Es ist ein Schlüsselsatz im Finanzgutachten von Wirtschaftsprüfer Ingo Gruss, das er im Auftrag der Staatsanwaltschaft Klagenfurt erstellt hat. „All diese Maßnahmen zeigen ein hohes Maß an Verschleierungsenergie.“ Gruss hat nachzuzeichnen versucht, wohin die Partei- und Klubförderung für die Grazer FPÖ und den Gemeinderatsklub in den Jahren seit 2014 geflossen ist – ein schwieriges Unterfangen, weil mehrere Konten vorhanden und große Summen in der Regel in bar behoben worden sind. Seit mehr als zwei Jahren laufen ja die Ermittlungen gegen die ehemalige Parteispitze rund um Mario Eustacchio, Armin Sippel und Matthias Eder wegen Untreue und Fördermissbrauch.

Eder ist als Einziger geständig. Er hatte im November 2021 eine Selbstanzeige verfasst, Geld veruntreut zu haben, und hat 710.000 Euro zur Schadenswiedergutmachung bei der Justiz hinterlegt. Gutachter Gruss schreibt in einem zweiten Satz, dass „jedenfalls das Mitwirken einer zweiten Person“ notwendig war, da „die Abhebungen vom Konto des FPÖ-Gemeinderatsclubs Graz nur mit zwei Unterschriften möglich waren“ – was gegen einen Einzeltäter spricht. Bei den meisten infrage kommenden Konten waren Eustacchio, Eder und Sippel zeichnungsberechtigt.

310.000 Euro werden Eustaccio, 88.000 Euro Sippel zugerechnet

Die Summen an sich sind bereits bekannt: 50.000 Euro etwa hat Mario Eustacchio pro Jahr unter dem Titel „Mittel für politische Arbeit und Repräsentationszwecke“ aus den Fördermitteln bekommen, und das, obwohl der Ex-Stadtrat und Ex-Vizebürgermeister durch diese Funktionen auch von der Stadt Graz direkt Verfügungsmittel zwischen 20.000 und 34.000 Euro pro Jahr für seine Repräsentationsaufgaben hatte. Der Gutachter kommt in seiner „Analyse von auffälligen Beträgen“ auf 310.752,30 Euro, die aus der Partei- und Klubförderung zwischen 2014 und 2021 an Eustacchio geflossen seien.

Ex-Klubchef Armin Sippel werden 88.577 Euro zugerechnet. Das reicht von „Bewirtungskosten“ mit 997 Euro bis zu Pauschalbeträgen für „Repräsentation und Werbeaufwand“ mit 10.000 Euro und „Sippel 1. Teil“ mit 17.000 Euro.

Was der Ex-Klubchef jedenfalls erhalten hat, ist ein Gehalt des Vereins Steirische Verlagsgesellschaft zusätzlich zu seiner Gage als blauer Klubchef. „Einzige Tätigkeit des Vereins war offensichtlich, Mag. Sippel zu beschäftigen“, schreibt der Gutachter. Der Verein zahlte jährlich zwischen 17.000 und 18.000 Euro an Sippel, der als Gegenleistung die Parteizeitungen „Der Uhrturm“ und „Wir Grazer“ führend gestaltet hat. Ebenfalls im Gutachten prominent sichtbar: Zahlung von insgesamt 91.500 Euro an den „Verein zur Förderung fortschrittlicher Gemeindepolitik“, deren Obmann bis 2019 Eder war. Für das dortige Konto zeichnungsberechtigt: Eder, Eustacchio und ein enger ehemaliger Klubmitarbeiter, der ebenfalls als Beschuldigter geführt wird.

Der Gutachter kommt zum Schluss: „Aufgrund der vorliegenden Unterlagen muss vermutet werden, dass ein Großteil der Mittel, die der FPÖ Graz und dem FPÖ-Gemeinderatsclub Graz zur Verfügung standen, nicht dem entsprechend dem im Parteiengesetz definierten Zweck, sondern für private Zwecke verwendet wurde.“

Offene Fragen

Wobei auch zahlreiche Fragen offenbleiben. Immer wieder verweist Gruss darauf, dass noch zu eruieren sei, wer bestimmte Zahlungen bekommen oder autorisiert hat. Das Problem: Es fehlt der Gutteil der Buchungsbelege aus der FPÖ-Buchhaltung. Und weitere Konten müssen geöffnet werden. Das passiert, bestätigt man bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt. Ein „Ergänzungsgutachten“ ist in Arbeit und dürfte Anfang 2024 fertig werden. Insgesamt wurden elf Konten geöffnet, „drei bis vier mit Drittverbot belegt“, also eingefroren.

Und was sagen die Beschuldigten? Auf Anfrage der Kleinen Zeitung wollte sich niemand äußern, gegenüber der Staatsanwaltschaft kritisierte Eustacchios Anwalt Helmut Schmid das Gutachten allerdings scharf. Schon der Arbeitsauftrag sei falsch, vor allem stößt er sich daran, dass der Gutachter „sich selbst zum Detektiv gemacht“ und Indizien „beweiswürdigend zu Papier gebracht hat“ – und meint damit etwa den eingangs zitierte Satz mit dem „hohen Maß an Verschleierungsenergie“. Das und andere Sätze lassen Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Gutachters aufkommen, so Schmid.

Das Beispiel von der Flasche Rotwein

In einem einzigen Punkt ist Anwalt Schmid aber mit dem Gutachter einer Meinung: Eine enge Definition, wie „den Parteien zugewendete Fördermittel zu verwenden sind, findet sich im Gesetz nicht“, schreibt Gruss – ausgeschlossen sei nur der private Zweck. Anwalt Schmid folgert daraus, dass es damit auch schwerlich einen strafrechtlichen Untreuevorwurf gegen Eustacchio und Co. geben könne, und untermauert es mit einem Vergleich: „Jener Politiker, der Fördermittel annimmt und sich damit eine Flasche Rotwein kauft, die er ganz allein trinkt, handelt (objektiv) tatbestandsmäßig.“ Trinkt er den Wein „gemeinsam mit anderen (politisch interessierten) Menschen“, macht er es nicht mehr privat, sondern als Politiker. Ob das moralisch ok sei, „muss Thema einer politischen/ethischen Diskussion sein“, so Schmid, „nicht aber Thema eines Strafverfahrens, das aufgrund seiner intensiven ,medialen Begleitung‘ zur Existenzvernichtung führt“.

Was die Diskussion erschwert: Praktisch sämtliche Belege aus der FP-Buchhaltung wurden vernichtet. Es gilt die Unschuldsvermutung.