Europawahl, Nationalratswahl und obendrein Landtagswahl: Die Freiheitlichen setzen also dreierlei begründet das Neujahrstreffen in der Steiermark an. Schauplatz ist Premstätten vor den Toren von Graz, wo es sich morgendlich auf der A9 grob staut, weil die grüne Infrastrukturministerin Leonore Gewessler den Autobahnausbau auf Eis hat legen lassen. Das ist nur eine Steilauflage für Mario Kunasek, den blauen Spitzenkandidaten im Steirerland und Herausforderer vom „ÖVP-Schnösel als LH verkleidet“.

Natürlich ist auch Harald Vilimsky vor Ort, seit Freitag offizieller FPÖ-Spitzenkandidat, und der Steirer Georg Mayer (mit sicherem Listenplatz 3). Brüssel spielt in Premstätten freilich nur eine Nebenrolle, der Grazer FPÖ-Finanzskandal für die bis zu 2500 Gäste und Funktionäre gar keine. Denn im Grunde wartet alles auf Herbert Kickl, dessen Partei in allen Umfragen vorne liegt.

„Das Jahr der ersten Plätze“

Den Auftakt macht der Steirer Stefan Hermann, der von Vorarlbergs Christoph Bitschi über Dominik Nepp aus Wien alle Landesparteichefs begrüßt. Geburtstagskind Hubert Fuchs ebenso, seine Bekanntheit als Ex-Staatssekretär ist aber hörbar begrenzt. Am kräftigsten fällt die Begrüßung für Gastgeber Mario Kunasek aus, als „zukünftiger Landeshauptmann der Steiermark, er wird Drexler in den Politruhestand schicken“, so Hermann. 2023 sei das „Jahr der zweiten Plätze“ gewesen, aber „heuer ist das Jahr der ersten Plätze“, tönt der Blaue. 

„Sweet Child O‘ Mine“ ertönt - Vilimsky, blauer Spitzenkandidat bei der EU-Parlamentswahl, greift die Corona-Jahre auf: „Rechnen wir mit allen Gemeinheiten ab“, ruft er in die Halle. Als ein Wahlziel nennt er die Verkleinerung des EU-Parlaments. „Dieser Laden muss kleiner werden.“ Und die Migration „aus Arabien“ (?) aufhören.

Mario Kunasek kommt und greift in den „blauen Setzkasten.“ Von Bodenständigkeit, Leistungswillen, Hausverstand oder der „Hinwendung zum Volk, nicht zu den Benkos und Gusenbauers“ ist zu hören. Die Bundesregierung sei das „Schlechteste aus zwei Zwischenwelten“. Leise Kritik übt er an den eigenen Reihen, da man früher eher halbherzig zur EU-Wahl gegangen wäre. Aber auch diese Wahl (am 9. Juni) sei wichtig.

Drexler „ein bisserl deplatziert“

Für den Steirer zählt freilich die Landtagswahl. Migration, Teuerung oder Spitalspolitik (das Leitspital „auf der Sumpfwiese“) würden die Steiermark hart treffen. Der Nicht-Ausbau der A9 nicht minder: „Ein Wahnsinn.“ Sein Gegner: ÖVP-Landeshauptmann Drexler. Der sei „der nicht-gewählte Landeshauptmann, der das Amt mehr schlecht als recht“ ausführe. Einer, der sich „mit 20.000 Euro im Monat zum Mittelstand zählt“, greift der Blaue ein altes Interview auf. Drexler sei „ein bisserl deplatziert bei den normalen Menschen.“ Kritik fasst auch SPÖ-Anton Lang („Den kennen nicht einmal die Steirer“) aus. Lang sei der Adjutant Drexlers. Die SPÖ solle sich besser überlegen, wo man mit der FPÖ zusammenarbeiten könnte. Oder wie Kickl später sagt: „Die Steirer wollen keinen Schnösel mit Schmalzlocke, sondern einen Anti-Drexler, einen Erzherzog-Johann 2.0“.  

Kickl am Pult: „Die Erlösung ist in Sicht“ 

Kickls Auftritt wird von einem Video begleitet. Tenor: Das Land brauche „eine echte Schubumkehr“. Jemanden, der keine Scheu hätte, sich „mit dem System anzulegen.“ Er würde „das Volk an erste Stelle“ stellen. Man ließe sich nicht von „System“ und „Medien“ spalten. Jetzt „ist dieses Schicksalsjahr da“, meint Kickl. Die „Peiniger und Unterdrücker“ hätten nichts in den Regierungsämtern verloren. In den Geschichtsbüchern solle einmal stehen: Die „Phase von Wohlstand, Freiheit und Sicherheit habe am 13. Jänner begonnen.“ 

Die FPÖ sei inzwischen eine Befreiungsbewegung. Diese freiheitliche Energie würde man bändigen wollen, geht Kickls Erzählung weiter. Die „pragmatisierten Experten und Analytiker“ und die „Systemmedien“ seien gegen ihn, aber „aus der Zeit gefallen“. Nehammer, Babler, Kogler und Meinl-Reisinger verortet der FPÖ-Parteichef in einem „Swinger-Klub der Machthungrigen“. 

Rechts, dem Begriff will bzw. muss Kickl bei jedem Auftritt den Schrecken nehmen. Er sieht darin ein Framing der Gegner. Rechts, das sei inzwischen nicht anderes als Stricken, das Grillen im Garten, der Diesel im Tank, eine anständige Erziehung usw. Vom „Feministen-Gender-Woke-Geschwader“ als Rechter genannt zu werden, sei für ihn wie ein Orden.

Ganz in Blau: die Schwarzlhalle
Ganz in Blau: die Schwarzlhalle © JuWi

„Habe so eine lange Fahndungsliste“

Corona lässt Kickl nicht minder aus, die Aufarbeitung durch den Bund wäre eine Frechheit. Kickl hingegen wolle alle zur Verantwortung ziehen: „Ich habe so eine lange Fahndungsliste: Nehammer, Edtstadler, Rauch, ... Wanted, wanted …“ ruft er in den lauten Applaus hinein. Die FP hätte mit allem recht gehabt, die anderen Parteien nicht. „So einfach ist das“ – für Kickl.

Familie, Eigentum, Wohlstand, Leistung. Aufstiegschancen, das neutrale Österreich oder Sicherheit. Nichts davon sei „extrem und schon gar nicht rechtsextrem“, erinnert der Bundesparteichef seine Anhänger. Dann kommt doch etwas Programm: „Weg mit der Co2-Steuer, weg mit der ORF-Abgabe, bei der Nova werden wir was machen, Pensionisten sollen nicht bestraft werden, diese Kreditrichtlinien - weg damit, Lohnnebenkosten müssen hinunter.“ Er wolle Österreichs Zukunft „mit den eigenen Familien“ gestalten und „Ungarn ist für mich ein Vorbild.“ Und ja, das Heizen: „Wieso sollen wir alle Heizungen austauschen, wenn wir eine Regierung austauschen können?“

„Wir haben noch gar nicht richtig angefangen“, habe er zu Alexander Van der Bellen bei einem Treffen auf die Frage über die hohen Umfragewerte der FPÖ gesagt. Wobei: Um zu gewinnen, braucht es auch „Glück, Gottvertrauen, Beistand von oben“. Die FPÖ sei jedenfalls fit, motiviert, um den „entscheidenden Schlag auszuführen“. Einmal sagt er sogar: „Die Erlösung ist in Sicht.“