„Herbert Kickl will es selbst in der Hand haben, was und wie über ihn geschrieben wird.“ Der freiheitliche Politiker, der das über den FPÖ-Obmann sagt, ist seit Jahrzehnten in der Partei. Entsprechend herausfordernd ist es für Journalisten, ein differenziertes Bild des Mannes zu zeichnen, der die Freiheitlichen seit Juni 2021 mit starker Hand und höchst erfolgreich führt. Dabei kennen die Wählerinnen und Wähler nur jenes Bild, das Kickl selbst von sich zeichnen will, beziehungsweise jenes, das Gegner von ihm skizzieren. Das eine ist so sehr Propaganda wie das andere, nur mit unterschiedlichen Zielen.

Kickl in der ZiB 2: „Da habe ich mich nicht durchsetzen können“

Morgenpost von Carina Kerschbaumer: Stresstest Kickl

Die Frage nach der Persönlichkeit eines Spitzenpolitikers ist relevant, weil die Menschen nicht Programme oder Ideologien wählen, sondern Personen, von denen sie das Gefühl haben, ihnen vertrauen zu können. Zwischen dem medial vermittelten Schein und dem echten Sein klafft dabei zwangsläufig eine Kluft. Für dieses Porträt hat die Kleine Zeitung etliche Personen aus der FPÖ und mit Einblick in die FPÖ und unter Zusicherung von Vertraulichkeit befragt.

Dass Kickl, der 1968 in Villach geboren wurde, seine Privatsphäre fast hermetisch abschirmt, ist bekannt und wird hier auch respektiert. Die meisten privaten Details, die wir über Spitzenpolitiker wissen, sind ohnehin das Resultat strategischen Kalküls. Hier soll es um den Politiker Kickl gehen.

Ein kleiner Kreis Vertrauter

Kickls engster Kreis soll aus einer Handvoll Personen bestehen: Norbert Nemeth, Klubdirektor seit 2006 und schlagender Burschenschafter; die langjährige Mitarbeiterin Isolde Seidl; der niederösterreichische FP-Klubchef Reinhard Teufel; Kommunikationschef Alexander Höferl. Über diesen Kreis hinaus beginnen schon die Unklarheiten: Etwa inwiefern die beiden Generalsekretäre, Michael Schnedlitz und Christian Hafenecker, dazugehören oder auch Marlene Svazek und Manfred Haimbuchner, die beiden Landeschefs von Salzburg und Oberösterreich.

„Ich weiß es nicht“: Dieser Satz fiel in jedem Gespräch. Wie Kickl in seinem Innersten denkt und fühlt, ist auch Menschen ein Rätsel, die ihn lange kennen und begleiten. In internen Runden sei er direkt, mitunter auch kompromisslos. Gibt es da Widerspruch? Ja, durchaus, heißt es, vor allem, wenn ein kleinerer Kreis zusammensitzt. Dabei gehe es weniger um Inhaltliches, sondern eher um Fragen von Tonalität und Wortwahl. Nimmt er die Kritik auch an? Manchmal.

Dass Kickl strategisch freie Hand hat, ist das Resultat des blauen Höhenflugs. Er war es, der im Laufe der Pandemie immer schärfer gegen Maßnahmen wie Impfung geschossen hat. Dabei forderte er zu Beginn noch mehr Härte. Doch dann entdeckte er Corona – gegen inneren, vor allem äußeren Widerspruch – als Chance, um die FPÖ für ganz neue Wählergruppen dauerhaft zu öffnen.

Dieser Erfolg gilt intern als Kickls Verdienst. Das immunisiert ihn gegen allfällige Kritiker. Die Partei vertraut ihm und seinem Gespür. Das wirkt sich auf andere Themen aus, bei denen Kickl den Kurs revidierte, etwa bei der Wiederannäherung an die rechtsextremen Identitären. Gleichzeitig heißt es: Mit den Verbindungskreisen der FPÖ zum äußerst rechten Rand habe Kickl nichts am Hut. Alles Strategie.

Beim Extremsport hat man viel Zeit zum Nachdenken

Kickl sei einer, „der gerne nachdenkt, die Dinge bis zum Ende durchdenkt“, erst dann bespreche er sich mit anderen. Ein anderer ergänzt: „Kickl ist ein rationaler Kopf“, das Nachdenken hänge mit seiner Lust am Extremsport zusammen – „da hat man viel Zeit“. Hier kommt es auf Durchhaltevermögen und Selbstüberwindung an.

In der Öffentlichkeit gibt sich der FPÖ-Chef meist kühl und distanziert. Das gilt auch für den Umgang mit der blauen Basis, etwa im Bierzelt. Das genaue Gegenteil zu Jörg Haider und Heinz-Christian Strache. Ist Kickl also ein geselliger Typ? Ja, aber nur in kleineren Runden. In seiner Zeit als Straches rechte Hand gab es bierselige Runden mit Journalisten im Wiener Schweizerhaus, wo auch er bis zum Morgen blieb. Was er nicht mache, seien Abendveranstaltungen, wo es nur um ein Gesichtsbad und Smalltalk gehe.

Will Kickl den autoritären Umbau der Republik?

Die Frage, die die Öffentlichkeit wohl am stärksten umtreibt, lautet: Ist Kickl ein lupenreiner Demokrat, der die Verfassung respektiert und andere Mehrheiten akzeptiert, oder will er, wenn er nur könnte, die Republik nach autoritärem Muster umbauen, wie es ihm viele seiner Gegner offen unterstellen? Diejenigen, mit denen die Kleine Zeitung für dieses Porträt gesprochen hat, sehen das als einen weiteren Versuch, Kickl und die Partei zu dämonisieren.

Auch scharfe Kritik an der Realverfassung, den Sozialpartnern und dem ORF sei legitim. Europa sei für Kickl eine grundsätzlich positive Idee, doch die EU sei irgendwann falsch abgebogen, ein Austritt aber dennoch kein Thema. Überhaupt habe dieser an Außenpolitik kein wirkliches Interesse, weil klare Positionen innenpolitisch den Handlungsspielraum einengen. Die massive Stärkung der direkten Demokratie gegen die Macht von Parteien und Sozialpartnern sei ihm dagegen ein echtes Anliegen.

Im Kern wird der FPÖ-Chef als machtpolitischer Pragmatiker gezeichnet – „so unideologisch wie unter ihm war die FPÖ noch nie“, formuliert es ein Gesprächspartner. Dass er sozialpolitisch der SPÖ näherstehe, stimme zwar, doch hindere ihn dies nicht, wenn es die Option gebe, auch wieder mit der ÖVP, die seit dem Aus von Türkis-Blau sein Hauptgegner ist, ins Gespräch zu kommen. Sein Hauptziel sei es, die FPÖ bei den Wahlen maximal stark zu machen – alles andere werde sich dann ergeben. Doch persönliche Befindlichkeiten wie aus der Vergangenheit offene Rechnungen werden für die dann anstehenden Entscheidungen keine Rolle spielen.