Auf dem Weg durch die äußeren Industrie- und Wohnviertel, kann man sich kaum vorstellen, welch Schatz einen im Zentrum Bolognas erwartet. Die Hauptstadt der Emilia-Romagna ist so vielfältig, dass sie gleich drei Spitznamen trägt: „la grassa“ (die Fette, wegen des üppigen Essens), „la dotta“ (die Gelehrte, wegen der Universität) und „la rossa“ (die Rote, wegen der roten Steinwände). Auch für Amore, die Liebe, ist hier Platz. Das bestätigen die österreichischen Kult-Rocker Wanda, die der Stadt vor zehn Jahren eine Hymne gewidmet und damit ihren ersten Hit gelandet haben. Besungen wird das Liebesleben von Tante Ceccarelli – und passenderweise trägt ein Feinkostgeschäft in der Innenstadt genau diesen Namen. Der Laden in der engen Via Pescherie Vecchie, in der etliche kleine Kulinarik-Tempel ihre Speisen und ein paar Händler Gemüse und frischen Fisch feilbieten, kommt auch im dazugehörigen Musikvideo vor. Und so trifft man hier bis heute österreichische Besucher suchenden Blicks, die aufgeregt auf die flatternde dunkelrote Markise, die den Schriftzug Ceccarelli trägt, deuten und das Smartphone für eine Erinnerungspose zücken. Zwischen Tortellini und Mortadella, Tagliatelle al ragù – die berühmte Bolognese – und Lasagne: In Bologna ist die Küche deftig. Parma und Modena ist nicht weit und so finden sich auf Vorspeisentellern Schinken, Salami und Parmesan.

Wetterfest

Doch Bologna hat mehr zu bieten als enge Gassen und gefüllte Nudeln. 40 Kilometer kann man im historischen Zentrum unter Arkaden wandeln. Oft auf beiden Seiten breiter Shoppingstraßen wie der Via dell‘Indipendenza, vielfach mit mosaikverzierten Böden, verbinden sie Plätze, Kirchen und Palazzi miteinander. Entstanden sind sie im Mittelalter und machten Bologna dadurch schon früh zur wetterfesten Stadt. Dabei ging es den findigen Architekten um die Erweiterung der Wohnflächen in den Stockwerken darüber. Dankbar ist man in Bologna für diesen Kniff noch heute, denn weder Regen noch starke Sonneneinstrahlung stören das Flanieren. Im Freien und doch gut geschützt tobt das Leben, Cafés, Marktstände, Modegeschäfte und Kioske nutzen den zusätzlichen Platz.

Italiens schiefster Turm

Die beiden Schwestertürme Asinelli und Garisenda gehören zu den wichtigsten Wahrzeichen der Stadt. Sie stehen merklich schief - vor allem der kleinere Torre Garisenda, seit 2020 mit seiner Neigung von vier Grad offiziell schiefster Turm Italiens. Wegen dessen Einsturzgefahr darf mittlerweile auch der mit 97 Metern fast doppelt so hohe Torre Asinelli nicht mehr betreten werden. Gelegenheit, die mittelalterlichen Strukturen und Bauwerke von oben zu betrachten, gibt es dennoch: auf dem Uhrturm auf der Piazza Maggiore, dem stets gut gefüllten Hauptplatz der Stadt, dominiert von der Basilika San Petronio. Einst als größtes Gotteshaus der Christenheit geplant - Rom war letztlich nicht damit einverstanden - ist die fünftgrößte Kirche der Welt mit ihren gewaltigen Dimensionen (132 Meter lang, 60 Meter breit, 45 Meter hoch) bis heute unvollendet.

Bologna ist trotz ist attraktiver Sehenswürdigkeiten erfrischend authentisch geblieben. Gerade einmal 120 Kilometer von Florenz und 150 Kilometer von Venedig entfernt, verirren sich vergleichsweise wenig Touristen hierher. Hört man Worte abseits des Italienischen, stammen sie eher von Studenten, die das Straßenbild prägen. Bolognas Universität gilt als die älteste der Welt. Allerdings kann das Gründungsdatum nicht genau nachgewiesen werden, ein Expertenteam geht vom Jahr 1088 aus. Über 80.000 Studierende zählen die Fakultäten und das bei insgesamt knapp 390.000 Einwohner. So ist es wenig verwunderlich, dass sich das Leben draußen auf den großen Plätzen und in den Straßenkneipen und Restaurants abspielt. Obwohl man sich sichtlich Mühe gibt, den alten Stadtkern in Schuss zu halten, ist nichts auf Hochglanz poliert. Wenig grün ziert die rote Stadt, krakelige Graffitis verunstalten mitunter die Säulen der Arkaden und Hausfassaden.

Ein verstecktes Fenster

Auch das „geheime Fenster“ ist davon nicht verschont geblieben. Leicht läuft man an diesem ganz speziellen Ort in der Via Piella vorbei. Wer jedoch das kleine Fenster in der roten Wand öffnet, dem gewährt es einen Blick in die Vergangenheit. In jene Zeit vor einigen hundert Jahren, als die Stadt von Kanälen durchzogen war. Nicht zufällig wird dieser winzige Teil im nördlichen Zentrum bis heute als Klein-Venedig bezeichnet. Das Wassersystem wurde über die Jahrhunderte zugeschüttet oder überbaut. Das Flair mit den lässigen Bars und feinen Restaurants lädt auch abseits Fensterchens zum Verweilen ein.

Ähnlich ist die Stimmung in der Via Saragozza, wo sich kleine Boutiquen, Blumenläden und Cafés verstecken, die bei allen Altersklassen Anklang finden. Im Palazzo Albergati, in dem immer wieder attraktive Ausstellungen stattfinden, ist derzeit ein städtischer Dschungel beheimatet. Mehr als 90 Tierskulpturen und -bilder, geschaffen von 23 zeitgenössischen italienischen Künstlern, laden bei „Animali Fantastici“ zu einer Safari durch eine fantastische Welt. Nur eine der Möglichkeiten, die Welt durch einen Besuch in Bologna mit anderem Blick zu sehen.

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