Als mit Ausbruch der Pandemie überall in Europa plötzlich die Grenzbalken wieder geschlossen wurden, kappte sich der Kontinent auch eine der Lebensadern. Die EU ist die weltweit erfolgreichste Tourismusdestination, zehn Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung kommen aus diesem Bereich. Allein Touristen aus den EU-Ländern geben zwischen Juni und August rund 190 Milliarden Euro aus.

Das wird heuer nicht so sein, auch wenn man nun daran geht, die Grenzen langsam wieder zu öffnen. Über allem wird auch in den entscheidenden Monaten das Damoklesschwert der zweiten Welle schweben, eines gefährlichen Anstiegs der Krankheitsfälle. Verschlimmert sich die Lage wieder, ist mit neuen Einschränkungen zu rechnen. Die EU-Kommission hat dazu einen umfassenden Leitfaden herausgegeben, der vor allem eines schaffen soll: Überall in Europa sollen Bewohner und Reisende einheitliche Vorschriften und Sicherheitsmaßnahmen vorfinden.

Das Öffnen der Grenzen soll in mehreren Stufen erfolgen, zunächst zwischen „Regionen mit ähnlicher epidemiologischer Lage“ – freilich aber ohne Diskriminierung durch Nationalität, wie es heißt. Einhergehen muss die Öffnung demnach aber mit der europaweiten Einhaltung der allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen: Distanzierung, Hände waschen, Masken tragen (so erwünscht). Essenziell sei, so heißt es, dass die Mitgliedsländer die nötigen Daten über die Corona-Situation ans ECDC (EU-Seuchenkontrollzentrum) liefern, dazu müsste auch eine offensive Informationspolitik betrieben werden – Reisende sollen wissen, was sie am Zielort erwartet.

Phase 0: Das ist die derzeitige Lage, in dieser Woche haben die vorsichtigen Lockerungen begonnen, etwa beim kleinen Grenzverkehr zwischen Oberösterreich und Bayern.

Phase 1: Macht der Pandemieverlauf es möglich, soll nach und nach innerhalb der EU die Reisefreiheit wieder wachsen, gering ab 15. Mai, mehr ab 15. Juni. Eine der Voraussetzungen für die Kommission ist, dass es innerhalb der betreffenden Länder bereits wieder leicht möglich sein muss, sich frei zu bewegen. Ein Zwischenschritt könnte sein, dass man von systematischer Grenzkontrolle auf Stichproben zurückgeht. Das Ende von Kontrollen sollte sich aber, so heißt es, dann nicht nur auf benachbarte Regionen beziehen, sondern auf „vergleichbare“ innerhalb der EU. In dieser Phase hat auch der berufliche Verkehr sowie Reisen aus familiären Gründen noch eine Bevorzugung gegenüber Urlaubsreisen – was das in der Praxis bedeutet, ist unklar.

Phase 2: Der letzte Schritt, wenn alles gut läuft. Dann soll es gar keine geschlossenen Grenzen mehr geben.

In einem weiteren Papier beschäftigt sich die EU-Kommission mit der Situation an den Urlaubszielen. So spielt überall dort, wo viele Tausend Gäste gleichzeitig kommen könnten, die Krankenhauskapazität und das örtliche Gesundheitssystem eine Rolle. Am Rande wird auch darauf hingewiesen, dass die EU-Länder damit rechnen müssten, krank gewordene Staatsbürger aus dem Ausland zurückholen zu können.
In den Tourismus-Hochburgen soll es ausreichende Testkapazitäten geben – eine der großen Sorgen ist, dass neue „Nester“ wie jenes in Ischgl entstehen könnten. Auch vom „Contact tracing“ kommt die EU nicht ab. Unter Einhaltung der DSGVO erscheinen Apps als sinnvoll, allerdings müssten sie EU-weit kompatibel sein anstelle von Einzellösungen. Für dieses Thema wollen Kommission und Rat noch ein eigenes Protokoll erarbeiten.

Hotels und Gästebetriebe sollen ihre Mitarbeiter ausführlich informieren und damit sicherstellen, dass im Verdachtsfall nicht etwas schiefläuft – also zum Beispiel jemand zur Arbeit kommt, der Symptome aufweist. Ältere Mitarbeiter sollten dort eingesetzt werden, wo das Ansteckungsrisiko geringer ist usw. Umgekehrt warten auch auf Gäste Aufgaben, etwa dass sie die Hygienevorschriften einhalten oder auch klar hinterlassen, wie und wo sie erreichbar sind, falls nach ihrer Abreise ein Fall bekannt wird. Die Betriebe sollen die Gesamtzahl der Gäste herabsetzen, um genügend Abstand zu gewährleisten und natürlich alle Veranstaltungen, die zu dichtem Gedränge führen, absagen.

Ein eigener Punkt betrifft das Szenario, dass ein Gast oder Mitarbeiter tatsächlich erkrankt. Testen, Kontakte eruieren, isolieren und Quarantäne lautet die Empfehlung. Was auffällt: Empfehlungen gibt es auch für Tourismusbetriebe mit Buffets (Distanz muss möglich sein), Fitnesseinrichtungen, In- und Outdoor-Pools und Spielplätzen. Zumindest theoretisch könnte das also alles offen sein.