In Hongkong haben Forscher erstmals eine Reinfektion mit dem Coronavirus nachgewiesen: Ein 33-Jähriger Mann, der im März an Covid-19 erkrankt war und milde Symptome zeigte, wurde nun, weniger als fünf Monate später wieder positiv auf das Coronavirus getestet – Symptome zeigte er diesmal aber keine. Auch in den Niederlanden und Belgien wurde je ein Fall einer nachgewiesenen Zweitinfektion gemeldet: In den Niederlanden handelt es sich um einen älteren Patienten mit schwachem Immunsystem, in Belgien um eine junge, gesunde Patientin, die nach drei Monaten erneut erkrankt sei.

1. Was ist so besonders an diesen Fällen?

Zunächst muss einschränkend gesagt werden: Bisher sind nur Presseberichte zum Fall aus Hongkong veröffentlicht, die Untersuchung wurde noch in keinem Fachjournal veröffentlicht und damit auch noch nicht von anderen Experten begutachtet. Doch stimmen die Angaben der Forscher aus Hongkong so, konnten sie den ersten Fall einer Reinfektion beweisen: Sie analysierten und verglichen nämlich die Virus-DNA beider Infektionen und konnten zeigen, dass es sich um zwei unterschiedliche Varianten des Coronavirus handelt. Damit hatte sich der Mann tatsächlich ein zweites Mal – vermutlich auf einer Spanien-Reise – angesteckt. Auch bei den Fällen in den Niederlanden und Belgien wurden solche genetischen „Fingerabdrücke“ des Virus analysiert. Es waren ja schon früh Spekulationen um mögliche Reinfektionen aufgetaucht, damals konnten die Fälle aber dadurch erklärt werden, dass Patienten nach einer durchgemachten Erkrankung noch längere Zeit "tote" Viruspartikel ausscheiden.

2. Wie beunruhigend sind diese Fälle?

Diese Fälle sind für Virologen weder beunruhigend noch überraschend: „Wir wussten schon davor, dass eine Infektion mit dem Coronavirus nicht zu einer langjährigen oder gar lebenslangen Immunität führt“, sagt Monika Redlberger-Fritz von der Med Uni Wien. Auch sei von anderen Coronaviren – SARS 1, „harmlose“ Erkältungs-Coronaviren – bekannt, dass man sich wieder infizieren könne. Und: „Der Fall aus Hongkong ist auch deshalb nicht beunruhigend, weil der Mann bei der zweiten Infektion keine Symptome hatte“, sagt Redlberger-Fritz. Dazu müsse man wissen, dass es sogenannte sterilisierende Immunität gibt, was bedeutet, dass man sich gar nicht mehr mit einem Virus anstecken kann. Eine nicht-sterilisierende Immunität hingegen bedeutet, dass man sich zwar anstecken kann, aber nicht oder zumindest nicht schwer erkrankt. „Das scheint in diesem Fall geschehen zu sein“, sagt die Expertin.

3. Ist also nicht jeder Genesene auch immun?

„Die WHO hat schon vor Monaten betont: Nur weil ich eine Infektion durchgemacht habe, kann man noch nicht von einer Immunität sprechen“, sagt Redlberger-Fritz. Bekannt ist, dass vor allem bei Menschen, die nur einen milden Verlauf der Erkrankung hatten, die Antikörper-Spiegel rasch wieder sinken können. Expertin Ursula Wiedermann-Schmidt (Med Uni Wien) unterstreicht auch: „Allein das Vorhandensein von Antikörpern ist keine Garantie für einen Schutz – es braucht eine bestimmte Qualität, sogenannte neutralisierende Antikörper.“ Diese können mit einem speziellen Neutralisationstest festgestellt werden.

Die Antwort darauf, wie lange diese Antikörper halten, kennt die Wissenschaft noch nicht – und Untersuchungen zeigen, dass die Antikörperzahl auch rasch wieder abfallen kann. So hatten Bluttests der ersten Corona-Patienten in Deutschland, die Ende Jänner in München behandelt wurden, Anfang Juli schon ein deutliches Absinken der Anzahl eben dieser neutralisierenden Antikörper im Blut gezeigt.

Auch an der Med Uni Wien werde nun zumindest über ein halbes Jahr beobachtet, wie lange diese neutralisierenden Antikörper halten, um die Frage der Immunität zu beantworten. „Wir können leider kein grünes Licht geben und sagen: Jeder, der eine Infektion hatte, ist geschützt. Wir wissen einfach nicht, wie lange der Schutz anhält“, sagt Wiedermann-Schmidt. Wenn sich SARS-CoV-2 allerdings ähnlich verhält wie die humanen Coronaviren, mit denen wir schon lange leben und die harmlose Erkältungskrankheiten auslösen, dann muss man davon ausgehen, dass die Immunität eine kurzlebige ist: Nur ein paar Monate hält die Immunität gegen diese Coronaviren.

4. Was sagen diese Fälle nun über die Immunität aus?

Diese Fälle zeigen, wie wenig noch über die Immunität gegen Covid-19 bekannt ist – schließlich kennt man das Virus auch erst seit Dezember 2019. Redlberger-Fritz: „Wir werden immer mehr solcher Fälle sehen und sie werden uns etwas über die Immunität nach einer Infektion verraten.“ Zum Beispiel sind Antikörper nur ein Faktor für die Immunität – die zelluläre Immunantwort bilde den zweiten Strang, sei für Covid-19 aber noch kaum untersucht. „Es gibt Untersuchungen, die der T-Zell-Immunität sogar eine größere Bedeutung zumessen“, sagt Ivo Steinmetz, Infektionsspezialist an der Med Uni Graz.

„Einen Marker für die Immunität kennen wir noch nicht“, sagt Redlberger-Fritz. Die vorliegende Fälle geben laut den Experten keine endgültige Antwort darauf, wie lange die Immunität nun anhält. Und unklar ist auch, ob es sich um Einzelfälle handelt, die eine schlechte Immunantwort hatten. „Es scheint ein seltenes Phänomen zu sein, sonst hätten wir schon mehr solcher Fälle gesehen“, sagt Steinmetz. Ob Reinfektionen selten sind und nur schwer zu finden, können nur Untersuchungen größerer Bevölkerungsgruppen zeigen, sagen auch Verantwortliche der WHO.

5. Was müssen Covid-Genesene nun wissen?

Weiterhin gilt für Genesene: Eine durchgemachte Infektion ist kein Freibrief, um sich über Anstandsregeln, Hygienemaßnahmen und das Mund-Nasenschutz-Tragen hinwegzusetzen, sagt Redlberger-Fritz. Wie bisher gelte auch weiterhin, dass sich auch Menschen, die bereits eine Infektion hinter sich haben, an die selben Regeln halten müssen.

6. Was bedeutet das für eine Impfung?

Diese Fälle sind keine Absage an eine Impfung: „Solche Reinfektionen sehen wir auch bei Infektionskrankheiten, gegen die Impfstoffe existieren“, sagt Steinmetz. Und Redlberger-Fritz sagt: „Eine Impfung kann einen länger anhaltenden Schutz auslösen als eine Infektion.“