlingsbetreuer im Integrationshaus vor den Vorhang zu holen, wie Van der Bellen meinte. "Weil ehrenamtliche, gutmenschliche Arbeit zu wenig gewürdigt wird", so der Bundespräsident mit Verweis darauf, dass "Gutmensch" ja häufig als Schimpfwort verstanden werde.

Sohn von Zuwanderern

Bei einem Treffen mit jugendlichen Flüchtlingen erinnerte Van der Bellen daran, dass auch er selbst als Sohn estnischer Zuwanderer in Tirol aufwuchs und erst mit 15 Jahren österreichischer Staatsbürger wurde. Den Jugendlichen, die eine Lehre aufnehmen wollen, riet der Bundespräsident, neben Deutsch und Englisch auch die eigene Muttersprache zu lernen. "Versuchen Sie, dreisprachig zu sein", gab Van der Bellen ihnen mit auf den Weg. Denn er bedaure es bis heute, von seinen Eltern kein Russisch gelernt zu haben.

Kritik übte Van der Bellen an der Abschiebung von Lehrlingen in Ausbildung. "Es ist wirtschaftlich unvernünftig, es ist unverständlich und es ist inhuman", kritisierte der Bundespräsident das Vorgehen der Regierung. Außerdem erinnerte Van der Bellen daran, dass die Akzeptanz von Flüchtlingen auch bei früheren Flüchtlingsbewegungen - etwa Ungarn und Jugoslawien - in Wellenbewegungen verlaufen sei: "Ich hoffe, dass wir jetzt an einem Tiefpunkt sind und es dann wieder aufwärts geht."

Aus für Lehre

Dass jugendliche Asylwerber seit dem Vorjahr keine Lehre mehr beginnen dürfen, kritisierte auch Integrationshaus-Geschäftsführerin Andrea Eraslan-Weninger. Kein gutes Haar ließ sie auch daran, dass die Regierung die Kürzung der Mindestsicherung für Familien explizit damit begründet, bei Migrantenfamilien einsparen zu wollen: "Das ist nicht nur zynisch und rassistisch - das spaltet die Gesellschaft."

Konkrete Verdachtsmomente

Auch Justizminister Josef Moser (ÖVP) äußerte sich indes am Donnerstagabend zur vorgeschlagenen "Sicherungshaft". Er lehnt den Vorschlag des Innenministers zwar nicht ab. Aber er wies in der "ZiB2" darauf hin, dass ein solcher Freiheitsentzug "äußerst sensibel" wäre. Um der Menschenrechtskonvention zu genügen und Willkür zu verhindern, bräuchte man klare Bestimmungen mit konkreten Verdachtsmomenten und klar definierten Straftatbeständen.

In der Europäischen Menschenrechtskonvention gebe es auch Gründe, nach denen man eine präventive Haft durchführen kann. Jedenfalls wäre sie nur zulässig, wenn der konkrete Verdacht besteht, dass eine Straftat ausgeführt werden soll. Allein der Antrag auf Asyl reiche jedenfalls nicht. Moser wartet jetzt einmal, was das Innenministerium vorlegt - und dies werde das Justizministerium dann auch verfassungsrechtlich beurteilen.

Rücknahme von IS-Kämpfern

In der Frage der Rücknahme von IS-Kämpfern verwies Moser darauf, dass die Justiz reagieren müsse, wenn Österreicher eine Straftat begehen. Und Terrorismus bzw. Massenvernichtung seien Offizialdelikte, da müsse die Justiz Maßnahmen setzen. Wenn ein Internationaler Haftbefehl vorliegt und der Aufenthalt bekannt ist, müsse man solche Straftäter ins Land holen, um hier das Strafverfahren gegen sie durchzuführen. Derzeit gebe es Terrorismus-Verfahren gegen 63 Straftäter.