Sonntag ab 9 Uhr begleiten wir Sie durch den spannenden Wahltag. Lesen Sie hier noch einmal zusammengefasst, welche Richtungsentscheidungen anstehen: 

Graz: Nagls Ringen um die fünfte Amtsperiode

"Give me five" – das war die Losung, mit der die Grazer ÖVP in den Wahlkampf gestartet ist. Bürgermeister Siegfried Nagl strebt nach 19 Jahren die fünfte Amtszeit an.

Alle Umfragen weisen ihn als klare Nummer eins aus – und trotzdem sind die zuversichtlichen Töne zuletzt verstummt. Die 38 Prozent aus 2017 seien nicht zu halten, heißt es. Stattdessen warnt Nagls ÖVP in grellen Farben vor einer linken Mehrheit aus KPÖ, Grünen und SPÖ.

Hauptverantwortlich für die türkise Nervosität ist die in Graz Kommunistische Partei und deren Frontfrau Elke Kahr. Die KPÖ, seit 2012 zweistärkste Kraft, könnte ihre 20 Prozent weiter ausbauen. Ob es für eine linke Mehrheit reicht, ist eine andere Frage.

Denn die Grazer SPÖ ist seit zwei Jahrzehnten im Sinkflug und startet mit derzeit zehn Prozent von Platz fünf aus. Auf eine große Aufholjagd deutet wenig hin, das Wahlziel: zurück in die nach Proporz besetzte Stadtregierung, um überhaupt eine Koalitionsoption zu sein.

Knapp scheint vor der Wahl nur das Match um Platz drei: Laut Umfragen überholen die Grünen die FPÖ, den aktuellen Nagl-Koalitionspartner.
Wer künftig mit wem Graz regiert, ist offen. Die Hauptfrage: Geht sich eine Zweierkoalition aus (wenn, dann wohl ÖVP-Grüne) oder braucht es gar eine Dreierkonstellation ohne fixe Koalition mit den ideologisch Entgegengesetzen ÖVP und KPÖ?

Von Gerald Winter-Pölsler

Oberösterreich: Seltene Wahlen im "Hoamtland"

Mehr als eine Million Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher sind heute aufgerufen, einen neuen Landtag zu wählen – ein seltenes Ereignis: Im bevölkerungsmäßig drittgrößten Bundesland finden Wahlen nur alle sechs Jahre statt. Kein Bundesland wählt seltener. Gleichzeitig werden auch Gemeinderäte und Bürgermeister gewählt. Hier dürfen auch EU-Bürgerinnen und Bürger mitstimmen.

Für den Landtag kandidieren elf Parteien – mehr denn je. Neben den bereits im Landtag vertretenen ÖVP, FPÖ, SPÖ und Grünen haben auch Neos gute Chancen auf den Einzug. Die Impfskeptiker MFG dürfen laut Umfragen hoffen.

Favorit auf den Wahlsieg ist die Volkspartei unter Landeshauptmann Thomas Stelzer. Das Rennen um Platz zwei ist offen: Umfragen sehen FPÖ und die SPÖ bei je rund 20 Prozent. Den Grünen dürfte trotz leichter Zuwächse der vierte Platz sicher sein.

Die FPÖ hofft auf eine Fortsetzung der schwarz-blauen Koalition, SPÖ und Grüne wollen selbst mitbestimmen. Die Wahl des Juniorpartners hält sich die ÖVP aber offen. Alle vier Parteien sind jedenfalls Teil der Konzentrationsregierung. Nur Neos und MFG wären die Opposition im Landtag.

Die Wahllokale schließen um 16 Uhr, kurz darauf werden erste Hochrechnungen erwartet.

In Deutschland geht eine Ära zu Ende

Deutschland wählt. Und dabei geht es nicht allein um die Nachfolge der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel. Klimaschutz, Digitalisierung, Elektromobilität und die damit einhergehenden Umwälzungen der Automobilwirtschaft als deutsche Schlüsselindustrie – das Land steht vor gewaltigen Herausforderungen. Ein „Modernisierungsjahrzehnt“ mahnt Unionskanzlerkandidat Armin Laschet an. Eine „Klimaregierung“ fordert die Grüne Annalena Baerbock. „Sichere Arbeit und Klimaschutz“, verspricht Olaf Scholz. Das zeigt, dass der SPD-Kandidat am ehesten die Sehnsucht der Deutschen nach Kontinuität und Sicherheit verkörpert. So wie es ist, wird es nicht bleiben. Es ist wie 1998 nach 16 Jahren Helmut Kohl – bei der heutigen Richtungswahl wird Deutschland über das Tempo der Modernisierung entscheiden.

Daneben werden in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern neue Landesparlamente gewählt. Gemeinsam mit der Bundestagswahl werden damit die Weichen für die Bundespräsidentenwahl 2022 gestellt. Das Staatsoberhaupt wird von Vertretern der Landtage und dem Bundestag bestimmt. Der blasse Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier war schon bei der letzten Wahl ein Verlegenheitspräsident, die Grünen konnten keinen eigenen Bewerber präsentieren. Kommendes Jahr könnte es anders laufen. Das Präsidentenamt ist Teil der anstehenden Koalitionsgespräche.

Von Peter Riesbeck