Die Schonzeit ist nun endgültig vorbei: Beim Corona-Gipfel im Bundeskanzleramt am Montag war Hans Peter Doskozil (SPÖ), der nach einer neuerlichen Operation wochenlang keinen öffentlichen Auftritt absolvierte, das erste Mal persönlich dabei. Heute reiste er wieder nach Wien. Am Abend beraten Doskozil, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner- also die Landeshauptleute jener Länder, die derzeit die höchsten Inzidenzen haben - mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), über mögliche Maßnahmen in der Ostregion. 

SPÖ-Chefin, Pamela Rendi-Wagner, wird heute nicht dabei sein. Auch gestern war sie nur per Videokonferenz ins Bundeskanzleramt zugeschalten. "Gestern wurden keine Entscheidungen getroffen, die eine so notwendige Trendumkehr herbeiführen würde", sagt sie: "Das Nicht-Entscheiden der Bundesregierung ist Ausdruck einer Hilflosigkeit und Zeichen eines Autoritätsverlustes.

Eine Situation, die Rendi-Wagner nicht ganz fremd sein dürfte: Denn auch die SPÖ-Landeshauptleute sind nicht auf Linie mit ihrer Parteichefin. Hans Peter Doskozil, Michael Ludwig und auch Kärntens, Peter Kaiser, sprachen sich nämlich zunächst gegen Verschärfungen aus. Doskozil will im Burgenland auch Thermen öffnen.

Hans Peter Doskozil hatte sich dazu schon zu Wort gemeldet, als seine Stimme noch nicht zurückgekehrt war: Vor vier Wochen preschte er auf Facebook mit einem "Plan B" für den Weg aus der Pandemie vor: "Die Gesellschaft braucht Normalität", forderte er: "Das geht nur, wenn wir das Testangebot massiv ausbauen. Getestet ins Lokal gehen, die Kinder in die Schule bringen, sich mit Freunden treffen, das ist eine viel bessere und wahrscheinlich auch gesündere Welt als die, in der wir gerade leben."

Während Rendi-Wagner die Rücknahme der "verfrühten" Öffnungsschritte von Anfang Februar diskutieren will - das betraf den Handel, körpernahe Dienstleistungen und Schulen im Schichtbetrieb - sprach sich Michael Ludwig zunächst dagegen aus. Schulschließungen kämen nicht in Frage, auch der Handel soll offen bleiben, sagte Ludwig am Montag: Dort gäbe es Sicherheitsmaßnahmen und man sehe keine großen Ansteckungen, so Ludwig.

Am heutigen Dienstag ist er schon vorsichtiger: "Wien ist bereit über alles zu sprechen. Ohne Tabus", heißt es aus dem Rathaus. Bei einer Pressekonferenz betont er: "Die Gesundheit der Menschen ist mir am wichtigsten. Wir werden daher Maßnahmen setzen, die sicherstellen, dass die Spitalskapazitäten nicht überschritten werden. Im Vorfeld des Ostgipfels kündigte er sehrwohl Verschärfungen an.

Von den geplanten Öffnungen der Schanigärten nimmt Ludwig vorerst Abstand: Eine Öffnung Ende März sei geplant gewesen - "aber immer unter der Voraussetzung, dass es die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen erlauben. Nachdem wir jetzt sehen, dass die Zahlen einen Öffnungsschritt nicht erlauben, bleiben wir weiter vorbereitet. Denn es wird die Zeit kommen, wo es möglich sein wird. Dieser Zeitpunkt ist jetzt aber nicht gegeben", sagt Ludwig.

Erwogen werden softe Maßnahmen wie Ausweitung der (Gurgel)Tests,FFP2-Masken auch für Kindergärtnerinnen und jüngere Schüler oder etwa in Sozialräumen von Unternehmen, eventuell etwas raschere Quarantäne-Reaktionen, bei positiven Testergebnissen in Schulen - und Appelle etwa, auf bessere Mitwirkung beim Contact Tracing.

Rendi-Wagners Rolle als Mahnerin kommentierte Ludwig in einem Interview im Dezember so: "Sie bringt in der derzeitigen Diskussion ihre Fachkompetenz als Ärztin und Expertin für Virologie ein. Das belebt die bundespolitische Diskussion – wenngleich ich glaube, dass ihr gerade dieses Expertenwissen im Weg steht, was die Oppositionspolitik betrifft."

Parallelen zu Migrationsdebatte

Das Ringen um einen gemeinsamen Kurs in der SPÖ erinnert an den uneinheitlichen Standpunkt zur Migrationspolitik. Diese Parallele zieht auch Hans Peter Doskozil: "In der Politik ist es beliebt, die Wirklichkeit schönzureden. Die SPÖ kennt das Problem seit Jahren aus der Migrationsdebatte", sagt er. Man müsse stattdessen sagen, was ist. Für Doskozil heißt das "Leiden ist nicht zur Gänze vermeidbar. Wer das verspricht, lügt. Wir können weder die vollständige Durchseuchung wollen, noch den ständigen Lockdown. Wer die unzähligen Opfer der Dauer-Lockdowns ignoriert, nur um den Kurs nicht ändern zu müssen, handelt zynisch."

Alleine in den letzten sieben Tagen sind in Österreich 133 Menschen an den Folgen einer Covid-Infektion gestorben, erinnert Rendi-Wagner am Dienstag: "Ich möchte nicht akzeptieren, dass die Zahl der Toten in der Diskussion beiseite geschoben wird."