In Kärnten und der Steiermark war die Südgrenze Teil der nationalen Identität, lange vor der NS-Zeit. Grenzer brauchte man nicht mehr zu werden, Grenzer war man bereits. Zur nationalen kam nun aber noch die rassische Komponente dazu: das ideologisch verbrämte Überlegenheitsgefühl gegenüber den Slowenen im Lande. Die „Südmark“, in der die Länder von Osttirol bis ins südliche Burgenland organisatorisch zusammengefasst wurden, sollten Aushängeschilder „deutscher (nationalsozialistischer) Gesinnung, Kultur und Wirtschaft“ an der Südostecke des Reiches sein. Was wirtschaftlich dazu fehlte, sollte rasch aufgeholt werden. Mit Förderungen, Aufträgen, Krediten, in Gleichschaltung und Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen. Fast jeder zehnte Kärntner und Steirer war NSDAP-Mitglied, jeder dritte davon war bereits vor 1938 Illegaler – ein Spitzenwert in Österreich.

Die angesprochene Grenzlage war nur ein Grund. Ebenso stark wogen der nationale Gegensatz im Land seit dem 19. Jahrhundert, die Gebietsverluste 1918, die starke Rolle des Landbundes in Kärnten, von Heimwehren und Heimatschutz in der Steiermark, die Nazifizierung in den großen Alpine-Betrieben, die extrem hohe Arbeitslosigkeit, die Verarmung besonders am Land, das Fehlen von Zukunftsperspektiven für die Jugend und der technologische Rückstand. Die nationale und die soziale Frage waren auch in der „Südmark“ die zwei wesentlichen Gründe für die anfängliche „Anschluss“-Begeisterung.

Suppenküche in Klagenfurt
Suppenküche in Klagenfurt © (c) Votava / Imagno / picturedesk.co (Votava)

Die NSDAP rekrutierte ihre Mitglieder vor 1938 vor allem aus dem mittelständischen und großbäuerlichen Bereich. In der Steiermark war die NSDAP organisatorisch schwächer als in Kärnten. In Graz kam sie auf kaum drei Prozent der Stimmen, während sie in Klagenfurt rund 30 Prozent hatte. Ihre Hotspots waren bei den Wahlen 1932/33 lediglich Murau, Gröbming und Liezen.

Die NS-Machtübernahme am 11./12. März 1938 war in Kärnten und der Steiermark sehr rasch vor sich gegangen. Kärnten meldete am 11. März als erstes Bundesland die NS-Machtübernahme an den Landesbeamten Wladimir Pawlowski als kommissarischem Landeshauptmann. In Villach wehte schon am späteren Nachmittag eine NS-Fahne vom Polizeikommissariat. In Klagenfurt und in den größeren Städten des Landes demonstrierten Lehrer und Schüler gemeinsam für den „Anschluss“. Am Abend, noch vor Schuschniggs-Abschiedsrede im Radio, hatte die SS in Klagenfurt praktisch die Polizei übernommen.
Einen organisierten Widerstand gab es nicht. Bekannte NS-Gegner, vor allem Repräsentanten des Ständestaates, wurden sofort verhaftet und die ersten Transporte nach Dachau zusammengestellt. Dies alles geschah weitgehend unbemerkt. Denn die Propaganda für die Volksabstimmung am 10. April 1938 sollte nicht gestört werden. Nicht wenige NS-Gegner, wie selbst Nobelpreisträger Otto Loewi oder einige Slowenen-Vertreter in Kärnten, hatten kurzzeitig sogar die Illusion, ein Arrangement mit dem NS-Regime finden zu können. Von den Bischöfen über Karl Renner bis zu Dichtern wie Hans Kloepfer oder Josef Friedrich Perkonig wurde für das Ja zum bereits vollzogenen „Anschluss“ geworben.

