Ein einsamer Gärtner stutzt die Äste einer Pinie, in den wenigen offenen Cafés schauen die Kellner gelangweilt aufs Handy. Erst als sich Riminis Strandpromenade in einen gleißenden Goldton zu färben beginnt, zieht es die Menschen ans Meer, dem man bis vor wenigen Jahren von Herbst bis Frühjahr den Rücken kehrte.

Mittlerweile öffnen manche Strandcafés ganzjährig und auch Hotels setzen auf Kontinuität statt Pause. Zu Weihnachten werden riesige Krippen aus Sand gebaut, die bei den Besuchern auf Anerkennung stoßen. „Da war ein Künstler am Werk!“, wiederholt ein Mann immer wieder, während er auf das etwas kitschig anmutende Jesuskind aus Sand blickt.

Wintermeer und Nostalgie

Für den berühmtesten Sohn der Stadt, den Filmemacher Federico Fellini, war „die offene Leere des Meeres im Winter“ mit seinen „weißen Wellenkämmen und dem starken Wind“ Ausdruck maximaler Nostalgie. Seit 2022 ist dem Regisseur ein Museum gewidmet, das auch Nicht-Kennern Einblick in das Werk eines der größten italienischen Künstler der Moderne vermittelt.

Mit Blick auf die Angler am Pier und den Sonnenuntergang über den Bergen der Romagna, der den Himmel über der stahlblauen Adria rosarot aufleuchten lässt, wird Fellinis Beschreibung greifbar. Die Passanten zieht es mit der Dämmerung, vorbei am alten Leuchtturm und an Fischkuttern, die im Morgengrauen wieder in See stechen, in die Altstadt.

Sehen und Gesehenwerden

Durch die Straßen zwängen sich für die sogenannte Passeggiata minütlich mehr Menschen. Diese mit „Spaziergang“ zu übersetzen, würde dem Begriff nicht gerecht, handelt es sich doch vor allem um eine Art des Sehens und Gesehenwerdens. „Ciao Gianni, wie geht es dem Papa?“; „Emilia, sag Tante Anna hallo“; „Schau, Claudia hat einen neuen Freund“. Es wird so lange gegrüßt, geküsst, gestikuliert, getratscht und getuschelt, bis man auf einen Kaffee oder einen Aperitif einkehrt. Auf der Piazza Tre Martiri bietet die „Antica Cafeteria“ dafür Gelegenheit. Wem es auf der Terrasse zu zugig ist, findet im ersten Stockwerk einige gemütliche Sitzplätze.

Essen und trinken

Nur wenige Gehminuten entfernt, wird in der „Osteria io e Simone“ traditionelle Küche zeitgemäß umgesetzt. Das junge Servicepersonal lässt niemanden lange warten und kümmert sich rührend um seine Gäste – egal ob Familien oder alleinstehende Pensionisten. Gerichte, wie die in Norditalien typischen in Butter und Salbei geschwenkten Tortelli mit Kürbisfüllung oder das hausgemachte Tiramisù, sorgen für hochzufriedene Gesichter.

Nach einer Verdauungsrunde über die Piazza Cavour mit ihren Prachtbauten aus Backstein, durch die Marmorarkaden des alten Fischmarkts und kleine Gassen, steht ein Absacker in der versteckt gelegenen Cocktailbar „Il Corridoio“ an, wo Barmann Lorenzo fein abgestimmte Drinks mixt. Der junge Mann sagt, dass sich „das Leben im Winter noch in die Altstadt verlagert“, während es die Menschen „im Sommer eher in die Strandbars und Clubs“ zieht.

Die Grenze zwischen den zwei Riminis scheint sich jedoch langsam aufzulösen. Das größte Hindernis werden alsbald nurmehr die Bahngleise sein, die Stadt und Meer unversöhnlich voneinander trennen. Vielleicht hat die Barriere aber auch ihr Gutes, um Partytouristen fernzuhalten und dadurch den Charme der kleinen Metropole zu wahren.