Ich bin mit vier älteren Geschwistern groß geworden, wobei ich das einzige Kind von meinem Papa bin, die anderen Geschwister sind von einem anderen Vater, aber wir haben alle die gleiche Mama. Mein Vater war oder ist Musiker, und als er 28 Jahre alt war, bin ich gekommen. Wir haben alle, inklusive Hund, in einer knapp 70-Quadratmeter-Wohnung in Wien gelebt. Mein Vater wollte immer nur Musik machen, musste aber irgendwann auch Geld verdienen, da ist er in die Immobilienbranche eingestiegen. Aber die Musik blieb seine große Liebe und Leidenschaft, er hat sogar mit Alan Parsons zusammengearbeitet. Deshalb bin auch ich mit und in der Musik groß geworden. Meine Eltern wollten noch ein Kind haben, aber ich war ihnen offenbar zu anstrengend, also haben sie es sein lassen.

Meine erste Idee war, Sängerin zu werden, aber dann kam der Sport. Im Alter von drei Jahren bin ich das erste Mal auf Eislaufschuhen gestanden und wollte unbedingt Eishockey spielen. Meine Mama hat damals gemeint, das sei ja kein Mädchensport, aber ich war schon immer ein Sturkopf und ehrgeizig und wollte eben unbedingt sporteln. Ich hab dann auch begonnen, Baseball zu spielen, da war ich circa fünf Jahre alt, aber plötzlich hieß es, nein, das geht nicht, es gibt kein Team für Frauen. Das habe ich damals schon, als kleines Kind, als total diskriminierend empfunden. Ich wollte mich schon damals in keine Schublade stecken lassen und wollte nicht verstehen, warum ich als Mädchen nicht Baseball spielen durfte.



Aber dann kam eben das Eishockey. Mit drei Jahren habe ich mir den Film „Mighty Ducks“ angeschaut und bin trotz aller Widerstände hartnäckig geblieben. Fünf Jahre später hat mir das „Christkind“ dann endlich Eishockeyschuhe und einen Helm gebracht. Mein Papa hat das super gefunden. Außerdem wusste er, wenn ich mir etwas in den Kopf setze, dann ziehe ich das auch durch. Die Mama hat sich schließlich auch damit abgefunden und hat sich von diesem ganzen klischeehaften Denken gelöst. Ich war ja nie ein typisches Mädchen, ich habe nie mit Puppen gespielt. Bei mir ging es immer um Schnelligkeit und Sport – alles, was irgendwie gefährlich sein hätte können. Mit 15 Jahren bin ich dann ins A-Nationalteam, hab mit 16 meine erste Weltmeisterschaft in Nordkorea gespielt und im Alter von 17 Jahren bin ich als Profi-Eishockeyspielerin nach Schweden gegangen und hab dort drei Jahre meines Lebens verbracht.

Dort, in Schweden, wurde ich auch das erste Mal mit Medienpräsenz konfrontiert. Es gab dann einen großen Wendepunkt in meinem Leben. Ich hatte meine erste Beziehung, die ging in die Brüche und meinen Herzschmerz musste ich irgendwie verarbeiten. Da ist wieder die Musik in mein Leben getreten. Nur anhand von Melodien konnte ich mich befreien, mich frei fühlen. Als ich 21 war, bekam ich von meinem Onkel eine Gitarre geschenkt, die dreimal so alt war wie ich. Via Youtube habe ich mir dann meine ersten Akkorde beigebracht und meinen ersten eigenen Song geschrieben. Das war zu einem Zeitpunkt, wo ich nicht wusste, wohin im Leben. Ich wollte immer Musik machen, immer auf die Bühne – obwohl ich im Grunde ein großer Schisser bin. Die Musik hat mir das gegeben, was ich all die Jahre zuvor nicht hatte. Ich habe die emotionale Seite in mir immer unterdrückt, über die Musik konnte ich diese Seite ausleben.



Wenn ich jetzt an meine Kindheit zurückdenke, taucht folgendes Bild auf: Ich war ein kleiner Tyrann mit blonden Locken und hab ausgeschaut wie ein Engerl. Aber auf Kindergartenfotos bin ich angezogen mit Hemd, Hose, Hosenträger und Mascherl. Ich habe immer das gemacht, was ich wollte. Mein Bruder hat sich damals seine Haare ganz kurz abgeschnitten. Und das habe ich dann auch getan! Meine Mama und Oma haben Rotz und Wasser geweint, weil mein schönes, langes Haar weg war. Ich habe diese Rollenfixierungen damals schon nicht gemocht. Ich habe mich weder als Bursche noch als Mädchen gefühlt – sondern einfach als ich selbst, als Gini.

In der Pubertät kamen dann die Gefühle ins Spiel und ich habe gemerkt, dass ich Mädchen gern habe. Das war eine schwierige Zeit. Ich wollte „normal“ sein, hab mir die Haare wachsen lassen, bin mit Burschen rumgehangen. Aber ich habe gespürt: Das bin nicht ich. Und als ich mit diesem Selbstbetrug aufgehört habe, ist es mir plötzlich wieder gut gegangen. Ich war glücklich, hatte Freude am Leben.



Ein klassisches Outing gab es bei mir nie. Ich steh auf Frauen. Aus. Punkt. Ich möchte nicht in eine Schublade gesteckt werden, auf die man dann eine Bezeichnung schreibt. Meine Frau zum Beispiel war vorher nur mit Männern zusammen, hat sich dann in mich verliebt – aber sie bezeichnet sich nicht als Lesbe. Das verstehen viele nicht, weil die Menschen ihre Kastl brauchen, ihre fixen Zuordnungen.

Ich hatte natürlich auch das Glück, solche Eltern zu haben. Sie sind die wundervollsten Menschen, die ich kenne, sie gaben mir immer die Bestätigung, die ein Kind braucht, um sich zu verwirklichen. Ohne ihre großartige Unterstützung wäre ich nicht der Mensch, der ich jetzt bin. Und das möchte ich auch meinen Kindern, wenn ich einmal welche habe, weitergeben: Einen Menschen so sein zu lassen, wie er ist.