Die Branche wurde als Zukunftshoffnung schlechthin gehypt:Sharing Economy, das bedeutet, Dinge zu teilen, von der Mobilität (Auto/ Scooter-Sharing etc.) bis zum Wohnen (Airbnb). Selbst die großen Autohersteller stiegen ins Geschäft ein. BMW (vormals DriveNow) und Daimler (Cartogo) fusionierten zu ShareNow und bieten neben Autos auch Scooter (Hive) an.

Volkswagen mischt mit We-Share mit, auch Autoverleiher wie Sixt und so manches Start-up. Diese Wette auf die Zukunft verhieß beste Gewinnchancen, denn die Autohersteller witterten nicht nur neue Geschäftsfelder. Die großen Carsharing-Plattformen dienen als Datenspeicher für die Zukunft und ihre autonomen Autos. Nur mit dem gewonnenen Wissen über die Nutzer waren die millionenschweren Anlaufverluste zu verdauen. Zudem standen die eigenen Produkte am Präsentierteller wie bei einer bisher kostenlosen Probefahrt. So glaubte man, neue Kunden gewinnen zu können, die sich irgendwann ein Auto kaufen.

Jetzt kämpft die einst gehypte Branche ums Überleben. Schon vor Corona erodierte das Geschäft. Was im kleinen Rahmen lokaler Anbieter gut funktionierte, lief im Großversuch zu oft aus dem Ruder. In diesen Tagen hat sich mit dem Coronavirus die Situation für die Anbieter nochmals verschlechtert. ShareNow-Vertreter teilen mit: „Wir sehen aufgrund des Coronavirus und der damit verbundenen Einschränkung des öffentlichen Lebens eine sinkende Nachfrage nach unserem Service. Das gilt für Wien, aber auch für alle anderen Standorte.“ Deshalb werde das Angebot „reduziert“.

So geht es allen, vom Car- bis zum Scooter-Sharing. Umsätze tendieren gegen null, viele Angebote wurden überhaupt gestoppt. Und das nicht nur aufgrund der Ausgangsbeschränkungen: Die Kunden haben derzeit Angst, in Autos einzusteigen, die vorher ein vielleicht Infizierter bewegt haben könnte. Auch wenn das Risiko, sich eine Schmierinfektion einzufangen, gering ist. Die Sharing-Idee droht der Angst vor dem Virus zum Opfer zu fallen.

Günter Getzinger, Professor an der Science, Technology and Society Unit der TU Graz, glaubt nicht daran. Seine These basiert auf der Annahme, dass sich die Coronalage bis Ende des Jahres 2020 einigermaßen normalisiere. Fundamentaltrends wie Car-, Scooter-, oder Mobilitätssharing seien nicht aufhaltbar.

„Mit dem Coronavirus gibt es eine Unterbrechung, klar. Selbstverständlich fahren die Leute jetzt nicht gerne in ,Gefäßen‘, in denen andere gesessen sind. Carsharing, Taxi, und Öffis haben jetzt alle das gleiche Problem. Aber die Erinnerung an Corona wird verblassen, die Fundamentaltrends wie eben die Sharing-Idee, auch bei der Mobilität, werden sich durchsetzen“, so Getzinger. Das Ganze sei in einem großen Zusammenhang zu sehen: ausgehend von der Renaissance der Bahn und des öffentlichen Verkehrs in den Städten.

Diese millionenschweren Verbesserungen im Nahverkehr würden dazu führen, dass sich viele fragen würden, ob sich die Kosten für den Besitz eines Autos und dessen Betrieb rechneten. „Das Auto ist immer noch ein bedeutendes Ding in unserem Leben. Das wird es auch noch eine gute Weile bleiben. Was wir unter Lebensqualität verstehen, das verschiebt sich aber gerade. Genauso verschieben sich Prioritäten, wo wir unsere Kaufkraft einsetzen. Das sind vielfach Geräte der ‚virtuellen Mobilität‘, wie Handys, Pads oder Notebooks.“ Getzinger ist überzeugt, dass unser Wirtschaftssystem schneller in Gang kommen wird, als wir glauben. „Wir werden uns an Corona erinnern, traurig sein, aber unser Lebensstil, über zwei, drei Jahre betrachtet, wird sich nicht wesentlich verändern.“

Und wenn das Coronavirus über das Jahr hinaus wütet? „Dann überleben das viele große Mobilitäts-Sharing-Firmen nicht. Es wird niemand Firmen am Leben erhalten, die so wenig Bedeutung für unsere Gesamtökonomie haben. Wenn eine zweite Welle kommt, gilt meine optimistische Prognose zum Car-/Mobiltätssharing nicht mehr. Dann wird das Abkapseln in einem ,Gefäß‘ allmählich zur Kultur, also in deinem Haus, in deiner Wohnung, in deinem Auto. Das gewinnt dann absolut an Bedeutung“, so Getzinger. „Und auch das Radfahren“, ergänzt er schmunzelnd.

Mehr zum Thema