Anfang Oktober durchqueren knapp 260 Tausend Spieler die atemberaubende Open-World von Cyberpunk 2077. Somit nimmt das Actionspiel mit RPG-Elementen den dritten Platz der meistgespielten Games auf Steam ein. Dank Update 2.0 und der neu veröffentlichten Inhaltserweiterung Phantom Liberty stürzen sich immer mehr Spieler in Night City. Mit übermenschlichen Fähigkeiten durch Cyberimplantaten macht ihr euch als Söldner V durch das Erledigen von gefährlichen Aufträgen einen Namen in der Cyberpunk-Metropole .Um die jetzige Wiederauferstehung nachvollziehen zu können, muss man erst verstehen, weshalb es bei der Veröffentlichung des Spiels zu einem Shitstorm gekommen ist.

Der Hype war nicht zu stoppen

Bereits der erste Teaser Trailer 2013 ließ Gamer mit offener Kinnlade zurück. Ein Triple A-Rollenspiel im Cyberpunk-Setting schien für viele wie ein wahr gewordener Traum. Über die Jahre schürte das polnische Entwicklerstudio CD Projekt Red mit atemberaubenden Trailern und versprochenen Features die Erwartungen. Spätestens als Keanu Reeves, John Wick höchstpersönlich, bei der E3 2019 das Release-Datum verkündigte, war der Hype-Zug nicht mehr zu bremsen.

Keanu Reeves als „Johnny Silverhand“ in Cyberpunk 2077
Keanu Reeves als „Johnny Silverhand“ in Cyberpunk 2077 © CD Project Red

Nach drei Verschiebungen kurz hintereinander wurde der Release von Cyberpunk 2077 auf den 10. Dezember 2020 gelegt. Solche Neuigkeiten sollten Gamer bei jedem normalen Entwicklerstudio hellhörig werden lassen. Doch nicht bei CD Projekt Red. Mit ihren ersten beiden Spielen der Witcher-Reihe sowie dem Rollenspiel-Meisterwerk The Witcher 3: Wild Hunt erarbeitete sich CDPR das Vertrauen der Gamingwelt. Was konnte jetzt noch schiefgehen?

Kurz vor Release wurden die ersten Reviews zu Cyberpunk 2077 veröffentlicht. Und wer hätte es gedacht, das Spiel erhielt durch die Bank ausgezeichnete Kritiken. CD Projekt Red hat die Erwartungen erfüllt. Aber das war nur die halbe Wahrheit. Denn die Kritiker durften für ihre Tests nur die PC-Version von Cyberpunk 2077 spielen und nur das von CDPR zur Verfügung gestellte Spielmaterial verwenden.

Die Launch-Katastrophe

Am 10.12.2020 öffneten Spieler voller Vorfreude erstmals Cyberpunk 2077 und was erwartete sie? Eine desaströse technische Leistung. Ausgewaschene Texturen, weitere auditive und visuelle Bugs in der ganzen Spielwelt sowie häufige Spielabbrüche ruinierten den Spielspaß. Auf Last-Gen Konsolen – Playstation 4 & Xbox One – war das Spiel beinahe unspielbar und selbst Besitzer der neuesten Hardware blieben nicht verschont. Realistisches NPC-Verhalten? Ein Multiplayer-Modus? Ein gutes Polizeisystem? Viele der versprochenen Features fehlten im fertigen Spiel.

Ein Bild zu einem typischen Bug in Cyberpunk 2077.
Ein Bild zu einem typischen Bug in Cyberpunk 2077. © Screenshot Gamerant

Zu sagen, dass sich die Spieler betrogen fühlten, war untertrieben. Komplett unangebracht war aber das Verhalten vieler „Fans“, die Entwickler mit Hassnachrichten und Morddrohungen bombardierten. Wie man heute weiß, war die Entwicklungsphase von Cyberpunk voller Probleme. Nicht nur die Corona-Pandemie erschwerte die Arbeit, sondern auch die Veröffentlichung auf neun verschiedenen Plattformen. Üblich sind drei, wenn nicht sogar vier Plattformen. Doch neun sind eine Herkulesaufgabe.
Außerdem standen die Entwickler durch ständige Konzeptänderungen unter enormen Zeitdruck und mussten crunchen. Unter crunchen versteht man, dass Spieleentwickler für einen längeren Zeitraum teils unbezahlte Überstunden machen müssen, damit ein Spiel rechtzeitig veröffentlicht wird.

Playstation warf Cyberpunk 2077 wegen seiner katastrophalen technischen Leistung für ganze sechs Monate aus seinem Online-Store und bot Rückzahlungen in voller Höhe an. Das hat es zuvor noch nie gegeben. Nicht nur Playstation und die Fans fühlten sich betrogen, sondern auch diverse Investoren. So erhielt CDPR eine Sammelklage wegen Irreführung und musste bei einer außergerichtlichen Einigung 1,85 Millionen US-Dollar zahlen. Der einst so gute Ruf von CDPR lag in Schutt und Asche.

Zweifellos, die irreführende Vorgehensweise von CD Projekt Red war äußerst unprofessionell und das Entwicklerstudio hat dafür bitter bezahlt. Heute ist Cyberpunk 2077 aber beliebter als je zuvor, sowohl bei Spielern als auch bei Kritikern. So beliebt, dass neben der bereits existierenden Animiationsserie „Cyberpunk: Edgerunners“ auch eine Live-Action-Serie angekündigt wurde. Wie konnte CDPR das Ruder herumreißen?