Am Ende ging alles ganz schnell. "Die Würfel sind gefallen", sagte Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder am Vormittag in München und stellte unmissverständlich fest: „Armin Laschet wird Kanzlerkandidat der Union.“In der Nacht zuvor hatte sich in Berlin nach einer mehrstündigen Sitzung des CDU-Bundesvorstands mit einer Drei-Viertel-Mehrheit für Laschet als Spitzenkandidat ausgesprochen. Herausforderer Söder drehte bei und akzeptierte den Beschluss. Noch ehe am Nachmittag die Bundestagsfraktion der Union tagte, gratulierte er dem CDU-Vorsitzenden. „Für die schwierige Aufgabe viel Erfolg“, so Söder.


Armin Laschet, 60, steht als Gewinner im Streit der beiden deutschen konservativen Schwesterparteien fest. Nach neun quälend langen Tagen erscheint er aber als müder Sieg. Sein Erfolg kam erst im zweiten Anlauf. Bereits vor einer Woche hatten sich die Führungsgremien der CDU für ihn ausgesprochen. Söder bezeichnete dies als „Hinterzimmer“. In der CDU sorgte das für mächtig Ärger. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, der sich für Laschet ausgesprochen hatte, soll intern vermittelt haben.

Der zweite Anlauf

Laschet kommt gerne erst im zweiten Anlauf zum Zug. In Nordrhein-Westfalen war er auf dem Weg an die CDU-Spitze zunächst an Norbert Röttgen gescheitert. Bei der Wahl zum CDU-Vorsitzenden im Bund ließ er 2018 Annegret Kramp-Karrenbauer den Vortritt. Erst im Jänner 2021 kam er ans Ziel. Laschet überzeugte damals mit einer beeindruckenden Rede. Er verwies auf seinen Vater, einen Bergmann, und erklärte: „Demokratie lebt vom Vertrauen.“


Steherqualitäten hat Laschet nun bewiesen. Das breite Vertrauen muss er sich noch erarbeiten. Seine Anhänger verweisen darauf, auch bei seinem überraschenden Sieg bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen habe er in Umfragen lange geschwächelt, am Ende aber doch triumphiert. Die Koalition in Düsseldorf verhandelte Laschet übrigens mit FDP-Chef Christian Lindner. Den Liberalen gilt er deshalb als Lieblingskandidat in der Union.Aber auch mit den Grünen kann der CDU-Chef. Als Abgeordneter in Bonn gehörte er in den 90er-Jahren der schwarz-grünen Pizza-Connection an, einem losen Kreis junger Grünen- und Union-Politiker, die nach möglichen Gemeinsamkeiten fahndete. Das galt damals noch als „Landesverrat“, bekannte Laschet jüngst in einem Interview mit der „Zeit“. Zur Legende gehört übrigens auch, dass die Truppe den Hintereingang zum Nebenzimmer nutzte. Um im Lokal Kanzler Helmut Kohl aus dem Weg zu gehen.

Aus dem liberalen Flügel

Laschet entstammt dem liberalen Flügel der CDU. „Härte ja, Ressentiment nein“, umschreibt er sein Credo in der inneren Sicherheit. Auch zur Homo-Ehe steht er. Alle seien „Kinder Gottes“, so Laschet. Seinen ersten Job fand er bei Rita Süssmuth, die für eine offene Ausländerpolitik eintrat. Sozialpolitisch ist die CDU an Rhein und Ruhr stark von der katholischen Soziallehre geprägt. Innenpolitisch grüßt mit Laschet ein wenig die alte CDU der Bonner Republik hinüber nach Berlin.

Außenpolitisch steht der, Katholik aus Aachen und frühere EU-Abgeordneter, in der Tradition von Kohl. Klar pro Europa. Als Koordinator der deutsch-französischen Beziehungen könnte sich auch die Beziehung zu Paris etwas entspannen. Kritischer wird Laschets Russlands-Politik gesehen. Nach der Annexion der Krim durch Russland warnte Laschet 2014 vor einer „Dämonisierung“ Wladimir Putins. In der Debatte um Russland-Sanktionen nach der Vergiftung des Ex-Spions Sergej Skripal 2018 verlangte er „sichere Belege“ für die russischen Verwicklungen. Im Zweifel zählen wirtschaftliche Interessen an Rhein und Ruhr mehr als eine klare Haltung. Die Debatte um die Gaspipline Nordstream 2 lässt grüßen. Es ist diese Wankelmütigkeit, die ihn mitunter als schwankend erscheinen lässt – zuletzt in der Corona-Politik.


Die Union muss nun rasch zur Geschlossenheit zurückfinden. Die Basis schmollt, auch in der Bundestagsfraktion grummelt es nach den unruhigen Tagen der Entscheidungsfindung. „Markus Söder war erkennbar der Kandidat der Herzen“, stichelte CSU-Generalsekretär Markus Blume. Der Kandidat für die Bundestagswahl ist nun gefunden. Die Debatte schwelt aber weiter. Nicht nur um das Verfahren zur Kandidaten-Kür, auch zur inhaltlichen Ausrichtung der CDU.