Unter großem Druck und in der Hoffnung, das Schlimmste abwehren zu können, empfahlen auch Kärntner Slowenen ein Ja, machten bekannte Priester wie Johannes Ude mit ebenso wie Mitglieder von CV-Verbindungen oder Freimaurer-Logen. Propagiert wurden Gratisessen, Neueinstellungen von Arbeitslosen, Lohnerhöhungen und Absatzförderungen für Bauern. Das Abstimmungsergebnis lag über dem österreichischen Durchschnitt. Die schnelle Beseitigung der Arbeitslosigkeit gelang bis 1939 durch die Einberufungen zu Wehrmacht und Reichsarbeitsdienst, durch Rüstungsaufträge, Investitionen in Infrastruktur und Landwirtschaft sowie mit dem Abzug von rund 25.000 Facharbeitern nach Deutschland.

Das beflaggte Villach
Das beflaggte Villach © (c) Imagno / picturedesk.com

Sehr bald zeigte sich die kirchenfeindliche Haltung des Regimes – auch im Alltag. Bis Ende 1938 waren schon Dutzende Priester verhaftet, der mutige Kaplan Hans Pfeiler aus dem steirischen Schäffern war im Bezirksgefängnis von Nazis nächtens erschlagen worden. Teile der Priesterschaft opponierten subtil, andere öffentlich gegen die Abschaffung des Schulgebetes. In Oberzeiring marschierten bekannte Nazis bei der Fronleichnamsprozession mit, in Kärnten protestierte die Kirche gegen die Entfernung von Kreuzen aus Betrieben, Schulen und Krankenhäusern.

1941 wurden die Untersteiermark und Oberkrain angegliedert. Die Gauleiter Sigfried Uiberreither und Friedrich Rainer führten eine scharfe Eindeutschung des slowenischen Gebietes („Dieses Land ist wieder deutsch zu machen!“). Neben den rund 3000 Juden, vor allem in Graz und Klagenfurt, waren die Slowenen das Hauptziel der Rassenpolitik des Regimes. Die Aussiedlung Zehntausender in der Untersteiermark und die Zwangsansiedlung von Gottscheern auf ihren verlassenen Höfen, die Slowenen-Aussiedlungen in Kärnten und die Ansiedlung von Kanaltaler Bauern, Geiselerschießungen und Morde waren vielfach die Motivation für die starke Partisanen- und Widerstandstätigkeit, zunächst in Südkärnten, bald auch auf Kor- und Saualpe und in der Obersteiermark.
Die „Südmark“ sollte ein Schaufenster zum Balkan sein. Sofort erhielten Industrie und Gewerbe Wehrmachtsaufträge. 126 Firmen wurden zu Rüstungsbetrieben erklärt, mehr als 300 waren Wehrmachtslieferanten. 1944 beschäftigte die steirische und Kärntner Rüstung und Zulieferung etwa 140.000 Menschen, davon rund ein Viertel Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. Die Bedeutung der „Südmark“-Industrie für die Rüstung des Reiches stieg an, weil die deutschen Betriebe bereits schwer zerbombt waren.

Auch der Landwirtschaft kam große Bedeutung zu: als Lebensmittel- und Energieproduzent. Unter dem Slogan „Nahrung ist Waffe“ und der „Blut- und Bodenideologie“ wurden das Reichserbhofgesetz ein- und die Umschuldung der Bauern von 34.000 Landwirtschaften durchgeführt. Zwar konnte damit die Landflucht nicht gestoppt werden, doch blieb die Lebensmittelversorgung bis Kriegsende – vor allem durch den Einsatz von rund 300.000 Zwangsarbeitern in der gesamten „Südmark“ – auf einem minimalen Stand erhalten.

In beiden Ländern wurde die NS-Ideologie stark mit der Volkskultur verbunden. In der Steiermark behielt der „graue Rock“ des Erzherzogs Johann seine Funktion, sollte nun aber auch Ausdruck von NS-Gesinnung sein. In Kärnten wurde besonders das „Kärntner Lied“ gepflegt. Die Lehrer wurden „Kulturpfleger“ und Germanisierer.