Die erste Begegnung: ein Kreisverkehr, mit einem Wegweiser in Richtung Cuneo. Den wir geflissentlich ignorierten. Unser Weg führte uns durch Oberitalien in Richtung Côte d’Azur. Für irgendwas mit „Cu…“ hatten wir weder Augen noch Muße. Einige Jahre später dann die Wiederbegegnung mit der Stadt, deren Namen ich längst vergessen hatte: Eine Reise in die französisch-italienischen Alpen, in deren Mittelpunkt das Biken über die hochalpine Militärstraße „Alta Via del Sale“ stand. Der Ausgangspunkt für den Aufstieg auf 2000 Meter war Cuneo, und diesmal nahmen wir uns Zeit.

Heute ist Cuneo, geografisch gesehen, im Eck. Seit verheerenden Unwettern 2020 ist die Straße an die Riviera gesperrt, voraussichtlich bis Mai dieses Jahres. Die alte Tendabahn, auch „Eisenbahn der Wunder“ genannt, fährt nach wie vor von Cuneo nach Ventimiglia oder Nizza (die Strecke teilt sich). Den Hauptkamm der Seealpen durchquert ein acht Kilometer langer Tunnel. Mit ihren insgesamt rund hundert Tunneln und einem Höhenunterschied von mehr als 1000 Metern, der zu überwinden ist, ist dies eine der schönsten Trassen durch die Alpen, ein Gustostück für Eisenbahn-Romantiker.

Bögen und Berge

Cuneo verbindet und verband den Piemont mit dem Mittelmeer – die Historie prägt die Stadt, der mittelalterliche Kern begründet den Charme. Die Via Roma trennt nicht nur Gebäudezeilen, sondern auch historische Perioden voneinander: Auf der einen Seite grüßt das Mittelalter, auf der anderen die Arkaden aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die die Einkaufsstraße säumen. Die Stadt ist stolz auf die sich insgesamt über acht Kilometer erstreckenden Laubengänge.

Mit der Bahn ist Cuneo von Turin oder Mailand aus in zwei Stunden erreichbar, und auch in Limone ist man in einer guten halben Stunde mit dem Zug, also autofrei: Limone ist der Ausgangspunkt für Touren auf die „Alta Via del Sale“ – Anziehungspunkt für Biker und Cycler, aber auch Wanderer oder Offroader. An bestimmten Tagen ist die Strecke Gott sei Dank für unmotorisierte Zweiradfahrer gesperrt.

Ein weiteres Atout der unbekannten Schönen im Piemont ist der Naturpark. Cuneo heißt „Keil“ – die Stadt liegt auf einem Hügel, und dieser Hügel bildet einen Keil zwischen zwei Flüssen, Stura und Gesso. Zum „Parco fluviale Gesso e Stura“ führt von der Oberstadt aus ein Lift, in dem auch Fahrräder Platz finden. Mit den Bikes, die man auch ausborgen kann, lässt sich die urwüchsige Flusslandschaft wunderbar erkunden.

Klasse statt Masse

Sie kennen die Stadt Cuneo nicht? Dann sollten Sie sie kennenlernen. Aber einen Gruß aus der Region kennen Sie mit Sicherheit: Alba, die Heimat von Nutella, liegt in der Provinz, die dicht von Haselnussstauden bewachsen ist. Der berühmten weißen Trüffel wiederum sind die Herbstwochenenden gewidmet.

Wir haben Glück und erleben die kulinarischen Freuden der Region in besonders stilvollem Rahmen: 400 Honoratioren sitzen an diesem Tag im Juli an einer langen Tafel entlang des Corso Nizza, der zur riesigen Piazza Galimberti führt. Auch wir dürfen uns im Rahmen dieser Benefizveranstaltung verwöhnen lassen. Der Titel „Alpenstadt des Jahres“ wird den Tourismus ankurbeln. Vor der zerstörerischen Kraft der Massen muss man sich hier nicht fürchten.