Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer informierten die Öffentlichkeit nach der Krisensitzung, an der auch Außen- und Verteidigungsminister teilnahmen.

Man werde Geld und Polizisten mobilisieren, gemeinsam mit den Westbalkan-Staaten ein Weiterwinken der Flüchtlinge nach Mitteleuropa verhindern und sei auch gerüstet für den Fall, dass die Flüchtlinge die Grenzen durchbrechen und bis an die österreichische Grenze gelangten.

Die Menschen, so Kanzler Kurz, würden von Erdogan als Spielball und Waffe verwendet. Das sei "unwürdig" und aufs Schärfste zu verurteilen. "Der Ansturm an der griechischen Grenze ist kein Zufall. Da wurden 13.000 Menschen gezielt hingelockt, Menschen, die nicht aus der Krisenregion Idlib kommen, sondern schon seit Jahren in der Türkei leben. Der türkische Präsident Erdogan hat die Aktion bewusst organisiert, zum Teil wurden sogar Busse zur Verfügung gestellt."

Der Täter sei Erdogan. Er betreibe ein Spiel mit dem Leid der Menschen, um die EU zu erpressen und Griechenland zu sanktionieren. "Wir müssen uns entschlossen gegen ihn stellen." Österreich und die EU müssten die Unterbringung der Flüchtlinge unterstützen, "aber dass das Geld direkt in die türkische Kriegskasse fließt, um in Syrien gemeinsam mit radikalen Kräften zu morden, das wird es nicht geben."

Drei Millionen für Idlib

Aber, so Kurz: "Wir haben auch die humanitäre Verpflichtung, Menschen in Not zu helfen. Wir werden zusätzlich drei Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds in die Hand nehmen, um die Menschen direkt in Syrien, in Idlib zu unterstützen. Wir wickeln das ab mit dem Internationalen Roten Kreuz. Das ist die größte Summe, die je in ein einziges Land geflossen ist."

In Idlib spielten sich derzeit Tragödien ab, so Kogler "Dort geht es ums nackte Überleben." Seit Beginn der Kriegshandlungen spiele sich dort die größte Fluchtbewegung ab. Ins Rote Kreuz habe man das nötige Vertrauen, und dieses sei auch mit dem Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) eng abgestimmt. Jetzt sei auch wieder gesichert, dass sich die Hilfsorganisationen im Krisengebiet bewegen könnten.

Deutliche Worte fand Kogler zum Vorgehen der Türkei: "Es handelt sich hier um eine bösartige Provokation des türkischen Präsidenten, der Menschen missbraucht, die es ohnehin nicht leicht haben. Das ist zurückzuweisen, es ist ein Erpressungsversuch, dem kann man nicht stattgeben."

Provokation und Hilferufe

Gleichzeitig sei es aber auch ein Hilferuf, gestand Kogler den Türken zu. Ein Hilferuf, der "möglicherweise nicht unberechtigt" sei, und der darauf hinweise, "dass wir als EU die Verantwortung haben, auch den Flüchtlingspakt so abzusichern, dass die Hilfe für die Flüchtlinge in der Türkei - da geht es schon jetzt um 3,5 Millionen oder mehr -  gesichert ist."

Da sei in den vergangenen Jahren mehr Gutes passiert, als man für möglich gehalten habe, das müsse man auch sehen, so Kogler. Die Flüchtlinge in der Türkei hätten zum guten Teil eine soziale Absicherung, die Möglichkeit der Schulbildung und Beschäftigungsmöglichkeiten. "Das ist auch nicht selbstverständlich."  Stabilität werde insbesondere auch dadurch  erreicht, dass für die Flüchtlinge in der Türkei etwas getan wird.

Außenminister Alexander Schallenberg reiste unmittelbar nach der Krisensitzung nach Griechenland. Innenminister Karl Nehammer wird am EU-Sonderministerrat zur Flüchtlingskrise teilnehmen. Bei der Pressekonferenz betonte er, es gehe um drei Sicherheitsnetze, die die Flüchtlinge an der Weiterreise hindern sollen  - jenes an der EU-Außengrenze, jenes auf dem Balkan und jenes an der österreichischen Grenze. Gleichzeitig werden man über die Sozialen Medien und anderen Kanäle die Botschaft verbreiten, dass es keinen Sinn habe, sich auf den Weg zu machen, denn: "Wir werden sie nicht aufnehmen."

Das österreichische System sei seit 2015 enorm belastet, mit mehr als 200.000 Asylanträgen seither. "Viele sind noch nicht integriert, um die müssen wir uns kümmern, sie auch in den Arbeitsmarkt integrieren." Weitere Belastungen seien durch den Familiennachzug zu erwarten.

"Menschlichkeit und Ordnung"

Zwei Prinzipien leiteten das Handeln der Bundesregierung, so Kogler: "Menschlichkeit und Ordnung". Dass er sich beim Regierungspartner ÖVP mit seinem Vorschlag, Frauen und Kinder aufzunehmen, eine Abfuhr geholt hat, kommentiert Kogler mit den Worten: "Es bricht mir kein Zacken aus der Krone", wenn er feststellen müsse, "wir sind noch nicht so weit" und kein Konsens in dieser Frage zu erzielen sei. 

Insbesondere die Situation von Kranken und Kindern auf den griechischen Inseln sei in den letzten Monaten zunehmend unerträglich geworden. Er hoffe, dass sich die Situation wieder ändere. Griechenland müsse unterstützt werden, aber es bedürfe auch einer neuen, intensiveren Aufmerksamkeit. "Wir unterstützen das Land schon länger, merken aber, dass es schlecht vorankommt, auch bei der Abwicklung von Asylverfahren etwa. Irgendetwas stimmt da nicht, das muss massiv verbessert werden."

SPÖ fordert einheitliche Asylverfahren

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sowohl von der Bundesregierung als auch von der EU rasches Handeln. Abgesehen von Soforthilfe brauche es auch ein Gesamtkonzept und dazu eine starke einheitliche europäische Linie. Die FPÖ fordert indessen eine Grenzschutzübung von Polizei und Bundesheer.

Wichtig wäre, wie Rendi-Wagner in einer Pressekonferenz Dienstagvormittag betonte, die Etablierung eines funktionierenden Außengrenzschutzes sowie einheitliche EU-Asylverfahren. Um hier eine gemeinsame Linie zu finden, plädierte sie einmal mehr für einen EU-Sondergipfel. Bei der humanitären Hilfe warb sie für eine entsprechende Unterstützung der UNO.

Was sich in der Region abspiele, sei eine große menschliche Tragödie. Es handle sich um eine Katastrophe, "vor der wir alle nicht wegschauen dürfen": "Das Leid von Kindern und Frauen kann uns nicht kalt lassen."

Die FPÖ, die zuletzt gefordert hatte, an den Grenzen notfalls mit Wasserwerfern, Gummigeschoßen und Warnschüssen gegen Flüchtlinge vorzugehen, forderte am Dienstag Übungen von Polizei und Bundesheer, "um sicherzustellen, dass das System funktioniert". "Das wäre zugleich auch ein Signal an die Balkanstaaten, aber auch an die österreichische Bevölkerung, um zu zeigen, dass Österreich bereit ist, den Worten auch Taten folgen zu lassen", sagte FP-Klubchef Herbert Kickl.